Erst verlängerte Angela Merkel (CDU) die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke, dann machte die Bundeskanzlerin nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 eine Kehrtwende – und rief die Energiewende aus: Bis zum Jahr 2050 soll die Energieversorgung Deutschlands überwiegend auf erneuerbare Energien umgestellt sein. Doch rechtzeitig zur Bundestagswahl 2013 wurden Sonnenstrom und Windkraft zu Sündenböcken der Nation: ihr Ausbau sei Schuld an steigenden Strompreisen, behaupten EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) und FDP-Chef Philipp Rösler. Zuletzt machten auch einige Medien Anti-Stimmung: "Luxus Strom" titelte etwa der "Spiegel", obwohl Sprit und Gas sich zuletzt deutlich mehr als Elektrizität verteuerten. Während andere bremsen wollen, realisiert Georg Hille derzeit für fünf Millionen Euro ein knapp 200 Meter hohes Windrad bei Emmendingen im Schwarzwald. Die Drei-Megawatt-Windkraftanlage ist das derzeit größte "Repowering-Projekt" in Baden-Württemberg, es ersetzt zwei ältere leistungsschwächere Windmühlen. Finanziert wird das Energiewende-Projekt gemeinsam von zwei Bürgergenossenschaften, den örtlichen Stadtwerken sowie 17 Einzelinvestoren.
Herr Hille, wie weit sind wir mit der Energiewende?
Eine neue Art der Energieversorgung lässt sich nicht in einer Legislaturperiode realisieren. Das war schon bei der Einführung von Kohleverstromung und Atomenergie so. Um die erneuerbaren Energien zu etablieren, brauchen wir einen langen Atem von rund 20 Jahren. Ein neues Energiesystem muss bis zu 40 Jahre Standard bleiben, damit sich die Investitionen bezahlt machen. Sonst nimmt keiner Geld in die Hand.
Von welchen Summen reden wir beim Strom eigentlich?
Jährlich werden rund 80 Milliarden Euro im deutschen Strommarkt umgesetzt, größtenteils durch die vier großen Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW. Viel Umsatz bedeutet viel politischen Einfluss, auch hinsichtlich der Energiewende. Dies lässt sich beispielhaft an der Windkraft ablesen. Hier konkurrieren Anlagen an Land (Onshore) mit Anlagen in der Nord- und Ostsee (Offshore) um staatliche Förderung. Die rot-grüne Bundesregierung, die im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschloss, wollte die Energieversorgung gesellschaftlich neu aufteilen. Auch kleine Leute sollten sich mit privatem Geld am Bau einer Drei-Megawatt-Windmühle beteiligen, die etwa fünf Millionen Euro kostet. Windparks auf See, wo es meist um Milliarden geht, sollten finanzstarke Konzerne schultern. Die Energiewende ist nicht nur eine Frage technischer Machbarkeit, sondern auch der Marktverteilung. Bleibt ein nachhaltiger Strommarkt in den Händen der Großen, oder organisieren wir die Stromversorgung künftig dezentral durch kleinere Markteilnehmer wie Stadtwerke oder einzelne Bürger? Merkel & Co. haben bislang alles nur für die Großen getan.
Inwiefern?
Vor Kurzem wurde der erste kommerzielle Offshore-Windpark in der Nordsee eröffnet. In Betrieb ging er allerdings noch nicht, weil das Stromkabel zum Land fehlt. Angeblich, weil alte Bomben dem Kabel im Weg liegen und das Verlegeschiff ausgebucht ist. Dabei hätten Offshore-Windparks bereits Ende 2012 Strom liefern sollen. Der Netzbetreiber Tennet geriet mit dem Netzanschluss wohl eher in Verzug, weil lange über Haftungsregeln gestritten wurde. Denn jeder Tag ohne Einspeisevergütung bedeutet für die milliardenschweren Windparks auf See Millionenverluste. Da hatte die Merkel-Regierung die Idee, per Gesetz das unternehmerische Risiko dem Netzbetreiber abzunehmen und es auf die Schultern des Verbrauchers zu legen. Das ist juristisch gesehen ein Vertrag zulasten Dritter, was das Bürgerliche Gesetzbuch eigentlich ausschließt. Nicht aber die regierende Politik. Völlig anders läuft es bei Onshore-Anlagen. Deren Netzanschluss muss der Projektentwickler komplett selbst bezahlen. Er hat auch keinen Einfluss darauf, welche Konditionen der örtliche Netzbetreiber stellt. Zudem erhalten Windmühlen an Land immer weniger Einspeisevergütung. Politisch gewollt ist, Offshore zu fördern und Onshore zu erschweren.
4 Kommentare verfügbar
Gerorg Hille
am 16.09.2013Repowering von Windkraftankagen ist ökonomisch wie ökologisch durchaus sinnvoll. Die beiden Altanlagen auf dem Weißmoss, die nun durch eine moderne 3-MW-Anlage ersetzt werden, sind 1993 und 1998 ans Netz gegangen. Sie hatten bereits nach 1-2 Jahren die Energie erzeugt, die zu ihrer…