Frau Jaureguízar, ist die Projektleiterin der IBA'27 manchmal verzweifelt über den schneckenmäßigen Fortschritt der IBA-Projekte?
Wir haben viele tolle Projekte in der ganzen Region – und in vielen Fällen geht es auch gut voran. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass wir bis in vier Jahren in vielen Projekten gebaute Häuser zeigen können, die echte Vorbilder sind für eine zukunftsfähige Stadt. Aber Sie haben natürlich auch recht: An manchen Stellen geht es langsam, zu langsam voran.
Vor allem hier in Stuttgart. Woran liegt's?
Das ist nicht nur ein Stuttgarter Phänomen: Die langen Planungsabläufe werden im ganzen Land und von vielen Seiten bemängelt. Das hat unter anderem mit den unfassbar komplizierten und manchmal absurd detaillierten Regularien und Abläufen zu tun. Es ist aber auch eine Frage der Haltung. In Deutschland diskutiert man gerne, oft aber zu lang über Bauprojekte. Das ist auf der einen Seite natürlich eine demokratische Stärke, es macht die Abläufe aber auch träge. Es braucht auch in guten demokratischen Prozessen gute Führung und den Willen, Verantwortung zu übernehmen. Und gerade bei Leuten, die nur für ein paar Jahre gewählt sind, fehlt manchmal der Weitblick. Ich nenne es das Stuttgarter Kesselsyndrom.
Sie nennen es fehlenden Weitblick. Mir scheint, es braucht jemanden, sei es der Baubürgermeister oder der OB, die stadtplanerische Visionen haben.
Ich will niemanden persönlich angreifen. Aber Weitblick brauchen wir alle in unserer Profession. Wo wollen wir hin, wie wünsche ich mir die Stadt der Zukunft? Diese Frage ist wichtig, und dabei ist auch träumen wichtig. Wenn Sie mir diese Frage stellen, würde ich antworten: Wir brauchen weniger profitorientierte Stadtentwicklung, sondern eine, die die Menschen in den Fokus rückt.
Ein bisschen Leidenschaft wäre auch nicht schlecht. Womöglich hat man da mit Thomas Bopp als Vorsitzenden der Regionalversammlung einen, der wirklich Interesse an der IBA hat und an den Projekten in der Region. Dort jedenfalls scheint es schneller voranzugehen.
Die Projekte kommen unterschiedlich voran, das ist richtig, aber Stadt oder Region: Da würde ich keinen großen Unterschied machen. Wir haben auch in der Landeshauptstadt Vorzeigeprojekte, die genossenschaftlichen Wohnprojekte in Rot und Münster etwa. Oder ganz neu im Netzwerk der IBA ist die Weiterentwicklung des Klett-Areals im Westen. Da sind Leute mit großer Leidenschaft dran – wie auch in der Region, bei der Neckarspinnerei in Wendlingen etwa. Und mit dem Tobias-Mayer-Quartier gibt es auch in Esslingen ein starkes Beispiel für innovativen, bezahlbaren Wohnraum. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft arbeitet zusammen mit einer Baugruppe, die eine Vision von Wohnen hat, von alternativem Wohnen, deshalb nennen sie sich "AlWo 1". Die wollen gemeinsam genutzte Räume sowie bezahlbaren Wohnraum schaffen und mit nachhaltigen Baumaterialien arbeiten. Dieses Haus soll in Zusammenarbeit mit dem Miethäusersyndikat entstehen.
Und in Stuttgart wird immer noch über das Züblin-Parkhaus diskutiert.
Wie gesagt: Manche Projekte kommen zügiger voran als andere, und manches – in Stuttgart und der Region – ist auch etwas zäh. Beim Züblin-Parkhaus haben wir tatsächlich viel Zeit verloren. Nächstes Jahr kommt ja nun aber die Konzeptvergabe und wir hoffen auf gute Umsetzungsideen. Neben Visionen und Träumen einer lebenswerten Stadt braucht es dafür auch eine Portion Pragmatismus. Stuttgart ist eine starke Region und es gibt hier tolle Architekt:innen. Ich bleibe also zuversichtlich.
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Petra
am 23.11.2023