Die Erinnerung verblasst schon wieder. Als letztes Jahr die Pläne zur "Remigration" von Millionen Menschen bekannt wurden, gingen Hunderttausende auf die Straßen gegen rechts. Doch es blieb nur ein kurzes Zwischenspiel. Als ob nichts geschehen wäre, legt die AfD seitdem weiter rasant zu, sitzt mit einer Riesenfraktion im Bundestag und macht sich berechtigte Hoffnungen auf den baldigen Einzug in Landesregierungen. Dass dieser Trend gestoppt, gar umgedreht werden könnte, ist nicht in Sicht.
Waren die Demos umsonst? Nein. Sie gaben ein Aufbruchssignal in Teile der Gesellschaft. Aber um wirksam in den politischen Betrieb intervenieren zu können, muss man sich auf eine zentrale Forderung verständigen, auf die man zuspitzt. Daran mangelte es der Bewegung vom Frühjahr 2024. Nach Lage der Dinge wäre das die Forderung nach dem Verbot der AfD gewesen. Inzwischen hat die Bewegung an Fahrt verloren: Vergangenen Sonntag gingen bundesweit Menschen für ein AfD-Verbot auf die Straße, doch die Beteiligung blieb teils deutlich hinter den Erwartungen der Veranstalter:innen: In Heidelberg etwa 450, in Freiburg 2.000 statt der erhofften 5.000, in Stuttgart nur etwa 200.
Die AfD steht bei Weitem nicht allein für den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft. Aber sie ist seine Speerspitze. Ihre zunehmende Akzeptanz lässt die teilweise noch vorhandenen Brandmauern in Politik und Gesellschaft täglich weiter bröckeln. In ihrem Windschatten treten Nazibanden immer zahlreicher, selbstbewusster und aggressiver auf. Die kaum noch überschaubare Zahl bekannt gewordener "Einzelfälle" von extrem rechten Vorfällen in der Polizei ist nur die Spitze des Eisbergs. Erst langsam tritt das Ausmaß der Reichsbürgerszene und ihrer Putschpläne zutage. Auch das mysteriöse Verschwinden von Waffenbeständen bei Polizei und Bundeswehr deutet darauf hin, dass sehr konkret an Umsturzplänen gearbeitet wird. Bitte dreimal raten, welcher Partei sich all diese Akteure verbunden fühlen. Sie müssen entwaffnet werden. Das kann nur der Staat und das ist von ihm zu verlangen.
Eine Ausrede ist immer parat
Höchste Zeit für einen groß angelegten administrativen Schlag gegen die AfD. Kein My an rechten Gedanken würde deswegen aus den Köpfen verschwinden. Aber Infrastruktur und organisatorische Möglichkeiten der rechten Szene würden empfindlich getroffen: staatliche Gelder, Parlamentssitze, hauptamtliche Mitarbeiter:innen, Parteistrukturen, Medienkontakte und, wenn man es so nennen will, öffentliche Reputation. Ein Verbotsurteil, ja allein schon der Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht würde es leichter machen, Rechtsextreme aus dem Staatsapparat zu entfernen, besonders aus dem Sicherheitsapparat.
Die Forderung nach einem Verbot der AfD erhält mit ihrer Einschätzung durch den Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" Auftrieb. Auch wer aus guten Gründen nicht mit dieser Behörde sympathisiert, muss die Chance jetzt nutzen. Es könnte die letzte sein.
1 Kommentar verfügbar
Matthias
vor 19 StundenNein. Der Kampf gegen Rechts läuft unabhängig von der Forderung nach Abschaffung des Kapitalismus. Ich habe so meine Zweifel, ob ein AfD-Verbotsverfahren…