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AfD-Kandidat in Esslingen

Freund der extremen Rechten

AfD-Kandidat in Esslingen: Freund der extremen Rechten
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Der Esslinger Direktkandidat der AfD hat Kontakte in die rechte Szene bis zur Identitären Bewegung. Sein Arbeitgeber, das Bundeskriminalamt, hat ihn beurlaubt und Hausverbot erteilt. Im Wahlkampf geht er damit nicht hausieren.

Aussicht auf Erfolg hat er als Direktkandidat kaum: Stefan Wischniowski, geboren 1971, tritt in Esslingen für die AfD an. Von Beruf ist er Kriminaloberkommissar und IT-Forensiker beim Kriminalistischen Institut des Bundeskriminalamts (BKA). In Interviews erwähnt er gerne, dass er Personenschützer für Otto Schily und Franz Müntefering gewesen sei. Aktuell aber ist er beurlaubt und hat Hausverbot beim BKA, laut Medienberichten wegen Zweifel an seiner Neutralitätspflicht und Verfassungstreue. Damit beschäftigt sich nun das Verwaltungsgericht in Berlin, das Verfahren beginnt diesen Mittwoch, 12. Februar. Was war geschehen?

Schon vor Jahren sorgte Wischniowski, damals noch in Berlin ansässig, für Schlagzeilen. Im März 2019 initiierte er eine Petition gegen die "Privilegierung von Bürgern mit Migrationshintergrund", um die Einstellungspraxis des BKA zu überprüfen. Das BKA versuchte nämlich über Quoten und die Absenkung von Zugangsvoraussetzung den vergleichsweise geringen Anteil von Migrant:innen beim BKA zu erhöhen. Der Gedanke dahinter: Die Polizeibehörde sollte die Gesellschaft stärker abbilden. In seiner Petition argumentiert Wischniowski, dass diese Anstrengung gegen das Grundgesetz sei beziehungsweise gegen die darin garantierte Rechtsgleichheit verstoßen würden. Es sei eine "Diskriminierung von Deutschen ohne Migrationshintergrund".  

Vernetzt in der rechtsextremen Szene

Diese Petition klingt nicht ganz zufällig wie eine kleine Anfrage der AfD: Wischniowski ist laut eigener Aussage seit September 2013 AfD-Mitglied. Seit 2017 war er Vorstandsmitglied der AfD Neukölln und Rechnungsprüfer im Bezirksvorstand. In seiner Zeit in Neukölln hatte er Kontakt zu den beiden inzwischen verurteilten Hauptverdächtigen in einer Brandanschlagsserie in Neukölln, die sich vor allem gegen Linke richtete. Einer der beiden Täter, Tilo P., war Beisitzer im selben AfD-Kreisverband wie Wischniowski. Zwischen 2009 und 2021 wurden mindestens 72 rechtsextreme Straftaten verübt, darunter 23 Brandanschläge, die als "Neukölln-Komplex" bekannt wurden. Der Kontakt war auffällig, allerdings gibt es keine Beweise, dass die Verurteilten und Wischniowski zusammengearbeitet oder sich gedeckt hätten.

Mit seiner Gesinnung hält Wischniowski nicht hinterm Berg: An seinem Privatfahrzeug soll zeitweise ein Aufkleber mit der Aufschrift "Merkel muss weg" geprangt haben. Spätestens seit vergangenem Jahr lebt der Kriminalbeamte in Neuhausen auf den Fildern, denn bereits zu den Kommunalwahlen im Juni 2024 kandidierte er für den Kreistag in Esslingen – erfolglos. 

Auch außerhalb der AfD war und ist Wischniowski politisch aktiv. Im September 2020 nahm er am Gedenken des Bündnisses "Kahlenberg Allianz 1683" in Wien teil. Die Veranstaltung organisieren Vereine aus dem Spektrum der Identitären und soll an die Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 erinnern, mit der die Zweite Wiener Türkenbelagerung beendet wurde. Historische Schlachten sind gerne genutzte Projektionsflächen der extremen Rechten für die Gegenwart. Ordner der Veranstaltung  waren Mitglieder der slowakischen paramilitärischen Neonazigruppe "Slovenskí Branci" ("Slowakische Freiwillige"), gekleidet in Militäruniform. Der Spiegel berichtet über die Teilnahme von Wischniowski an der Demonstration.

