Am diesjährigen Architekturnovember – so heißt eine jährliche Veranstaltungsreihe des Bunds Deutscher Architekten (BDA) Baden-Württemberg – waren erstmals mehr Frauen als Männer beteiligt: selbstständige Architektinnen und solche, die große Büros gemeinsam mit Männern führen. Dazu gab es eine Diskussion an der Stuttgarter Kunstakademie um die Defizite bei der Gleichberechtigung: Unter den Studierenden gibt es ebenso viele Frauen wie Männer, und es gibt heute viele Professorinnen. Aber bei der Bezahlung bestehen nach wie vor Unterschiede.
Als Odile Laufner an der Uni Stuttgart Architektur studierte, war das alles noch ganz anders. Allenfalls zehn Prozent der Studierenden waren weiblich. Professorinnen gab es keine, nur wenige Assistentinnen. Nur die Gehaltsunterschiede, die bestanden auch damals schon. Im Gymnasium hatte sich Laufner für künstlerische und naturwissenschaftliche Fächer interessiert, aber auch für Menschen. Irgendwann kam sie zu dem Schluss: Die beste Kombination ist Architektur – ein umfassendes Gebiet. Sie hatte einen Onkel im Saarland, der Architekt war, zu ihm aber wenig Kontakt. Es war ihre freie Entscheidung.
Beim Erzählen springt Laufner direkt zur Bürogründung, 1988 mit ihrer Büropartnerin Monika Ernst. In Esslingen hatten sie einen Wettbewerb gewonnen, für eine der ersten ökologischen Siedlungen in Deutschland. Auch wenn sie erst 1995 fertig war: Die Siedlung Zaunäcker war längst geplant, als die Internationale Gartenschau 1993 mit der Expo "Wohnen 2000" das Thema aufgriff. Die Öko-Siedlung erhielt viel Aufmerksamkeit: Auf eine Auszeichnung der Architektenkammer für "Beispielhaftes Bauen" folgten ein Artikel im "Stern" und darauf eine dreiviertelstündige TV-Doku.
Der Amtsschimmel treibt sie zurück nach Stuttgart
Nach dem Studium war Laufner zunächst nach Freiburg, dann nach Südfrankreich gegangen. Anschließend arbeitete sie in Trier, als einzige Frau im Hochbauamt. Die Männer behandelten sie wie Luft. Eine Karriere im Amt kam für sie damit nicht mehr in Frage. Sie kehrte zurück nach Stuttgart und initiierte das Frauenkulturzentrum Sarah. Ein ganzes Haus nur für Frauen in der Johannesstraße im Stuttgarter Westen – und das in einem Gebäude, in dem zuvor das Landeskriminalamt (LKA) untergebracht war.
Schon 1972, damals noch im Studium, war Laufner an der Gründung des Frauengesundheitszentrums, heute FF*GZ, in der Kernerstraße beteiligt gewesen. Im Sarah gab es über dem stadtbekannten Café, zu dem Männer keinen Zutritt haben, auch Wohngemeinschaften und Werkstätten: eine Töpferei, eine Schreinerwerkstatt, ein Fotolabor. Als Kultureinrichtung von und für Frauen war das Haus damals einzigartig. Die zweite Naturwissenschaftlerinnen-Tagung in Deutschland fand hier statt. Laufner und Ernst haben sich hier kennengelernt.
Bis sich die beiden Architektinnen mit der Siedlung Zaunäcker selbstständig machten, dauerte es aber noch ein ganzes Jahrzehnt. Laufner nahm immer wieder an Wettbewerben teil, denn dies war ihre einzige Chance, an eigene Aufträge zu kommen. Die Esslinger Siedlung kam auf Initiative einer Bürgerinitiative zustande, die ökologisch bauen wollte. Dann übernahm aus ökonomischen Gründen ein Vorinvestor, der bald darauf insolvent ging und sich neu gründete. Reich geworden sind Laufner und Ernst durch die Siedlung nicht. Aber die Bewohner sind bis heute sehr zufrieden, was sich daran zeigt, dass sie die Architektinnen im Sommer zur 25-Jahr-Feier eingeladen haben.
29 Wohnungen in neun Häusern – sechs davon nennen sie Kubushäuser. Die bestehen aus einem zwei- bis dreigeschossigen quadratischen Unterbau, auf dem etwas verdreht ein Dachaufbau aus Holz sitzt. Dazu kommen drei längliche Reihenhäuser mit einem Laubengang zur Erschließung der oberen Etage und auf der Gartenseite, zur Sonne hin, großzügig verglasten Wintergärten, die zugleich der Wärmeisolierung dienen. Es sind Niedrigenergie-Häuser, von einem Blockheizkraftwerk beheizt, mit baubiologischen Materialien erbaut, mit Regenwassernutzung und begrünten Dächern. Ebenso wichtig war Laufner und Ernst der soziale Aspekt, man soll sich begegnen, aber auch zurückziehen können. Ein weiteres Haus, das für die Gemeinschaft gedacht war, hat dann allerdings ein Architektenbüro bezogen.
Bald darauf gründete Laufner innerhalb der Architektenkammer ein Architektinnen-Netzwerk, das bis heute sehr aktiv ist, halbjährlich zu Treffen einlädt und alle zwei Jahre eine landesweite Tagung durchführt. Zu den Mitbegründerinnen gehörte auch die heute 95-jährige Dorothee Keuerleber, Tochter des wegweisenden Architekten Hugo Keuerleber, der mit Paul Bonatz, Paul Schmitthenner, Heinz Wetzel und Richard Döcker die "Stuttgarter Schule" der 1920er-Jahre geprägt hat. Es geht um Vernetzung, Beratung in genderspezifischen Fragen, Lobbyarbeit für Architektinnen und Fortbildung in Form von Vorträgen und Exkursionen. Das Interesse war von Anfang an groß.
Nicht nur bei Kindergärten kompetent
Heute gibt es sehr viele Architektinnen, doch nur wenige sind unter eigenem Namen selbstständig. Das hat eine Reihe von Gründen. Einer davon ist, dass den Frauen lange Zeit wenig zugetraut wurde – gerade so, als ob sie nicht in der Lage wären, ein standfestes Gebäude zu errichten. Die Mehrzahl der Bauten entsteht in privatem Auftrag, den Bauherren kann man keinen Gender-Proporz vorschreiben. Zwar hat sich allmählich herumgesprochen, dass es fähige Architektinnen gibt. Aber immer noch erhalten sie eher Aufträge, die für frauentypisch gehalten werden wie Kindergärten oder Schulen.
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