Rastatt, Café am Schloss. Auf dem Teller liegt ein mächtiges Stück Schwarzwälder Kirschtorte, daneben eine Kugel Vanilleeis. Danyal Bayaz nimmt das Smartphone in die Hand und schießt ein Foto für Social Media. Dann widmet er seine Aufmerksamkeit den vier mittelständischen Unternehmern am Tisch. Ein Hemd schicker als das andere, eine Uhr teurer als die andere. Sie diskutieren über Finanzen und Steuern, über China und Arbeitskräftemangel.
Bayaz sitzt an der Spitze des Tisches, mit Sonnenbrille im Hemdkragen, trotz sengender Hitze im Jackett. Der baden-württembergische Finanzminister, grünes Parteimitglied seit 2005, Hip-Hop-Fan seit seiner Jugend, hat Charme, in manchen Momenten sogar Humor. Politisch ist er ein Realo, sträubt sich vehement gegen eine Vermögensteuer, rote Zahlen im Haushalt will er mit allen Mitteln verhindern.
Von Wu-Tang Clan zu den Grünen
"Selam", begrüßt Bayaz den jungen Inhaber der türkischen Bäckerei Anatoli im Rastatter Stadtzentrum. Ismail Melih Tuzlaci freut sich über den Besuch und über seine Gemeinsamkeit mit dem Minister: die türkischen Wurzeln. Bayaz' Großvater, ehemaliger Generalkonsul in Hamburg, war aus der Türkei zuerst in die Schweiz und dann nach Deutschland ausgewandert. Als der Rastatter Bäckereiinhaber von rassistischen Vorfällen in seiner Filiale erzählt, steht Bayaz lässig an den Stehtisch gelehnt, hört mit zusammengezogenen Augenbrauen und grimmigem Ausdruck zu. Er nickt nie. Als Bayaz 2017 in den Bundestag gewählt wurde, dachten Journalist:innen, er sei Migrationsexperte und befragten ihn zu Rassismus, obwohl er "ja eigentlich Finanzpolitik machen wollte", sagt er. "Da musste ich einsehen, dass es ein Teil von mir ist." Später – bereits im Amt in Baden-Württemberg – erlebte er selbst rassistische Anfeindungen. Nachdem er eine Meldeplattform für Steuerbetrug eingeführt hatte, oder als er und seine Frau die Geburt ihres Sohnes in den Sozialen Medien verkündeten: "Wer schwängert sowas?", hat einer unter den Post geschrieben. "Ihr Mann und der ist Moslem", "Das arme Kind", hieß es da.
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Chrisztine Mollenhauer
am 10.07.2023