Kurz vor der Weihnachtspause leistet sich der Landtag noch einen harten Schlagabtausch. Von Frieden kann keine Rede sein, ganz im Gegenteil: Die AfD-Fraktion fordert – rechter Theaterdonner – sogar den Rücktritt von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper (beide Grüne). Und sie reibt sich mit lustvoller Empörung am "Schreiben nach Gehör", einem pädagogischen Experiment, an dem Pi mal Daumen 0,003 Prozent der bundesdeutschen Schülerschaft teilnahmen. Auch der neue bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Andreas Sturm, selbst Studienrat, will mit diesem Thema billige Punkte machen. Der Shakespeare-Kenner aus Schwetzingen zielt direkt auf den grünen Koalitionspartner, wenn er verlangt, dass bildungspolitische Maßnahmen evidenzbasiert sein müssen "statt parteiideologisch motiviert". Und er ist froh, dass "bildungspolitische Kindeswohlgefährdungen" wie das Schreiben nach Gehör sogleich wieder beseitigt worden sind.
Vielleicht ist die Arbeit mit sogenannten Anlauttabellen wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss, auf jeden Fall aber ist es das mit Abstand kleinste bildungspolitische Problem in einem Land, das sich nach den ersten vier Klassen in der Grundschule nicht weniger als sieben weiterführende Varianten leistet: Haupt-, Werkreal-, Real und Gemeinschaftsschule sowie G8, G9 und das Berufliche Gymnasium. Nur zum Vergleich: Hamburg, Aufsteiger in den berühmt-berüchtigten Bildungsvergleichstudien, unterhält neben dem acht- und dem neunjährigen Gymnasium nur eine einzige weitere Schulform ab der fünften Klasse. Auf besonderen Wunsch von Kretschmann war die Kultusministerin gleich zu Jahresbeginn nach Hamburg aufgebrochen, um von den Hanseaten zu lernen. Jetzt gibt es auch hierzulande mehr Leseförderung, zum Beispiel.
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Paul Sander
am 27.12.2023