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Untersuchungsausschuss Polizeiaffäre BW

Gekommen, um zu drohen

Untersuchungsausschuss Polizeiaffäre BW: Gekommen, um zu drohen
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Er ist einer der Hauptzeugen im Polizei-Untersuchungsausschuss des Landtags. Seine Anwälte ließen vorab durchblicken, dass er keine Fragen beantwortet. Dann allerdings inszeniert sich der suspendierte Inspekteur der Polizei (IdP) Andreas Renner nach allen Regeln der Kunst und macht deutlich, dass die Spitze im Innenministerium gut daran tut, ihn zu fürchten.

Ein paar Fotografen und Kameraleute sind zum 36. Sitzungstag am vergangenen Montag, 7. April gekommen, mehr Medienschaffende als in vielen anderen Sitzungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses mit dem überlangen Namen: "Handeln des Innenministers und des Innenministeriums im Fall des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen den Inspekteur der Polizei Baden-Württemberg und Beurteilungs-, Beförderungs- und Stellenbesetzungsverfahren in der Polizei Baden-Württemberg (UsA IdP & Beförderungspraxis)". Der Zeuge interessiert eben, war er doch der schnell aufgestiegene, ranghöchste Uniformträger bei der Polizei des Landes. Dann, im November 2021, die Vorwürfe wegen sexueller Belästigung, im Juli 2023 der Freispruch.

Der 51-Jährige, der noch immer ein gekürztes Gehalt bezieht, tritt erstmals wieder öffentlich auf. Er erscheint in Begleitung seiner Gattin Gabriele, die ihn schon im Strafverfahren durch ständige Präsenz unterstützt hatte. Die damals berühmt gewordene "Stay strong"-Handtasche hat sie gegen ein Modell mit dem Schriftzug Stuttgart samt rotem Herz getauscht. Deutlich leichter sind andere Botschaften zu entschlüsseln. Wenn es nach Renner geht, sollte sich eine seiner einst ziemlich besten Freundinnen im Hause von Innenminister Thomas Strobl (CDU), die Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz, warm anziehen. Denn obwohl er doch eigentlich gar nichts sagen will, holt er in einem fünfminütigen Statement zu einer Frontalattacke aus. Ihr Handeln in der "Stunde Null", also beim Bekanntwerden des Vorwurfs der sexuellen Nötigung gegen ihn, "ohne Beiziehung jedes kriminalistischen Sachverstands" sei für ihn noch immer ein Rätsel, sagt er, und es klingt genüsslich.

Bemerkenswert wird FDP-Obfrau Julia Goll später auf der üblichen anschließenden Pressekonferenz "das Bedürfnis des Zeugen" nennen, Hinz einschlägigen Sachverstand komplett abzusprechen. Goll kündigt an, den erhobenen Vorwürfen nachzugehen und das Verhalten der Landespolizeipräsidentin gegenüber dem freigestellten Inspekteur nochmals genau unter die Lupe zu nehmen. Da trifft es sich, dass Hinz in der kommenden, der 37. Sitzung Mitte Mai, abermals als Zeugin geladen ist.

Dann wird sie Auskunft darüber geben müssen, wie sie in den ersten Stunden und Tagen nach Bekanntwerden der Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den IdP agiert hat. Zum Beispiel, wieso sie Renners Privathandy nicht sogleich einziehen ließ. Ferner zu den Spannungen, die sich zwischen den beiden – ganz offensichtlich – entwickelt haben. Bei ihrem ersten Auftritt vor dem Ausschuss hatte Hinz im Februar 2023 berichtet, Renner sei empört gewesen über die Anschuldigungen. Er habe sich zu rechtfertigen versucht, wollte einen Kurzurlaub und erst einmal erreichen, dass die Vorgänge zunächst intern blieben. Hinz lehnte ab und schaltete die Staatsanwaltschaft ein.

Auf Fragen will er nicht antworten

Jetzt wirft er ihr nicht nur Ermittlungsfehler vor, sondern macht sie dazu für die eingeschränkte Aussagegenehmigung verantwortlich, die ihm Einlassungen in der Sache untersagt. Leider sei es ihm deshalb nicht möglich "am heutigen Tag Aussagen zu machen", erklärt Renner, um nachzuschieben: "Die Betonung liegt auf dem heutigen Tag." Dabei hätte er "gerne mit voller Überzeugung nach dreieinhalb Jahren Schweigen ausgesagt".

