Ende Juli 2023 hatte die 44-Jährige schon einmal mit Kontext geredet. Damals berichtete sie von den schlechten Bedingungen bei der Ausländerbehörde, erzählte, dass ihre Klient:innen bei der NGO Elvan Âlem, die Migrant:innen aus der LSBTTIQ+-Community bei der Integration unterstützt, wochenlang niemanden auf dem Amt erreichen und nicht selten Angst haben vor einer Abschiebung. Und heute? "Ich weiß nicht, was wirklich besser geworden sein soll", hustet Veledar-Peric ins Telefon.
Die Bilder der Menschen, die verzweifelt vor der Behörde campierten, sorgten bundesweit für Entsetzen. Die Stadt sah sich wochenlang den Berichten der Presse ausgesetzt, wohlwissend, dass die Situation in der Behörde wie ein Brennglas alle Probleme der öffentlichen Verwaltung in Deutschland bündelt: kein Personal, über Jahre kaputtgespart, schleppende Digitalisierung. Während Menschen mit Ausbildung, Job und Perspektive ihre Aufenthaltsgenehmigung verloren, weil die Behörde nicht hinterherkam, diskutierte man gleichzeitig im Land populistisch über Fachkräftemangel und vermeintlich schlechte Integration. Selbst Unternehmen wie Trumpf aus Ditzingen oder auch der Industrieverband IHK Stuttgart hatten genug von der unsäglichen Situation für ihre Arbeitnehmer:innen und boten Hilfe an.
Als Reaktion gelobte die Stadt Besserung: Eine Kampagne ("Ordnungsliebe") zur Personalgewinnung, mehrsprachige Informationen auf der Website der Ausländerbehörde (!) und vor allem: ein Online-Wartesystem für Notfälle, um zu verhindern, dass jemand den Aufenthaltstitel verliert, nur weil der Andrang zu groß ist. Bei dem Wartesystem sollen sich laut Stadt die Menschen registrieren, deren Aufenthaltstitel binnen sieben Tagen abläuft. Nach direkter Absprache mit der Behörde soll dann ein schneller Termin vereinbart werden. Das kann bedeuten, dass man auch mal mitten in der Arbeit und/oder der Kinderbetreuung lossprinten muss. Denn einmal vereinbart, kann man keinen neuen Termin ausmachen. Durch das Online-System könne man die Anliegen von rund 50 Personen pro Tag bearbeiten und so verhindern, dass die Menschen unnötig vor der Behörde warten müssten, teilt die Stadt mit. Um Missbrauch des Systems zu vermeiden, seien alle Termine personalisiert und zusätzlich filtere man die Registrierungen nach Notfällen.
"Gefühlt werden aber weniger Fälle bearbeitet als davor", findet Dolores Veledar-Peric. Ihr Sohn wird wahrscheinlich nicht mitreisen können. "Vielleicht sieht er seine Oma nie wieder. Und warum? Wegen einem Stück Papier." Noch immer seien die Verfahren zu kompliziert, findet Veledar-Peric, noch immer gebe es zu wenig Mitarbeiter:innen und die, die da sind, wirken erschöpft und genervt. Aktuell sind von 157 regulären Stellen in der Behörde fast 50 unbesetzt, so die Stadt. Gerade zum Jahreswechsel laufen bei vielen Menschen die Aufenthaltstitel aus und müssen verlängert werden. Weil nicht alle auf einen Online-Termin warten können, campieren wieder Menschen vor den Türen der Ausländerbehörde. Seit Einführung der Maßnahmen sei der Betrieb in der Behörde stabiler geworden, betont der Erste Bürgermeister Fabian Mayer, man habe dadurch den "Abwärtstrend gerade gestoppt". Bei der Stadt sei man zwar auf dem richtigen Weg, doch müsse man sich eher auf einen Marathon einstellen und nicht auf einen Sprint.
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