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Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold

"Die Lösung haben wir noch nicht"

Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold: "Die Lösung haben wir noch nicht"
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Die IBA hat ein Datum. Und der Klimawandel lässt nicht auf sich warten. Doch in Stuttgart vergehen Jahre, bis aus einer Idee Fakten werden. Ein Interview mit dem verantwortlichen grünen Baubürgermeister Peter Pätzold.

Herr Pätzold, täuscht der Eindruck, dass die Stadt Stuttgart kein besonderes Interesse an der IBA hat, der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart? Jetzt wackelt auch noch das Züblin-Areal.

Wir haben großes Interesse an der IBA. Auch das Züblin-Areal soll ein Teil davon sein. Wir haben letztes Jahr den Grundsatzbeschluss gefasst und sind gerade dabei, die Vorlage für die Konzeptvergabe zu erstellen. Das Konzept durchläuft mehrere Ämter, es gibt viele Wünsche, und wir sind gerade an der Überarbeitung. Letztlich wird es darum gehen, einen Bauherren, eine Genossenschaft oder eine ähnliche Gruppe zu finden, die das Projekt umsetzen und auch bezahlen kann.

Das kann dauern – und die IBA hat ein Datum: 2027. Was wird bis dahin zu sehen sein?

Das hängt davon ab, wie das Konzept sich darstellt. Wir sind da offen. Entweder bleibt das Parkhaus stehen oder es wird teilabgerissen oder es wird neu gebaut. Dass wir die IBA zum Erfolg führen möchten, zeigt die Vielzahl an Projekten. Die wenigsten machen wir selbst: Die SWSG baut in der Böckinger Straße, die BG Münster in Münster…

Nun ja, das sind zwei Wohnungsbaugesellschaften und zwei Genossenschaften, die ihre Bestände erneuern.

Genau. Es gibt das Demonstrator-Hochhaus an der Uni …

Das bereits fertig ist.

… und das Besucher- und Informationszentrum am Weißenhof. Da läuft gerade das Vergabeverfahren für den Generalübernehmerwettbewerb und die Vorbereitung für die Gestaltung des öffentlichen Raums.

IBA-Chef Andreas Hofer hätte da gerne ein autofreies Quartier.

Wie die Lösung letztlich aussieht, wissen wir noch nicht.

Sie sind aber dennoch guter Dinge, dass bis 2027 wirklich etwas Vorzeigbares entsteht?

Ich bin Architekt und Optimist, obwohl ich weiß, dass die Zeit eng wird. Es ist jedoch ein klares Ziel, dass die IBA 2027 etwas zeigen wird, aber auch nach 2027 noch weiterwirkt.

Dann schauen wir mal auf Quartier C 1/ Wagenhalle, wie sieht es dort aus?

Bei diesem Projekt stehen wir kurz vor dem Bebauungsplan. Wir sind an der Erschließungsplanung. Ein Großteil der Fläche kann noch ein Jahr so bleiben, wie sie ist, weil wir mit den meisten Bauarbeiten erst 2025 dort anfangen werden.

Und was ist dann im IBA-Jahr fertig?

Ich hoffe, dass wir von der Maker City dann schon etwas sehen. Wir werden Ende des Jahres an die Grundsatzvorlage für die drei geplanten Wohnblöcke gehen, die sogenannten Öko- und Sozialpioniere. Auch dafür brauchen wir Bauherren, die dies umsetzen. Es ist wieder die gleiche Herausforderung: Viele haben Interesse, auch Baugenossenschaften wie der Neue Norden, aber alle haben das Problem der Finanzierung und der hohen Baukosten. Nichtsdestotrotz wollen wir das vorantreiben.

Was passiert jetzt am Stöckach mit dem EnBW-Gelände?

Wir sind im Gespräch mit der EnBW. Bei uns im Haus entstand die Idee, sowohl am Stöckach als auch am Eiermann-Areal die Flächen zu erwerben und sie dann so wie am Wiener Platz oder am Neckarpark mit Stuttgarter Wohnungsbauunternehmen, Baugenossenschaften, SWSG, Baugemeinschaften und anderen zu entwickeln.

Dazu braucht es einen Gemeinderatsbeschluss?

Wenn es zum Kauf kommt, ja. Aber der Gemeinderat hat schon erklärt, dass wir Gespräche führen sollen. Das Finanzreferat ist aktuell dabei.

Das heißt, es hängt an den Eigentümern?

Ja, aber natürlich auch an den Kosten, sowohl für das Grundstück, aber auch für das Bauen. Bei Kosten von 5.000 Euro pro Quadratmeter ist es eigentlich nicht mehr möglich, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der neue Stöckach ist kurz vor Fertigstellung des Bebauungsplans, das sind 600 bis 800 Wohneinheiten, davon 40 Prozent gefördert im bezahlbaren Segment. Sozialmietwohnungen benötigen wir dringend. Da muss man sich überlegen, wie wir das auch in der heutigen Zeit schaffen können.

Und wie wollen Sie das schaffen?

Die Lösung haben wir noch nicht. Die Architektenkammer hat dazu mit der IBA-Gesellschaft ein Papier verfasst. Die Frage ist, wie viel Geld steckt man in eine Förderung? Und wie beteiligen sich andere Fördergeber wie zum Beispiel das Land? Denn darum geht es letztlich: Können wir die Förderung beim sozialen Wohnungsbau ausweiten?

Erlauben Sie mir, als leidgeprüfter Radfahrer, eine Zwischenfrage: Darf es hinter der Oper, an der B 14, einen Fahrradweg geben?