Die Abgeordneten kann er davon ganz und gar nicht überzeugen, im Gegenteil. "Es ist sein gutes Recht, nichts zu sagen und es ist mein gutes Recht, mir meinen Teil dazu zu denken", bringt Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand das Ergebnis des fünfminütigen Monologs auf den Punkt. Und er arbeitet den Unterschied zwischen nicht aussagen wollen und nicht aussagen dürfen heraus. Denn auf Fragen zur Beförderungs- und Beurteilungspraxis, auch zu Vorhalten aus Bekundungen früherer Zeug:innen, hätte der prominente Zeuge nach übereinstimmender Jurist:innen-Meinung im Ausschuss sehr wohl antworten dürfen, er habe aber nicht gewollt. "Er ist gekommen", so Hildenbrand, "um wieder zu gehen."

Nicht ganz, denn genießen wollte er diesen Termin dann doch. In der Pose eines entspannten Ehepaares schlendern Andreas und Gabriele Renner händchenhaltend dem Landtag entgegen. Drinnen lässt er sich, während der Ausschuss noch nichtöffentlich tagt, vorab schon mal in den Plenarsaal bringen: Er möchte den Stuhl näher betrachten, auf dem er gleich Platz nehmen muss. Als langer Schlacks problematisiert er die Sitzhöhe, plaudert wie nebenbei locker mit Medienleuten. Die dabei entstehenden Fotos möchte er dann aber doch unbedingt verpixelt sehen. Und Aufnahmen in Bild und Ton von seinem Auftritt vor den Abgeordneten stimmt er ohnehin nicht zu – ein Recht, das ihm das Untersuchungsausschussgesetz einräumt. Gleich zu Beginn des eigentlichen Auftritts leistet er sich doch eine kurze Schwäche, fingert fahrig nach den in einer Plastikhülle vorbereiteten Seiten, bis er die und sich selber im Griff hat.

Renners Enthüllungen könnten Strobl treffen

Wenn Renner Ernst macht mit seiner Ankündigung, will er demnächst eine viel größere Bühne suchen als den schwach besetzen Plenarsaal und die Grüppchen pensionierter Polizeibeamt:innen auf der Tribüne. Und dann womöglich bisher unbekannte Interna auftischen. Ein Besucher erinnert daran, dass CDU-Innenminister Thomas Strobl noch einmal einen Anlauf nehmen will, um 2026 in den Landtag einzuziehen, also noch nicht in die Polit-Rente gehen möchte. Da könne er durchaus noch getroffen werden von Renner'schen Enthüllungen, "wenn es die wirklich geben sollte".

Zwei Verfahren müssen dann abgeschlossen sein, weil bis dahin das Aussageverweigerungsrecht besteht. Gegenwärtig ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart noch wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit und dazu, ob Renner einer Kollegin eine Beförderung in Aussicht gestellt hat, wenn sie sich mit ihm einlässt. Außerdem ruht das Disziplinarverfahren. Danach aber wolle er "selbstverständlich" zur Verfügung stehen, sagt er.

Dass dies noch vor den Abgeordneten dieses Untersuchungsausschusses und vor Ende der Legislaturperiode geschehen könnte, ist unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen. Zwar ist der Zeuge entlassen worden, die Abgeordneten seien aber frei, erläutert die Ausschussvorsitzende Daniela Evers (Grüne), ihn jederzeit nochmals zu laden. Und so wie der Spitzenbeamte am Montag aufgetreten ist, wird er mit Sicherheit andere Mittel und Wege suchen, loszuwerden, was er loswerden will. "Ich bin mir sicher, es findet sich dafür eine Lösung", sagt er zum Abschluss geradezu treuherzig, "und damit bin ich leider am Ende meiner kurzen Ausführungen." Händchen haltend zieht das Pärchen von dannen. Der Vorhang zu und viele Fragen offen.

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3 Kommentare verfügbar

  • Martin Deeg
    vor 3 Wochen
    Antworten
    Der Mann fühlt sich offenbar ungerecht behandelt - die Frage ist nur weshalb?

    Weil sich Hinz nicht an der Vertuschung des von der Beamtin angezeigten sexuellen Übergriffs beteiligen wollte? Dass das medial Wellen schlagen würde, war voraussehbar, eine Karrierejuristin wird sich darauf natürlich…
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