Spätestens seit Deutschland Mitte vorigen Jahres unter explodierenden Energiepreisen ächzt – eine Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine –, boomen die kleinen Solarkraftwerke für Balkon, Terrasse, Garagendach oder Garten. Wohnungsmieter:innen und -eigentümer:innen können so auch ohne verfügbare Dachfläche selbst Strom erzeugen und Geld sparen. Denn im Prinzip braucht es dazu nur ein bis zwei Photovoltaik-Module (PV-Module), einen passenden Wechselrichter sowie ein Elektrokabel mit Stecker, das man in die nächste Steckdose stöpselt.
Jede selbst erzeugte Kilowattstunde muss nicht in einem klimaschädlichen Kohlekraftwerk produziert werden. So schützen Eigenstromerzeuger auch aktiv das Klima: Nach aktuellem deutschen Strommix vermeidet ein Steckersolargerät im Laufe seiner Nutzungszeit rund 2,5 Tonnen an Kohlendioxid-Emissionen. Eine klassische Win-Win-Situation also.
Theoretisch. Denn immer häufiger landen Balkonkraftwerke vor Gericht. So wie das von Michael Breuninger aus Konstanz am Bodensee. Dabei hatte der Unternehmer eigentlich alles richtig machen wollen. Er kaufte sich im Frühling 2020, als die ersten Corona-Lockdowns viele Menschen zu Heimwerkern machten, ein Mini-Kraftwerk. Verantwortungsvoll wollte er dessen Installation in der nächsten Eigentümerversammlung seiner Wohnanlage genehmigen lassen. Doch zunächst fiel die Versammlung aufgrund Corona-Beschränkungen aus. Erst eineinhalb Jahre später, im Herbst 2021, fand die nächste statt.
Dort kam es anders als Breuninger erwartet hatte: Die Miteigentümer sprachen sich mehrheitlich gegen das Balkonkraftwerk aus – aus Gründen der Optik. Selbst eine vorübergehende Montage bis zur Installation einer geplanten Dachanlage für das gesamte Gebäude wurde ihm verweigert. Als Putin in die Ukraine einmarschierte, Energie knapp und teuer wurde, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für Waschlappen als energiesparenden Duschersatz warb, da konnte auch Breuninger nicht mehr stillhalten. Im Sommer 2022 holte er das Kraftwerk aus dem Keller und installierte es eigenmächtig auf seinem Balkon. "In getragenem Dunkelblau prangt es seitdem an der Balkonbrüstung wie ein wortloses Spruchband wider die Unvernunft", beschrieb es damals ein lokales Online-Portal.
Balkonkraftwerk beeinträchtigt angeblich die Optik
Doch Vernunft setzt sich nicht immer durch: In einer nachfolgenden Eigentümerversammlung beschloss die Gemeinschaft nach heftigem Diskurs, Breuninger zum Abbau zu zwingen – notfalls mit anwaltlicher Hilfe. Gegen den Beschluss reichte der Balkonkraftwerker selbst Klage ein. Vor dem Amtsgericht Konstanz argumentierte Breuningers Anwalt mit dem Recht zur Eigenversorgung mit erneuerbarer Energie und mit dem Wohnungseigentumsrecht (WEG-Recht). Dies definiert Maßnahmen zu Einbruchschutz, altersgerechtem Wohnen, Digitalisierung und E-Mobilität als privilegiert, die eine Eigentümergemeinschaft einzelnen Mitgliedern nicht durch gegenteiligen Beschluss verwehren darf. Geregelt ist dies in Paragraf 20 seit der jüngsten WEG-Recht-Reform.
Richter Stefan Schroth sah das anders: Er wies die Klage ab. In der veröffentlichten Urteilsbegründung wertet er das Balkonkraftwerk als bauliche Veränderung, durch das Mitbewohner:innen zudem optisch beeinträchtigt würden. Deshalb habe es nicht ohne mehrheitliche Zustimmung installiert werden dürfen. Daneben sei die Eigenversorgung mit erneuerbarer Energie nicht explizit Teil der privilegierten Maßnahmen, argumentiert der Amtsrichter.
Das Konstanzer Urteil steht damit im krassen Widerspruch zur Wirklichkeit. Denn die kleinen Solarkraftwerke boomen – auch weil einige Bundesländer und Kommunen deren Anschaffung aus Klimaschutzgründen fördern. In der Bundeshauptstadt Berlin erhalten Mieter mit bis zu 500 Euro momentan einen der höchsten Zuschüsse hierzulande. Auch in Baden-Württemberg gibt es immer mehr fördernde Kommunen. Stuttgart liegt mit 100 Euro pro Modul am unteren Ende, Heidelberg am oberen mit bis zu 750 Euro, Inhaber des Heidelberg-Passes können sogar 1.450 Euro bekommen.
Noch gibt es zu viele Vorschriften
Im amtlichen Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, bei der die Geräte online zu registrieren sind, waren bis Ende 2021 rund 32.000 und bis Ende 2022 rund 111.000 Mini-Kraftwerke angemeldet. Allein in den ersten beiden Monaten 2023 kamen etwa 30.000 Anlagen hinzu. Da trotz Meldepflicht bei Weitem nicht alle Geräte gemeldet sind, schätzt der Verein Klimaschutz im Bundestag (KiB), dass bis Ende 2023 die Zahl der Steckersolargeräte auf deutschen Balkonen und Terrassen auf rund eine Million anwachsen wird. Klar ist: Je mehr Minikraftwerke auf deutschen Balkonen arbeiten, desto schneller geht die Energiewende voran und die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten aus Diktaturen wie Russland sinkt.
1 Kommentar verfügbar
Frank
am 29.03.2023Ausufernd an jeder Ecke die "Gelbe Gefahr" -
die ja gar nicht aus Asien stammen kann, da der Hauttyp der dortigen Menschen
auch kaukasisch ist und das "Gelb" eine abwertende koloniale Wortschöpfung war.
Als DIY Nachfolger und geradezu darum bettelnde…