Sozialer Wohnungsbau? Ja, bitte!
"Zu solch hohen Quadratmeterpreisen können wir nicht bauen", sagt die Vorstandsvorsitzende der Familienheim Genossenschaft Anja Dziolloß. Zudem könne man die Vorgabe von 50 Prozent gefördertem Sozialwohnungsbau nicht einhalten. Familienheim ist eine von drei großen Freiburger Genossenschaften. Die anderen zwei – der Bauverein Breisgau und die Heimbau – machen ebenfalls einen Bogen um Kleineschholz. Hubert Hoffmann glaubt, die großen Genossenschaften wollten sich nicht auf langjährige Sozialbindungen festlegen lassen. Und sie würden lieber auf Grundstücken bauen, die ihnen schon gehören und bei denen es weniger Auflagen durch den Bebauungsplan gibt, ergänzt Haselberger. Sie verteidigt die Sozialquote, weil das Problem nicht gelöst werde, "wenn wir jetzt wieder nur teure Wohnungen bauen".
Die Freien Wähler hingegen wollen im Gemeinderat debattieren lassen, ob Baugenossenschaften nicht von der Auflage, 50 Prozent Sozialwohnungen errichten zu müssen, befreit werden sollten.
Dass die Mieten in neuen Baugebieten extrem hoch sind, sobald es keine städtebaulichen Vorgaben gibt, zeigt ein Blick auf das Freiburger Güterbahnhofsareal: Bereits 2018, als das Mietniveau noch niedriger war, fingen die Mieten hier bei 15 oder 16 Euro pro Quadratmeter an. Gerade klassische Investoren bauen ohne Vorgaben nicht im mittleren Preissegment, sondern versuchen, das maximal Mögliche an Profit herauszuholen.
Für Kleineschholz kalkulieren allerdings auch Mietshäuser Syndikat und Esche Mieten mit etwa 15 Euro pro Quadratmeter in den "freifinanzierten", also mit eigenen Mitteln und ohne Steuerbegünstigungen erworbenen Wohnungen. Grundstückspreise, Baukosten und Zinsen sind gestiegen.
"In der Esche gilt das Kostenmietenprinzip, nicht das Marktmietenprinzip. Nicht, was der Markt hergibt, ist das Ziel, sondern Mieten, welche die Kosten decken und eine langfristige Nutzung ermöglichen", schreibt die Genossenschaft Esche auf ihrer Homepage. Auch beim Mietshäuser Syndikat, das in Freiburg gegründet wurde und mittlerweile bundesweit knapp 200 Projekte umfasst, ist die Grundidee: Häuser auf Dauer dem Immobilienmarkt entziehen.
Um die Kosten für die späteren Mieter:innen nicht zu hoch werden zu lassen, planen beide Akteure, sich auch bei den freifinanzierten Wohnungen an den Größenvorgaben für den sozialen Wohnungsbau zu orientieren. Dieser sieht für eine Person bis zu 45 m² und für jede weitere Person pro Haushalt zusätzliche 15 m² vor. Wird wie hier barrierefrei gebaut, darf es etwas größer sein. "Wenn ich weniger Quadratmeter bezahlen muss, wird es günstiger", erklärt Hoffmann die einfache Rechnung. Zudem wird Platz gespart und der ökologische Fußabdruck pro Person ist geringer.
Freifinanzierte Wohnungen soll es bei EOS1 von Helma Hasselberger allerdings gar nicht viele geben. In dem Projekt, das nach der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom benannt ist, die sich mit der nachhaltigen Bewirtschaftung von gemeinschaftlich genutzten Ressourcen (Allmenden) auseinandergesetzt hat, sollen später rund 30 Wohnungen Platz finden. EOS1 plant mit 67 Prozent Sozialwohnungen. Auch Hubert Hoffmann überlegt, ob die Esche die Sozialwohnungsquote von 50 Prozent nicht noch übertreffen und 60 Prozent der geplanten 60 bis 70 Wohnungen nach Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus errichten sollte. Das müssten letztlich die aktiven Genossenschaftsmitglieder entscheiden.
Für den Bezug einer sozial geförderten Wohnung ist ein Wohnberechtigungsschein notwendig. In Baden-Württemberg sind die Einkommensgrenzen dafür sehr hoch. Bis zu 55.250 Euro darf beispielweise ein Ein- oder Zwei-Personen-Haushalt im Jahr verdienen. Die Miete in den entsprechenden Wohnungen sollen bei Esche und EOS1 bei knapp 10 Euro pro m² liegen – wenn denn alles klappt, denn die wichtigste Finanzierungsquelle beim Bau von Sozialwohnungen macht Haselberger und Hoffmann durchaus Sorgen.
Baukosten auf Generationen verteilen
Ende Juni gab die baden-württembergische Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Nicole Razavi (CDU) bekannt, dass das Bewilligungsvolumen für das Programm des Landes zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Höhe von 580 Millionen Euro bereits jetzt mit Anträgen voll ausgeschöpft sei. In der zweiten Jahreshälfte ist im Ländle also kein Geld für den Bau von so dringend benötigten Sozialwohnungen mehr vorhanden. "Das macht uns natürlich Angst, dass da zu wenig Geld drin ist und es jeweils jedes Jahr ganz schnell ausgeschöpft sein könnte und wir dann vielleicht nicht mehr zum Zug kommen," sagt Haselberger. Ohne die zinslosen Kredite der Landesbank dürften die angestrebten Projekte von Mietshäuser Syndikat und Esche nicht finanzierbar sein.
3 Kommentare verfügbar
Ferdinand W.
am 07.08.2024