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E-Autos

Schlechtreden und Rumeiern

E-Autos: Schlechtreden und Rumeiern
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Nach Jahren voller Rekordgewinne für die deutsche Autoindustrie, ist nun der Katzenjammer groß: Eine Krise dräut und viele Analysen kommen zu dem Schluss, dass das E-Auto schuld sei. Eine Gegenrede.

Es ging um des Deutschen liebstes Kind: das Auto. Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Spitzen der Autoindustrie am vergangenen Montag eingeladen, um nach Auswegen aus der dräuenden Branchenkrise zu suchen. Absatzeinbruch, Gewinnwarnung, Jobverlust, Werkschließung – das gemeine Vokabular für Gefahr im Verzug machte zuletzt die Runde. Nicht nur bei Volkswagen, auch bei den Premiumherstellern Mercedes-Benz und BMW soll es gewaltig knirschen, obwohl die drei zusammen von Januar bis Juni laut der Beratungsfirma EY noch einen operativen Gewinn von 25,9 Milliarden Euro erzielten.

Schnell hatten einige den Sündenbock für die Misere gefunden. Nein, nicht die vergeigte Softwareentwicklung bei VW, die den Marktstart günstigerer Elektro-Modelle um Jahre verzögert. Auch nicht die Luxuskarossen-Strategie von Mercedes-Chef Ola Källenius, die sich als kapitaler Fehler entpuppt, seit das Flaggschiff S-Klasse in China zum Ladenhüter wird. Erst recht nicht der Mega-Rückruf von 1,5 Millionen Fahrzeugen durch BMW wegen unzuverlässiger Bremssysteme. Schuld am Desaster ist angeblich: die Transformation zum elektrischen Antrieb, der die heilige Kuh auf Rädern klimaverträglicher machen soll.

Nicht gut weg kommen batteriebetriebene Fahrzeuge bei einschlägigen Autoexperten wie dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Volkswagen habe sich "einseitig auf E-Mobilität festgelegt", monierte der frisch gekürte Kanzlerkandidat Anfang September bei "ntv", als in Wolfsburg Alarmglocken losläuteten. VW sei dem politischen Willen der staatlichen Miteigentümer gefolgt (gemeint ist das SPD-regierte Niedersachsen) und habe dabei übersehen, dass "weder die notwendige Infrastruktur dafür vorhanden ist, noch ein günstiges Angebot in den unteren Preissegmenten", schrieb Merz kurz darauf auf "X". CDU-Vize Jens Spahn spekuliert: "Leider haben einige ehemalige VW-Lenker – womöglich als Ablenkung von ihrem Diesel-Skandal – plötzlich alles auf die Elektroauto-Karte gesetzt."

Ins Bashing stimmte auch ein Regierungsvertreter ein. Es sei ein Fehler, sich einseitig auf batterieelektrische Fahrzeuge zu fokussieren, tadelte Bundesfinanzminister und Porsche-Fahrer (Verbrenner) Christian Lindner beim jüngsten Düsseldorfer "Handelsblatt Bankengipfel". Politische Maßnahmen zur Unterstützung der Autoindustrie lehnte der Chef der zur Splitterpartei geschrumpften FDP rundum ab. Unternehmen müssten selbst die Konsequenzen für ihre Entscheidungen tragen: "Wir sind in einer Marktwirtschaft."

Es äußern sich die üblichen Verdächtigen

Schlechtreden und Rumeiern sind beim Thema Elektromobilität weit verbreitet. Das setzt sich in den Köpfen fest, führt zur Verunsicherung und ist nach Meinung vieler Expert:innen ein entscheidender Grund für die Misere. Selbst der Autolobby-Verband VDA warnte bereits mehrfach, dass negative mediale Darstellung und Vorurteile gegenüber Elektroautos zur Kaufzurückhaltung führen kann.

"Die Ladekapazitäten sind nicht vorhanden, die Laufzeit zu gering, die Umweltbilanz ist schlecht, die Entsorgungsfrage der Batterien ist ungeklärt und auch die Rohstoffgewinnung für die Batterien ist umstritten", behauptete etwa der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler in einem Beitrag für die Ludwig-Erhard-Stiftung, der am 1. September 2017 erschien. Sieben Jahre später sollte das Schnee von gestern sein, durch Studien und Praxis widerlegt. Doch derartige Vorurteile käuen Politiker, Ökonomen und Medien bis heute ständig wieder. Neue ebenso unwahre Horrorszenarien kamen hinzu. Etwa, dass E-Autos brandgefährlich sind oder die Lichter ausgehen, weil Ladeparks zu viel Strom saugen.

"E-Autos sind keine Lösung!", lässt "Bild" im August 2023 den Ex-Chef des Münchner Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn zu Wort kommen: "Da grüner Flatterstrom es vorläufig nicht schafft und die Atomkraftwerke abgestellt sind, bedeuten mehr E-Autos mehr Braunkohleförderung und befördern Kohlenstoff in die Luft, der eigentlich versiegelt werden sollte." Diesen Unsinn darf der Professor-Emeritus unwidersprochen verbreiten. Tatsächlich fiel dank Zubaurekord bei Solarenergie die Bruttostromerzeugung durch Braunkohlekraftwerke im vergangenen Jahr auf das Niveau von 1963.