Für seine AfD-Direktkandidatur in Esslingen schaltete Wischniowski vergangenen Monat eine Online-Anzeige bei dem antimuslimisch-rassistischen Online-Portal "PI-News". Gelegentlich tritt er als Gastautor für das Online-Magazin "Epoch-Times" in Erscheinung, die aus einem Medium der in China verfolgten Falung-Gong-Sekte hervorging und sympathisierend über PEGIDA berichtet. Ausweislich seines Twitter/X-Accounts ist Wischniowski zudem Sektionsleiter Stuttgart der rechts-libertären "Atlas-Initiative", die der Milei- und Trump-Bewunderer Markus Krall gegründet hat. Krall sprach sich offen dafür aus, Empfänger:innen von Transferleistungen, also Bürgergeld und Sozialhilfe, das Wahlrecht zu entziehen. Diese Forderung ist eindeutig antidemokratisch, weil sie sich gegen das gleiche Wahlrecht für alle Staatsbürger:innen richtet. Das scheint Wischniowski allerdings nicht zu stören. 

Verheiratet ist er mit einer Asiatin

Kritik und den Verdacht des Rechtsextremismus versucht Wischniowski abzuwehren, indem er auf seine Lebensabschnitte im Ausland und seine binationale Ehe verweist: Er ist verheiratet mit einer asiatischen Frau. Die extreme Rechte im Westen ist tatsächlich mit diversen ideologischen Herausforderungen und inneren Widersprüchen konfrontiert. Es fällt offenbar vielen Rechtsextremen schwer, der eigenen Ideologie immer zu entsprechen. "Nazis essen heimlich Döner" verulken diesen Umstand häufig Plakate auf Demos. So haben sich, auch wenn es den Völkisch-Orthodoxen nicht immer schmecken wird, Teile der extremen Rechten geöffnet, darunter auch die AfD. Die einigenden Bänder in der Partei sind der Erfolg und gemeinsame Feindbilder. Der gesellschaftliche Pluralismus in Form von Multikulturalismus oder offen auftretenden Homosexuellen ist auch bei der AfD und ihren westeuropäischen Schwester-Parteien angekommen.

Die extreme Rechte präsentiert sich ideologisch flexibel und nahm Anpassungen vor, um nicht weiter im Abseits zu stehen, wie es etwa bei den neonazistischen Kleinstparteien "Die Heimat" (2023 umbenannter Mehrheitsflügel der alten NPD), "Die Rechte", "Der III. Weg" oder der Rest-NPD (Minderheitsflügel der alten NPD) der Fall ist. Es ist auch diese ideologische Flexibilität, die den Rechtspopulismus als moderne Version des Rechtsextremismus auszeichnet und die die extreme Rechte wieder groß gemacht hat. Dieser Erfolg zieht auch die völkischen Hardliner und sogenannte 'Kellernazis', die ihren Neonazismus versteckt betreiben, an – trotz ideologischer Differenzen. Die AfD wurde zum Sammlungsprojekt aller Strömungen der extremen, konservativen, libertären und christlichen Rechten.

Das allerdings bedeutet nicht, dass der in der extremen Rechten grundlegende Ethnonationalismus und Heterosexismus ad acta gelegt wurde, er besteht weiter– aber "Abweichungen" von der Norm werden stärker toleriert. Das zeigt sich im Großen wie im Kleinen: Bei der AfD-Kanzler-Kandidatin Alice Weidel aus Überlingen, die in einer lesbischen Beziehung lebt, sowie auch bei dem AfD-Direktkandidaten Stefan Wischniowski, der mit einer asiatischen Frau zusammenlebt und mit ihr zusammen vier Kinder mit sichtbarer Migrationsgeschichte hat. Seine binationale Ehe hindert Wischniowski allerdings nicht daran, sich auf  Irenäus Eibl-Eibesfeldt (1928-2018) zu beziehen, so geschehen in einem Vortrag am 10. Dezember 2020 in der "Staatsreparatur" des Berliner AfD-Abgeordneten Andreas Wild. Eibl-Eibesfeldt war ein Schüler von Konrad Lorenz und wie dieser Verhaltensforscher. Er nannte Ausländer "Kulturferne" und gilt als wissenschaftlicher Pate für das rassistische Konzept des "Ethnopluralismus", das jeder Ethnie ein Territorium zuweist und damit eine modernisierte Version der Apartheid darstellt.

Einerseits präsentiert die extreme Rechte gerne nach außen hin Menschen jenseits der heterosexistischen und rassistischen Normvorstellung in den eigenen Reihen, um zu beweisen, dass man doch kein "Nazi" sei. Andererseits gelten sie intern doch einigen als Makel und besonders bei Konflikten wird dieser "Makel" dann angeprangert. So diffamieren parteiinterne Gegner:innen des in Rumänien geborenen AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier diesen in Telegram-Chats immer wieder als "rumänisches Findelkind". Es wird sich zeigen, ob die Partei dem Widerspruch zwischen völkischer Ideologie und pluralistischem Schein auf Dauer standhält.

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