Der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß machte Anfang vergangenen Jahres mit einem Kalender auf sich Aufmerksam: "Die 12 schönsten Abschiebeflieger" hatte der Mercedes-Angestellte zusammengesucht, parteiintern ein begehrtes Merchandise. Seiner Parteikarriere schadete der Skandal nicht, im Gegenteil. Klauß landete beim jüngsten Parteitag der baden-württembergischen AfD in Heilbronn auf Platz sechs der Landesliste für die kommende Landtagswahl.
Fast 400 Delegierte sammelten sich am letzten Mai- und ersten Junitag, um über die Liste abzustimmen und sogar einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten zu küren. Diese Ambition des Landesverbandes, der in Baden-Württemberg als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist, dürfte aber enttäuscht werden. Keine andere Partei ist bereit für eine Koalition mit der AfD, die im Südwesten laut Umfragen etwa 19 Prozent der Wählerschaft hinter sich vereinen kann, und damit den zweiten Platz hinter der CDU belegt.
Klauß ist bei weitem nicht der einzige fragwürdige Kandidat, den die Rechten ins Rennen schicken. Auf Platz elf landete Sandro Scheer, der ebenfalls schon im Landtag sitzt, nachgerückt für den jetzt neu im Bundestag sitzenden Hans-Jürgen Goßner. In den sozialen Netzwerken teilt Scheer offenkundige Falschinformationen: So glaubt er aus einem Schatten auf einem stark verpixelten Bild zu erkennen, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Hose falsch herum angezogen hätte.
Und auf der Musk-Plattform X (früher Twitter) teilte er einen Beitrag der ehemaligen Tagesschausprecherin und Verschwörungsideologin Eva Herman, die andeutet, der französische Präsident Emanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer sowie der deutsche Kanzler Friedrich Merz hätten im Zug auf dem Rückweg von ihrem Besuch in Kiew vergangenen Monat Drogen konsumiert. Inzwischen längst widerlegte Desinformation, die von russischen Propagandisten gestreut wird, nach wie vor nachzulesen auf dem Profil des Abgeordneten.
AfD-Frau gegen "Genderideologie" und "Transkult"
Nur zwei Frauen landeten unter den sehr aussichtsreichen ersten 20 Plätzen der Liste. Eine davon ist Emely Knorr (Platz 20), die dieser Tage mit Stephan Schwarz (Listenplatz 18) durch sämtliche AfD-Kreisverbände tingelt, um ihren schmalen Sammelband "Mutfrauen: Erfolgreich mit Qualität. Ohne Quote. Ohne Quatsch" vorzustellen. Das von Schwarz verlegte Büchlein, in dem sich Kurzporträts von AfD-Frauen finden, erschien Ende letzten Jahres im Gerhard-Hess-Verlag, der von dem AfD-Bundestagsabgeordneten Volker Münz aus Uhingen geleitet wird. Darin warnt Knorr: "Was wir nun erleben ist eine sich zuspitzende, alles dominierende Genderideologie, dessen Trans-Kult sich durch alle Institutionen gefressen hat und letztendlich zur Kinderfalle wird!"
Zu den jüngeren AfD-Mitgliedern, die es in den Landtag schaffen dürften, zählt der 27-jährige Maximilian Gerner aus Reutlingen. Als Geschäftsführer der 2021 gegründeten "Agentur Emporia" für Werbung und Marketing versorgt er seine Partei mutmaßlich mit Werbe- und Propagandamaterial. Ein junger Mann, der weiß, wie man öffentlichkeitswirksam Botschaften transportiert. Es dürfte sich also um kein Versehen handeln, dass auf einem Foto auf der Facebookseite des Reutlinger AfD-Kreisverbandes zu sehen ist, wie Gerner Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand zum Kreis schließt und die restlichen Glieder in W-Form abspreizt – ein bei Rechtsextremen verbreitetes Erkennungssymbol für "White Power" (zu Deutsch: "Weiße Macht").
Bleibt es bis zur Wahl bei den aktuellen Zustimmungswerten für die Partei, dürften die ersten 25 bis 30 Kandidat:innen es sicher in den Landtag schaffen, vielleicht gar noch mehr. Knapp wird es dennoch für Kay Rittweg (Listenplatz 32). Er ist Listennachrücker für die rechte Betriebsratsliste der Pseudo-Gewerkschaft "Zentrum" (früher "Zentrum Automobil") im Mercedes-Benz-Werk in Sindelfingen.
Langjährige Abgeordnete wie Carola Wolle (Platz 28) und Udo Stein (Platz 31) haben die Delegierten auf nicht ganz aussichtslose, aber überraschend schlechte Listenplätze verbannt. Während die Gründe bei Wolle unbekannt sind, dürfte es bei Stein an dessen Eskapaden liegen. Er soll im Juni 2023 in Stuttgart Gäste einer Shishar-Bar mit einer Softair-Pistole bedroht haben. In seinem Büro fand die Polizei einen Rucksack mit Munition und einem Jagdmesser. Gegen ihn wurde unter anderem wegen Hausfriedensbruch, Amtsanmaßung, Missbrauch von Notrufen, falscher Verdächtigung und Vortäuschen einer Straftat ermittelt. Zeitweise war er in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Vor einem Jahr jedoch stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein.
Auf Platz 13 kandidiert der ehemalige Europaabgeordnete Joachim Kuhs, der den rechts-christlichen Flügel innerhalb der AfD repräsentiert. Er nimmt am "Marsch für das Leben" von Abtreibungsgegner:innen teil, ist Laienprediger einer unabhängigen anglikanischen Kirche in Baden-Baden und stellvertretender Vorsitzender des Vereins "Christen in der AfD". In diesem engagiert sich auch Daniel Rottmann (Listenplatz 27), wie Kuhs ein christlicher Fundamentalist und früher Mitglied der "Partei Bibeltreuer Christen".
Spitzenkandidat will nicht ins Parlament
Zum Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten wurde der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier mit nordkoreanisch anmutenden 99,7 Prozent gewählt. Und das, obwohl er gar nicht im Landtag sitzt oder dort hinein will. Dementsprechend bekleidet er keinen Listenplatz und tritt auch nicht als Direktkandidat an. Der derzeitige Bundestagsabgeordnete will entweder das höchste Amt im Ländle oder in Berlin bleiben.
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gerhard manthey
vor 2 Wochen