Er stand nicht auf der Tagesordnung am vergangenen Freitag im Landtag, der gute Ruf der Einsatzkräfte im Südwesten. Aber seit der Suspendierung des früheren Inspekteurs der Polizei (IdP) Andreas Renner und seit der Brief-Affäre von CDU-Innenminister Thomas Strobl samt Strafbefehl, seit nächtliche Gelage und immerhin rund 300 Verdachtsfälle sexueller Belästigungen bekannt wurden, wird viel über Zustände und Stimmungen diskutiert – nicht nur, aber gerade unter Polizist:innen. Ergo wird die Botschaft von Bärbel Hönes große Erleichterung auslösen. Denn die Amtsrichterin, die vom Untersuchungsausschuss als Ermittlungsbeauftragte benannt wurde, sieht keine gravierende Versäumnisse.
Vor einem Jahr wurde Hönes vom Untersuchungsausschuss eingesetzt, um herauszufinden, ob es in punkto sexuelle Belästigung strukturelle Probleme gibt in Staats-, Innen-, Justiz- und Finanzministerium. Nun erläuterte sie den Abgeordneten im Ausschuss, wie sie die Situation in den Behörden sieht.
Schon zwei Stunden berichtet die 34-Jährige, als der Stuttgarter CDU-Abgeordnete Reinhard Löffler seine Zufriedenheit einfach nicht mehr bezähmen mag. Zum dritten oder vierten Mal bestätigt die Juristin auf Nachfragen ihr Urteil über die Zustände: "Eine ungeschriebene Behördenkultur nach dem Motto, wir beschmutzen unser Nest nicht, habe ich nicht festgestellt." Löffler strahlt und winkt Hönes zu mit nach oben gereckten Daumen. Seine Fraktionskollegin Christiane Staab, CDU-Obfrau im Ausschuss, spricht später vor Journalist:innen sogar von einem Meilenstein.
Das Lob ist verfrüht. Denn Hönes hat zwar einen knapp 70-seitigen, leicht fasslich formulierten Bericht vorgelegt, "nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet", wie sie erläutert, und in der Tat bei der Durchsicht der Akten zu sexuellen Übergriffen keine schwerwiegenden Fälle ausgemacht. Von den 300 gemeldeten hat sie, unter anderem wegen Fristverstreichung und den damit verbundenen Löschungen oder doppelt gemeldeten Vorkommnissen, am Ende überhaupt nur 91 Vorgänge ausgewertet. Und davon sind nach Einschätzung der früheren Sinsheimer Amtsrichterin 71 von "eher niederschwelliger Qualität". Nicht die einzige Formulierung, die die notwendige Präzision angesichts der heiklen Thematik vermissen lässt. "Im Großen und Ganzen", wiederholt die Ermittlungsbeauftragte mehrfach, sei mit den Vorwürfen innerhalb der Landesbehörden "ordentlich umgegangen" worden. Der SPD-Obmann im Ausschuss, Fraktionsvize Sascha Binder, verlangt nach einer Eingrenzung des Begriffs: "Ist das ein schwäbisches 'ordentlich', also heißt das: Alles war so weit okay?" Antwort: Sie könne statt "ordentlich" sagen: "Es war sicherlich gut, wie die Behörden mit Vorgängen umgegangen sind, aber in Einzelfällen nicht ganz so gut." Es heiße doch: "Die Kehrwoche ist ordentlich gemacht."
Ein naives Durcheinander der Begriffe
Je länger ihr Auftritt dauert, umso deutlicher werden die Schwächen dieser Herangehensweise. Hönes kann ihre Vorstellungen von ordentlich nicht klar umreißen, unklar bleibt auch, was eigentlich unter "niederschwellig" zu verstehen ist. "Die vorkommenden Berührungen an Gesäß und Brust sowie Küsse überschreiten natürlich die Erheblichkeitsschwelle, haben gleichwohl in der Gesamtschau überwiegend allenfalls mittlere Intensität", steht ohne weitere Erläuterungen auf Seite vier. Stattdessen diese leichtfertige oder gar naive Behauptung: "Von einer zufälligen Berührung ist beispielsweise auszugehen, wenn es im Rahmen eines bei einem Sporttag veranstalteten Volleyballspiels und dem damit verbundenen Jubel zu einer Berührung am unteren Rücken/Gesäß oder wenn es bei einem sich kreuzenden Laufweg zu einer Berührung am Gesäß gekommen sein soll."
Einen Klaps "auf Hintern" stuft Hönes' Bericht als Berührung ein, die nicht "als Nettigkeit" verstanden werden kann, der bewusste Griff oder Klaps "überschreitet deutlicher die persönliche Distanz". Wer meint, einer Kategorisierung der einzelnen Fälle von sexueller Belästigungen auf der Spur zu sein, wird im nächsten Satz bitter enttäuscht. Denn sogleich wird wieder relativiert: So habe eine Kollegin einen Kollegen mit einem Klaps aufs Gesäß in den Feierabend verabschiedet. Sexuell habe er sich nicht belästigt gefühlt, heißt es weiter, aber für unangemessen habe er das schon gehalten.
Der Vorhang zu und viele Fragen offen, erst recht im Kapitel "Anzüglichkeiten und Beleidigungen". Hönes surft durch die Thematik, macht selber mit einer Beschreibung deutlich, dass Aktenstudium bei Weitem nicht ausreicht, um sich ein belastbares Urteil zu erlauben. "Objektiv unter keinem Gesichtspunkt" als sexuelle Belästigung stuft sie allerdings ein, dass ein Mann im Rahmen einer Besprechung zur anstehenden Gesundheitswoche von einer Kollegin ein gewaschenes T-Shirt entgegennimmt "und daran riecht". Vielleicht hätte sie sich an Erfahrungen aus ihrer Zeit als Handballerin erinnern und sich als Schiedsrichterin, als die sie inzwischen tätig ist, in eine solche Situation hineinversetzen sollen. Auf jeden Fall wird deutlich, dass Papier viel zu geduldig ist, um weitreichende Schlüsse über Sitten und Gebräuche in der Landesverwaltung zu ziehen.
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