Welche Parteien waren daran beteiligt?
Wir hatten die Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP), Gabriel (SPD) und Altmaier (CDU). Unter Gabriel gab es den Staatssekretär Baake von den Grünen, dem die Grünen-Länderminister nicht in den Arm gefallen sind, als er lauter konzernfreundliche Regelungen einführte, die gegen die bürgerschaftliche Eigenversorgung gerichtet waren – immer nach dem Motto: Wir müssen effizienter werden. Wenn man da genau hinguckt, stellt man fest, dass dadurch nichts effizienter oder billiger geworden ist. Die Grünen haben sich auch sehr stark gemacht für die Nord-Süd-Stromtrassen. Offshore-Windenergie konzentriert im Norden, die man dann durchs Land transportiert, ist das Gegenteil von bürgerschaftlicher Energieversorgung.
Sie kritisieren auch die Presse. Warum?
Mein Eindruck ist seit vielen Jahren, dass weite Teile der Artikel zum Thema Energie und Klima nicht tief genug gehen. Da fehlt das Systemverständnis. Es werden sehr viele Studien von unterschiedlichen Instituten veröffentlicht, das sind aber oft mit Bundes- oder Landesmitteln finanzierte Einrichtungen. Wenn da zum Beispiel steht: Die Bundesregierung will 2050 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien haben, dann hat das mit Wissenschaft nichts zu tun. Wissenschaftlich wäre, zu sagen: Die Klimaforschung sagt uns, dass wir schon am Limit sind, und dass das 1,5-Grad-Ziel vielleicht heute schon kaum noch zu halten ist. Dann muss daraus abgeleitet werden, wie die Energie-Emissionen so schnell wie möglich auf null abgesenkt werden können. Wir müssen uns anschauen, welche Zeiträume wir haben und da bin ich überzeugt davon, dass wir spätestens 2030 fertig sein müssen, um bei der Klimakrise noch die Kurve zu kriegen.
Ein Vorteil der Solarenergie ist, dass sie auch in Städten gut funktioniert. Welches Potenzial hat Deutschland da?
Man sollte zunächst vorurteilsfrei jede mögliche Fläche angucken – nicht nur Dächer, sondern auch Fassaden, Parkplätze, Autobahnen, was auch immer – und sich fragen, ob man dort Energie ernten möchte. Mit heutiger Photovoltaiktechnik können Sie in Deutschland umgerechnet 20 Liter Öl pro Quadratmeter und Jahr einfangen, Tendenz steigend. Für die 1.000 Gigawatt Photovoltaik, die wir in unserem Solarstrategie-Papier nennen, bräuchten Sie ungefähr 10.000 Quadratkilometer. Das wäre bei 11.000 Kommunen, die wir in Deutschland haben, durchschnittlich weniger als ein Quadratkilometer pro Kommune. Theoretisch könnten wir jeder Kommune Module entsprechend ihrer Größe auf den Marktplatz stellen und sagen: Guckt mal, wo Ihr sie unterbringen wollt, diskutiert‘s miteinander!
Wenn man das bis ins Jahr 2030 bewerkstelligt möchte, bräuchte es zum einen viel mehr Arbeitskräfte, die die Solarparks errichten, und zum anderen eine größere Modulproduktion.
Ja. Es müssen neue Modulfabriken entstehen. Laut dem Verband des Maschinen- und Anlagenbaus kostet eine Fabrik mit einem jährlichen Output von fünf Gigawatt ungefähr eine Milliarde Euro. Für eine Produktion von 100 Gigawatt pro Jahr bedeutet das eine Anschubinvestition von 20 Milliarden Euro. Wenn wir sehen, wie wegen Corona mit Milliarden um sich geworfen wird, ist das nicht allzuviel. Wenn Sie die 1.000 Gigawatt bis 2030 gleichmäßig über die Jahre verteilen würden, wären das 100 Gigawatt pro Jahr. Diesen Sprung bekommen sie aber nicht ohne weiteres hin, das heißt, die Entwicklung muss exponentiell ablaufen. Wir werden viel mehr Arbeitskräfte brauchen. Aber durch den Wandel zur Elektromobilität gehen hunderttausende Jobs in der Automobilindustrie verloren, wegen der Digitalisierung auch in anderen Bereichen. Wir brauchen ein Qualifizierungsprogramm, um all diese Leute in den Energiebereich zu bringen. Es gibt viel zu tun für verschiedene Qualifikationsniveaus.
Wer sind die Akteure, die den Wandel vorantreiben können?
Das sind vor allem lokale Akteure, die vor Ort die Energieversorgung selbst in die Hand nehmen: Energiegenossenschaften, Initiativen von Bürgern, lokale Solarfirmen, Stadtwerke – alle, die letztlich ein Interesse haben an lokalen Strukturen, lokaler Autonomie; die aus globalen Abhängigkeiten, aus Konzernabhängigkeiten rauswollen. Wenn alle die, die im Grunde betroffen und handlungsfähig sind, das begreifen und als Chance sehen, dann können wir den Umbau sehr schnell hinbekommen.
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lenalena
am 16.12.2020