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Wohnungsbau

"Es ist eine Schande!"

Wohnungsbau: "Es ist eine Schande!"
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Tausende Stuttgarter:innen stehen in der Kartei der Wohnungsnotfallhilfe. Die Ämter kommen mit der Bearbeitung der Anträge nicht nach. Der Sozialwohnungsbau droht zum Erliegen zu kommen. Und was macht das Land?

"Im Moment ist Wohnungsbau nicht darstellbar", hat Andreas Hofer, der Intendant der Internationalen Bauausstellung StadtRegion Stuttgart 2027 (IBA'27) im Juni im Kontext-Gespräch gesagt. Weil die reine Kostenmiete für einen Quadratmeter Wohnraum "eher bei 25 als bei 8,50 Euro pro Quadratmeter" liege. Das entspricht 1750 Euro kalt für eine 70-Quadratmeter-Wohnung, warm bei drastisch gestiegenen Nebenkosten kaum unter 2.000 Euro.

Die Architektenkammer, die IBA und der Deutsche Mieterbund haben dazu ein Papier verfasst, in dem sie konkrete Maßnahmen vorschlagen, damit weiterhin bezahlbare Wohnungen entstehen können. Kernpunkt ist, dass Sozialwohnungsbau bisher durch Steuererleichterungen finanziert wird. Das reicht aber nicht mehr aus. In dem Papier, das die drei Bündnispartner am 20. Oktober unter dem Titel "'Notfallhilfe' für sozialen Wohnungsbau – und sozialen Frieden" noch einmal vorgestellt haben, regen sie an, zu zinsvergünstigten oder bei langer Sozialbindung zinsfreien Krediten überzugehen.

Ausgabe 638, 21.06.2023

Häuser für 200 Jahre

Von Dietrich Heißenbüttel (Interview)

Am Freitag beginnt das IBA-Festival der Internationalen Bauausstellung StadtRegion Stuttgart 2027. Angesichts der Baupreissteigerungen wächst die Sorge, wie viele Projekte überhaupt fertig werden. IBA-Intendant Andreas Hofer gibt Auskunft.

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Und wie reagiert das Land? Kontext hat bei den drei Bündnispartnern IBA, Mieterbund und Architektenkammer nach den Reaktionen gefragt.

Hofer antwortet: "Wir hatten verschiedene Gespräche mit Landtagsfraktionen, viele Nachfragen seitens der Presse und der Immobilienwirtschaft und das Land bemüht sich ja, die Mittel für die Wohnbauförderung aufzustocken. Den großen Wurf sehen wir bisher nicht." Wichtig sei vor allem, die Art der Förderung zu überdenken. Indes: "Hier sehen wir weder Bewegung noch Ideen seitens der Politik und der Regierungen in Land und Bund. Wobei diese nur den Weg ebnen könnten und ein Schulterschluss mit der Immobilien- und Bauwirtschaft nötig ist, um den Transformationsprozess bewältigen zu können."

Winfried Kropp, Mitglied des Mieterbund-Landesvorstands, ergänzt: "Im Mai wird bekannt, dass die Wohnungsbaumittel des Landes für 2023 bereits vollständig belegt sind. Bis November braucht die Regierung, um auf Nachfrage zu verkünden, dass sie nicht verbrauchte Haushaltsmittel für die Wohnungsbauförderung umschichtet. Das wären netto immerhin 41 Millionen Euro zusätzlich. Die betroffenen Wohnungsunternehmen, die mangels Förderbescheid seit Monaten zusehen müssen, wie ihre Projekte zunehmend unbezahlbar werden, hängen in der Luft und erfahren allenfalls zufällig über die Entscheidungen des Ministeriums."

Damit nicht genug: "Erstmals seit einem Jahrzehnt bringt die Landesregierung für das zweite Haushaltsjahr eines Doppelhaushalts keinen Nachtragshaushalt ein. Eine Aufstockung der Wohnungsbauförderung wird es daher in 2024 nicht geben. Die Landesregierung handelt in der Wohnungspolitik verantwortungslos. Die Regierungsfraktionen aus Union und Grünen schauen unbeteiligt zu. Es ist eine Schande!"

Gabriele Renz, Pressesprecherin der Architektenkammer, sagt, das Bündnis mit IBA und Mieterbund habe durchaus Beachtung erfahren. "Doch Konsequenzen? Die Politik blickt in Schockstarre auf die Haushaltsberatungen im Bund und sieht keinen Handlungsspielraum. Auf Landesebene verweist das zuständige Bauministerium auf die Grenzen des europäischen Beihilferechts." Die Kammer, so Renz nach Rücksprache mit ihrem Präsidenten Markus Müller, betont: "Wenn Geld der begrenzende Faktor ist, muss es dahin, wo der Marktzugang durch hohe Mietpreise für eine immer breitere Schicht versperrt ist: in den sozialen Mietwohnungsbau. Eine solche Fokussierung sehen wir nicht. Das Land ist hier schlicht untätig. Unsere Warnungen vor den demokratiegefährdenden Konsequenzen der Untätigkeit verhallen."

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2 Kommentare verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 06.01.2024
    Antworten
    Es ist ein Menschenrecht! – UN-Sozialpakt „Recht auf Wohnen“ [Fn_1]
    Nach wie vor sind die verpflichtenden Verträge _keine_ Grundlage für das Zusammenleben in den Unterzeichnerstaaten – so lang eben, wie die Selbstherrlichkeit der Politker andauern wird; seit 1866 FDP/DVP Dreikönigstreffen in…
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