Herr Neumann, am 18. Juni 2020 entpuppte sich die Erfolgsgeschichte des deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard als ein gigantischer Betrugsfall. Wie haben Sie als dessen Aktionär davon erfahren?
Ich war an diesem denkwürdigen Donnerstag auf Wanderurlaub in Bayern. "Auf der Alm, da gibt´s koa Bilanzsünd", könnte man sagen. Und so bekam ich zunächst nicht mit, dass die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young das Testat für den Konzernabschluss verweigert hatten. Weil zwei Treuhandkonten, auf denen insgesamt 1,9 Milliarden Euro liegen sollten, nicht auffindbar waren. Die Ad-hoc-Mitteilung mit dem harmlos klingenden Titel "Wirecard AG verschiebt Jahresabschluss 2019" lief um 11:08 Uhr über den Ticker. Ich hörte davon abends auf der Heimfahrt im Autoradio, Stunden nach Börsenschluss in Frankfurt. Da war es schon zu spät. In den Nachrichten hieß es, der Wirecard-Kurs sei um 60 Prozent eingebrochen. Konkret war die Aktie zu Handelsschluss noch 36,45 Euro wert. Am Vortag hatte sie bei 104 Euro notiert.
Und wie haben Sie reagiert?
Seltsamerweise zunächst ziemlich gelassen. Statt panisch auf der Autobahn anzuhalten und meine 300 Wirecard-Aktien zum "nächstbesten Marktpreis" außerbörslich per Smartphone zu verramschen, bin ich einfach weitergefahren. Ich hab das Radio aus- und chillige Musik laut gestellt. Wirecard hatte schon zuvor extreme Abstürze hingelegt. Und sich immer wieder mehr oder weniger erholt. Vielleicht sedierte mich dieses Phänomen damals. Oder ich stand unter Schock, weil ich keinen Stopp-Loss gesetzt hatte, womit die Papiere nach dem ersten Kursrutsch automatisch aus meinem Depot geflogen wären. Im Nachhinein hab ich dann erfahren, dass ich nicht viel Anderes hätte tun können. Offenbar waren einige Handelsplattformen unter dem Ansturm zusammengebrochen. Die massenweisen Verkaufsorders wurden nur teilweise ausgeführt.
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Herkenrath
am 25.08.2020