Wir waren vor Ort, und die Radwegführung hinter der Oper ist in der Tat problematisch. Da sind Sattelzüge bei der Anlieferung unterwegs, die gefährliche Situationen auslösen können. Aber die Diskussion zeigt, wie wichtig es ist, den Haupt-Radverkehr aus dem Schlossgarten zu nehmen. Die B 14 bietet sich als Radweg nur dann an, wenn dort die Fläche für den motorisierten Individualverkehr verringert wird.

Es gab dazu vor drei Jahren einen städtebaulichen Wettbewerb. Was ist seitdem passiert?

Aktuell läuft eine Verkehrsuntersuchung, die den ganzen City-Ring betrachtet. Wir wollen auch die Schillerstraße verkehrsberuhigen, den motorisierten Individualverkehr auf die Wolframstraße verlegen, sodass wir einen ordentlichen Bahnhofsvorplatz haben. Und dann wollen wir im nächsten Jahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, wie wir die B 14 schrittweise umbauen können.

War für diese Machbarkeitsstudie nicht eine Stelle ausgeschrieben, die nicht besetzt werden konnte?

Für die Planungen der B14 ist eine Stelle ausgeschrieben, aber die wurde mehrmals ausgeschrieben und das Verfahren läuft noch. Das ist im Moment ein großes Problem, dass uns der Rat zwar Stellen genehmigt, wir diese aber nicht besetzen können. Wir spüren den Fachkräftemangel.  

Ihr Referat ist auch mit dem Thema Klimaneutralität beschäftigt. Wie kommen Sie voran?

In meinem Referat laufen die Förderprogramme zum Photovoltaik-Ausbau, zur Gebäudesanierung, das Nahwärmeprogramm, die Balkonkraftwerke, auch das Energiemonitoring und die Klimaanpassung und vieles mehr.

Was ist da geplant? Entsiegelung?

Ja, klar. Wir haben zum Beispiel den Rahmenplan Talgrund West. Darin wurde festgelegt, wo es noch Möglichkeiten der Nachverdichtung gibt, aber auch welche Bereiche freigehalten werden müssen - oder auch nachträglich begrünt werden, weil dort Kaltluftschneisen sind. Das wollen wir auch für die anderen Innenstadtbezirke fortschreiben. Und wir suchen nach Flächen, die wir entsiegeln können. Wir haben jetzt für den Haushalt eine Machbarkeitsstudie angemeldet, wie wir den Innenhof der Reiterkaserne im Hallschlag entsiegeln können: eine große Fläche, die sich sehr gut umgestalten ließe. Wir überlegen weiterhin: Wie kriegen wir eine Photovoltaik-Anlage an den Rathausturm? Und wir beschäftigen uns mit der Wärmeleitplanung. Bis Ende des Jahres wollen wir diese beschließen: Wo kann es neue Nahwärmenetze geben, wo kann man die Fernwärme-Nachverdichtung ausbauen? .

Die EnBW verkauft die Fernwärme so teuer, dass das kaum jemand nutzt.

Das Problem sind in der Tat unter anderem die Kosten des Fernwärme-Anschlusses. Wir haben jetzt ein neues Förderprogramm für Wärmenetze aufgesetzt, das auch die Anschlusskosten an Wärmenetze bezuschusst.

Die Architektenkammer sagt, es brauche ein Gesamtkonzept für ganze Stadtteile wie den Stuttgarter Westen.

Das ist ja gerade das Thema der Wärmeplanung. Aber im Detail ist das schwierig, wenn zum Beispiel ein Haus Gas-Etagenheizungen hat. Wenn Fernwärme genutzt werden soll, muss man durchs ganze Haus hoch und runter Leitungen legen. Aber unser erstes Ziel muss die Einsparung von Energie sein. Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass man auch mit weniger Komfort auskommen kann.

Die Kammer sagt auch: Abriss muss künftig die Ausnahme sein. In Stuttgart wird immer noch viel abgerissen …

Manchmal gibt es keine Möglichkeit einzugreifen. An anderer Stelle konnten wir umsteuern, denken Sie an den Lederer-Bau, die alte EVS-Zentrale, das Europahaus mit dem Emilu-Hotel, das Haus des Tourismus direkt dem Rathaus gegenüber, das die Stuttgart Marketing umbaut.

Die frühere Kaufhalle hat der österreichische Immobilienunternehmer René Benko abgerissen. Was ist mit dem Kaufhof hier in der Stadtmitte?

Das Grundstück gehört jetzt der Stadt. Das Vorkaufsrecht ist gezogen worden. Jetzt geht es daran, das Gebäude zu erhalten und umzunutzen. Es ist inzwischen auch im Bewusstsein vieler Bauherren angekommen, dass im Umbau und im Erhalt eine Chance steckt. Nicht zuletzt wegen der hohen Baukosten, längerer Bauzeiten und der Entsorgung. Auch die LBBW hat sich entschieden, das ehemalige Schlossgartenhotel und das Gebäude in der Königstraße 1c stehen zu lassen.


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4 Kommentare verfügbar

  • Susanne Jallow
    am 03.09.2023
    Antworten
    In Stuttgart haben sich alle Akteure in Politik und Verwaltung an das Stuttgart-Tempo gewöhnt. Nichts, aber auch gar nichts geht da unter 20 Jahre von Beschluss bis Fertigstellung.
    Dieses Tempo ist aber nicht normal. Wer mit offenen Augen in deutschen Städten unterwegs ist, weiß das. Als Vergleich…
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