Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, wie sich die frühere parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion Mitte März loben wird, wenn das "Gesetz für das schnelle Bauen" endgültig verabschiedet werden soll. "Wenn man es wirklich will, sind Entbürokratisierung und Beschleunigung auch in Deutschland im Jahr 2025 möglich", hat Nicole Razavi verkündet, heute baden-württembergische Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen. Und dass es nicht um Schönheitsreparaturen geht, sondern um eine "echte Grundsanierung".
Die hätte das Land tatsächlich bitter nötig. Denn die Entwicklung seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine mit stark steigenden Preisen sprengt die Statistik: 1950 wurden erstmals für den Südwesten Zahlen zur Bautätigkeit erhoben und damals knapp 29.000 Genehmigungen erteilt. 2024 dagegen waren es 6.643 und damit so wenig wie nie in den vergangenen 75 Jahren. Zum Vergleich: In den 1970ern gab es zwischen 35.000 und 45.000 neue Komplexe jährlich zwischen Main und Bodensee. In Wien, mit seinen zwei statt elf Millionen Einwohner:innen wie in Baden-Württemberg, sind es gegenwärtig rund 10.000 pro Jahr.
Das Totalversagen lässt sich allein an den hochtrabenden Beteuerungen von Grünen und CDU im ersten gemeinsamen Koalitionsvertrag von 2016 ablesen – und an der Kluft zu dem, was daraus wurde. "Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum kann nur gedeckt werden, wenn die Politik geeignete Rahmenbedingungen schafft und den Wohnungsbau als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller am Wohnungsbau beteiligten Partner sieht", hieß es damals. Nur gemeinsam werde der Aufbruch für mehr bezahlbaren Wohnraum gelingen. Und konkreter: "Wir werden den Bau neuer sozialer Mietwohnungen vorantreiben und dem drohenden Auslaufen der derzeit vorhandenen Sozialbindungen entgegenwirken."
Die Agenden gingen an die CDU. Seither wird herumgedoktert. Schon Razavis Vorgängerin, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, wollte "verschlanken, beschleunigen, entbürokratisieren, optimieren" und sogar "ehrlich diskutieren". Dabei setzte das Land viel zu lange vor allem auf Bundesförderungen oder auf eine am Eigenheim interessierte Mittelschicht, die vergleichsweise preiswerte Mietobjekte frei macht. Auf Ausschussreisen nach Zürich oder Wien wurde erkennbar, dass erfolgreiche Modelle ohne direktes Engagement und einer viel stärkeren Rolle der öffentlichen Hand nicht kopierbar sind. Die eigene Partei verweigerte Hoffmeister-Kraut bei der Bildung des dritten Kabinetts Kretschmann die Verlängerung als Bauministerin.
Ohne Genehmigung gilt der Antrag als genehmigt
Stattdessen kam mit Razavi eine frühere Verkehrsexpertin und glühende Stuttgart-21-Befürworterin mit einem neuen Ressort zum Zuge. Der damalige CDU-Landeschef, Innenminister Thomas Strobl, wollte Personal unterbringen. Die allzu oft allzu braven Grünen nickten dieses Begehren in einer ohnehin durch Staatssekretär:innen in allen Ministerien aufgeblähten Landesregierung ab, und tapfer lobte Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Neuerung gerade mit den Herausforderungen im Wohnungsbau.
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Reinhard Gunst
am 26.02.2025