Insofern könnte Trumps Präsidialdekret auf den ersten Blick als ein weiteres Beispiel seiner großspurigen Symbolpolitik betrachtet werden. Tatsächlich stellt diese Politikentscheidung jedoch ein Symptom der akuten Demokratiebedrohung dar. Sie hat das Potenzial zur umfassendsten autoritären Attacke auf das politisch linke Lager in den USA seit der McCarthy-Ära in den 1950er-Jahren. In dem Dekret ist die Rede von einem "Muster politischer Gewalt", das sich zum Ziel setzt, "rechtmäßige politische Aktivitäten zu unterdrücken und die Rechtsstaatlichkeit zu behindern", weshalb ihre Geldgeber:innen zur Verantwortung gezogen werden müssen. Die extrem rechte Aktivistin und Influencerin Laura Loomer bezeichnete die politische Linke in diesem Zusammenhang als "nationales Sicherheitsrisiko" und Trumps stellvertretender Stabschef, Stephen Miller, befeuerte das Klima noch weiter, indem er auf X schrieb: "In den vergangenen Tagen haben wir gelernt, wie viele Amerikaner in einflussreichen Positionen – Sozialarbeiter, Justizangestellte, Krankenschwester und -pfleger, Lehrer, Regierungsangestellte, sogar Leute im Verteidigungsministerium – tief und gewaltsam radikalisiert wurden."
Auch Ungarn und die Niederlande wollen Antifa-Verbot
Konkret bedeutet Trumps Einstufung der antifaschistischen Bewegung als Terrororganisation zwar keine neuen Befugnisse oder Kompetenzen für die Polizei, allerdings soll sich diese stärker dazu aufgefordert sehen, gegen Antifa-Aktivist:innen vorzugehen. Eine Gruppe von linken Demonstrant:innen, von denen Einzelpersonen beispielsweise ein T-Shirt oder einen Kapuzenpullover mit dem Logo der Antifa-Bewegung – eine nach links wehende schwarz-rote Doppelfahne umrundet von einem roten Rettungsring – tragen, könnte somit unter dem Generalverdacht des Terrorismus fallen. Eine derartig behauptete diffuse Bedrohungslage stellt wiederum ein Einfallstor für autoritäre Reaktionen und Unterdrückungsmechanismen gegen Oppositionelle aller Couleur dar. Insofern verwundert es kaum, dass kurze Zeit nach Trumps Einstufung der antifaschistischen Bewegung als Terrororganisation der illiberale Ministerpräsident Ungarns, Viktor Orban (FIDESZ-Partei), sich dieser Einschätzung per Dekret anschloss. Zuvor hatte bereits der Rechtspopulist Geert Wilders beim niederländischen Parlament einen Antrag zur Prüfung eines Antifa-Verbotes eingereicht, dem eine Mehrheit von insgesamt sechs Parteien, darunter die liberal-konservative Regierungspartei VVD, am 18. September zustimmte.
In den USA werden nun bereits Erinnerungen an die traumatische Ära des berüchtigten republikanischen Senators Joseph McCarthy aus Wisconsin wach, der während seiner Amtszeit von 1947 bis 1957 aus Furcht vor den "Roten" ("Red Scare") eine Welle enormer antikommunistischer Hexenjagden, Einschüchterungen und politischer Repressionen losbrach. Dabei hat die Antifa-Bewegung in der US-amerikanischen Geschichte bisher keine sonderlich starke Rolle eingenommen. Entstanden ist die "Antifaschistische Aktion" (kurz: Antifa) in Deutschland in den 1920er-Jahren, als sich KPD, SPD und Gewerkschaften zum Ziel setzten, die Machtübernahme der Nationalsozialisten durch eine breite Einheitsfront noch zu verhindern. Jedoch existierten zu lange zu viele innerlinke Konflikte zwischen diesen Parteien, als dass sie den Machtantritt Hitlers und den daraus resultierenden Zweiten Weltkrieg sowie den singulären Zivilisationsbruch des Holocausts noch verhindern konnten. Nach 1945 etablierten sich zunächst antifaschistische Akteure wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) oder der Kommunistische Bund (KB), bevor zu Beginn der 1980er-Jahre die autonomen Antifa-Gruppen in Erscheinung traten. Diese charakterisieren sich seither insbesondere durch ihre Hierarchiekritik, Staatsskepsis und ihre potenzielle Gewaltbereitschaft zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus.
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