Damit nicht genug: "Niemand will E-Autos!", behauptete "Bild" im Juni und beruft sich auf "Sachsens Autohauskönig" Thomas Elitzsch. Angesichts von etwa 241.900 neu zugelassenen E-Autos in Deutschland zwischen Januar und August 2024 ist das zwar eine gewagte Behauptung. Aber wie auch schon bei den Kampagnen gegen Windenergie und Wärmepumpe ist "Springer" zur Stelle, wenn nachhaltige Alternativen fossile Geschäftsmodelle gefährden. "Ich glaube, wir reden uns in Deutschland die Elektromobilität derzeit ein wenig kaputt. Dagegen sehen wir ansonsten überall in der Welt Wachstum", sagte Ford-Deutschlandchef Martin Sander im April der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wir sind fest davon überzeugt, dass das Elektroauto die Zukunft ist."

Unterschätzte Innovationskraft

Doch selbst seriöse Medien verbreiten Blödsinn. "Die aktuell verfügbaren Modelle haben meist um die 150 bis 230 Kilometer Reichweite", behauptete das Fachmagazin "Agrar heute" im Februar. Die durchschnittliche Reichweite von E-Autos liegt derzeit bei rund 400 Kilometern, betont dagegen der ADAC, "Technik und Reichweiten werden immer besser". Einige der neuesten Modelle müssen erst nach über 600 Kilometern an die Ladesäule.

Zur Verunsicherung trägt auch bei, dass FDP und Union unter dem Schlagwort "Technologieoffenheit" für synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) trommeln, um das europaweit drohende Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 auszuhebeln. Und das wider besseren Wissens, da E-Fuels ineffizient, teuer und kaum verfügbar sind. Mit finanziellen Anreizen will Lindner den Exotensprit trotzdem unters tankende Volk bringen. Marktwirtschaft hin oder her. "Wir haben verabredet, dass klimafreundliche Kraftstoffe steuerlich so behandelt werden wie Elektromobilität", sagte Lindner im April der "Augsburger Allgemeinen".

Souffliert vom VDA fordern Union und FDP zudem, die CO2-Flottenziele für die Auto- und Nutzfahrzeugindustrie zu "überprüfen". Ehrlicher gesagt: zu schleifen. Hintergrund ist der Stufenplan der EU zur Senkung des CO2-Ausstoßes von Neufahrzeugen, damit der Verkehr klimafreundlicher wird. Die Flottenziele der einzelnen Hersteller werden ab 2025 verschärft. Wird das Ziel verfehlt, drohen hohe Strafzahlungen. Erreichen lassen sich die strengeren Grenzwerte laut Analyst:innen nur mit mehr E-Auto-Verkäufen im kommenden Jahr, die den Schnitt drücken. Erwartet wird, dass Hersteller gezwungen werden, Rabatte für Verbrenner zu streichen und günstigere E-Modelle anzubieten.

Als einer der ersten forderte VW-Aufsichtsrat Hans Dieter Pötsch eine Streckung des Zeitplans. Schützenhilfe gab's dafür von den üblichen Verdächtigen: "Europa verliert an Glaubwürdigkeit, weil es Ziele vorgibt, die es selbst nicht erreichen kann", meinte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vergangene Woche bei Eröffnung der Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation in Hannover. CDU-Vize Spahn plädiert auch dafür.

Nicht alle jammern

Doch nicht alle jammern. "Ich bin gegen eine Verschiebung des Inkrafttretens der neuen Vorschriften", so Carlos Tavares, Vorstandschef von Stellantis, dem Mutterkonzern von Opel und Fiat. "Wir wissen seit Jahren, dass im nächsten Jahr strengere Grenzwerte eingeführt werden, und wir haben hart gearbeitet, um vorbereitet zu sein. Es ist nicht richtig, die Karten nur wenige Monate vor dem Startschuss für diese neue Herausforderung neu zu mischen", bekräftigte der Automanager kürzlich.

Wahr ist, dass die Listenpreise von Stromern noch höher als vergleichbare Verbrenner sind. Dass nach dem Auslaufen der Umweltprämie viele Hersteller bis heute Rabatte in gleicher Höhe einräumen, wird dagegen kaum berichtet. Ebenso, dass geleaste Stromer mitunter günstiger als Verbrenner sind. Aktuell ist das günstigste E-Auto, ein Dacia Spring, online zum monatlichen Preis von 99 Euro zu haben. Auch beim "Sprit" fahren E-Autos günstiger, erst recht, wenn der Strom von der eigenen PV-Anlage auf dem Hausdach kommt. Besonders sparsame Modelle kommen so bei knapp zwei Euro Ladekosten 100 Kilometer weit.

Viel zu selten wird über die sonstigen Vorteile von E-Autos berichtet. Etwa über das extreme Drehmoment der Motoren, das rasantes Beschleunigen ohne jegliches Ruckeln zulässt. Oder die leisen Betriebsgeräusche, die den Lärmpegel in verkehrsreichen Straßen spürbar senken. Nicht zuletzt sorgen E-Autos dafür, dass sich die Luftqualität in Innenstädten verbessert. Und sie ersparen das Einatmen krebserregender Benzindämpfe beim Tankstellenbesuch, der klimazerstörende Fossilkonzerne, skrupellose Oligarchen und Autokraten in ölexportierenden Ländern noch reicher macht.

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8 Kommentare verfügbar

  • Peter Nowak
    vor 5 Tagen
    Antworten
    Auch große Teile der Klimagerechtigkeitsbewegung ist gegen E-Autos. Dabei handelt es sich nur um eine Schimäre des grünen Kapitalismus.
    Das sieht man doch sehr konkret beim Tesla-Ausbau in Brandenburg. Große Teile der Bevölkerung befürchten, dass ihnen hier im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser…
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