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Frauen in der CDU

Gekommen, um zu bleiben

Frauen in der CDU: Gekommen, um zu bleiben
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Gerade im Südwesten haben CDU-Männer über viele Jahre sehr viel unternommen, um ihre Macht nicht mit Frauen teilen zu müssen. Steter Tropfen höhlte sogar diesen Stein. Eine neue Politikerinnengeneration wird die Union verändern.

Sie sind 18 von insgesamt 75 Abgeordneten im Bundes- und im Landtag. Manche, wie die Landtagsabgeordneten Sabine Hartmann-Müller (Waldshut) oder Isabell Huber (Neckarsulm), mussten den Weg ins Parlament als Nachrückerinnen für einen Mann nehmen. Andere, wie Christina Stumpp (Bundestagsabgeordnete, Waiblingen), schafften den überraschenden Aufstieg und sind trotzdem kein Feigenblatt mehr. Wieder andere sind einfach da, beackern Themenfelder weit außerhalb der Kinder-Küche-Kirche-Grenzen und traditioneller sozial- oder schulpolitischer Belange. An Luft nach oben ist dennoch kein Mangel. Nach Zahlen ohnehin und nach Inhalten erst recht.

CDU-Frauen sind keine progressiven Feministinnen. Wie sollten sie auch, angesichts der Programmatik ihrer Partei. Ein Beispiel steht für viele Themen: Isabell Huber mochte sich ganz und gar nicht abfinden mit der Abschaffung des so hoch umstrittenen Paragraphen 219a im Strafgesetzbuch. Sie stellte sich nicht an die Seite verurteilter Ärztinnen oder Schwangerer in Not, sondern sah sich emotional zum Schutz Ungeborener aufgerufen: "Nach 22 Tagen beginnt das Herz des Kindes zu schlagen, mit acht Wochen hat es ein Gesicht und nimmt Töne und Berührungen wahr, mit zehn Wochen kann es schon am Daumen lutschen."

Dass die Gesellschaft insgesamt, dass zumal SPD-Frauen, Grüne oder Linke in vielen Fragen deutlich weiter sind, ändert an der Rolle von CDU-Frauen aber ohnehin wenig. Sie müssen erst einmal in der eigenen Partei ordentlich umräumen. Seit einem besonders brutalen Fall in ihrem Wahlkreis befasst sich Natalie Pfau-Weller (MdL, Kirchheim) intensiv mit Femiziden und werde an der Basis nun schon gefragt, "ob das wirklich zu uns passt oder ob das nicht doch linkes Gedankengut ist". Selbstverständlich Ersteres, antwortet die Politikwissenschaftlerin mit dem breiten Spektrum und spanischen Wurzeln. Sie ist 35, promoviert an der Uni Tübingen dazu, wie sich Instrumente der EU auf die nachhaltige Stadtentwicklung in Deutschland niederschlagen, sitzt im Verkehrs- und im Ausschuss für Landesentwicklung. Und trifft gerade deshalb noch auf eine andere sich wiederholende Frage, die den Nachholbedarf in der bürgerlichen Mitte unterstreicht: sich tatsächlich konkret und ernsthaft mit Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu befassen. Wenn das Gespräch auf ihre kleine Tochter komme, höre sie immer wieder: "Arbeitet Ihr Mann nicht oder wie machen Sie das?"

Mütter haben in der Partei ein Problem

Die Organisation der Elternphase ist der Schlüssel zu vielem in der neuen, gleichberechtigteren neuen CDU-Welt. Kinderkriegen war bisher in der Regel mit dem ultimativen Karriereknick verbunden, Männer bleiben eher außen vor. Viele einschlägige Beschlüsse richten sich vornehmlich an Frauen, von denen viele einen möglichen Aufstieg dann doch abbrechen mussten – der Mutteraufgaben wegen. Unvergessen, wie die kinderlose, karriereinteressierte Tanja Gönner schon vor drei Jahrzehnten herausstach in ihrer Generation, weil sie ihre Leiter ohne Unterbrechung nach oben klettern konnte. Viele andere Frauen kamen und verschwanden wieder, setzten neue Schwerpunkte in ihrem Leben, gar nicht zuletzt, weil Männer ihnen Amt oder Mandat nicht gönnten und bei nächster Gelegenheit – unterstützt von der Basis – wieder abjagten.

Jutta Schiller, eine im Kreis Göppingen gut verankerte, engagierte Bankfachwirtin, zog 2014 als Nachrückerin in den Landtag ein und unterlag – wie so viele CDU-Frauen vor ihr – bei der folgenden Nominierung 2016 mit 70 zu 108 Stimmen einem gewissen Simon Weißenfeld. Der war Kreisvorsitzender der Jungen Union, in der es regelrecht zum guten Ton gehört(e), gegen Frauen anzutreten. Die Geschichte ist über den wackeren Recken übrigens hinweggegangen, denn in den Landtag hat er es 2016 dann doch nicht geschafft. 2021 zog für Göppingen Sarah Schweizer, eine Wirtschaftsjuristin, mit den breitgefächerten Kompetenzen Finanzen sowie Wald, Forst und Jagd ins Parlament. Die 40-Jährige gilt als "kompetent und selbstständig" und weiß ganz genau, dass sie gekommen ist, um zu bleiben.

"Ohne uns geht es nicht mehr"

Schon länger da ist Nicole Razavi (MdL, Geislingen), die seit 2006 im Landtag sitzt. Sie war, untypisch für eine CDU, verkehrspolitische Sprecherin und danach erste Fraktionsgeschäftsführerin. Sie fiel immer wieder auf mit ausgeprägter Angriffslust, die sie profilschärfend auslebte, für sich selbst und ihre Partei. Inzwischen ist sie eine der wenigen in der CDU, die ihren Wahlkreis direkt gewinnen konnte. Zudem hat sie ein Alleinstellungsmerkmal, insofern als sie ebenfalls schon Ende der neunziger Jahre zur Kreisvorsitzenden gewählt wurde – damals waren solche Ämter bei den Schwarzen noch fest in Männerhand. "Nicht nur die CDU", sagt sie, "hat sich geändert, sondern die Gesellschaft insgesamt, weil es ohne uns gar nicht mehr geht." Immer mehr an Boden gewann die Haltung, dass Männer und Frauen gleichermaßen ihre Chance verdienen. Und immer öfter trauten sich Frauen ein Amt oder eine Funktion zu.

Die 57-Jährige wurde 2021 Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen. Als Ressortchefin hat sie eine Schlüsselrolle inne und will erreichen, "dass Kinder nicht leiden und Mütter ihren Weg machen". Einen "Digi-Boost" nennt sie die Covid-Pandemie, weil Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leichter gemacht werde durch die vermehrte Möglichkeit der Arbeit im Homeoffice.

Justizministerin Marion Gentges (MdL, Lahr) hat in ihrem Haus erstmals überhaupt eine geteilte Referatsleitung für zwei Beamtinnen mit Familie geschaffen. Es gehe auch, sagt sie, um Vorbilder und darum, dass noch immer Frauen sich selbst, ihre Vorgesetzten oder Parteifreunde zuerst fragen: "Schaffe ich das überhaupt?"

Ein Lackmustest für die Südwest-CDU ist die Kommunalwahl im kommenden Jahr. Natürlich ist die Mehrheitsmeinung gegen strenge Vorgaben zur paritätischen Besetzung von Listen. Madrid, wo Pedro Sánchez sozialistische Regierung, bestehend aus acht Ministern und 14 Ministerinnen, gerade ein Gesetz zur weiterreichenden Gleichstellung von Politik und Wirtschaft auf den Tisch gelegt hat, ist in Fragen wie diesen Lichtjahre entfernt von Baden-Württembergs Schwarzen. Ihr Meisterinnenstück könnten die CDU-Frauen und -Männer gerade deshalb dennoch machen, würde es ihnen in ihren jeweiligen Ortsverbänden gelingen, ausreichend viele Kandidatinnen aufzustellen ohne gesetzliche Regelungen. Seit 1995, als auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe die feste parteiinterne Quote an fünf Stimmen scheiterte, bewies die Union in unschöner Regelmäßigkeit, dass Männer doch nicht bereit sind, auch ohne Druck halbe-halbe zu machen. Jetzt hat die Bundesspitze eine Quote durchgesetzt – für 30 Prozent Frauen in den Vorständen ab diesem Jahr, Parität ab Mitte 2025. Auf skurrile Weise kommt sie fast zu spät, wenn sogar in der schwarzen Fraktion im baden-württembergischen Landtag elf von 42 Abgeordneten Frauen sind – so viele wie noch nie zuvor.

Vorrangig verantwortlich für eine erfolgreiche Arbeit in Städten und Gemeinden bundesweit ist die neue stellvertretende Generalsekretärin. In Berlin wird erzählt, Christina Stumpp habe noch nicht richtig Fuß gefasst in der Führungsetage im Konrad-Adenauer-Haus. Wahr ist auch, dass ihr Job vom Bundesvorsitzenden Friedrich Merz überhaupt erst geschaffen wurde, um einerseits die große und ehedem erfolgsverwöhnte Südwest-CDU zu bedenken im Inner Circle. Und zudem eine zweite Frau, neben der Bundesschatzmeisterin Julia Klöckner, in sein elfköpfiges Parteiteam zu holen. Gerade deshalb aber will die 35-jährige Backnanger Bauerntochter jenen Eindruck gar nicht erst aufkommen lassen, mit dem Politikerinnen in der Union über Jahrzehnte zu kämpfen hatten: Die Mutter eines kleinen Sohnes, die mit ihrem Mann gemeinsam die Doppelbelastung Beruf und Familie organisiert, will keine vorübergehende Erscheinung bleiben, sondern sie sieht sich am Beginn eines Wegs nach oben. Selber erste Generalsekretärin zu werden, das habe sie sich noch nicht zugetraut und ihrer Familie auch nicht zumuten wollen, sagt sie selbstbewusst. Und die Betonung liegt auf "noch".

Die Junge Union braucht noch etwas länger

Isabell Huber ist den entscheidenden Schritt weiter und Generalsekretärin im Land seit Ende 2021. Inzwischen kennt sie ihre Partei gut und freut sich ausdrücklich, dass gerade Frauen mit Familie immer öfter den Weg in Ämter und Mandate finden. Sie will als Mutter einer Tochter Vorbild sein und Mut zu machen. "Wir brauchen das Bewusstsein, zu teilen", sagt die frühere Verwaltungsangestellte bei der Stadt Stuttgart und meint die Männer mit.

Stumpp formuliert munter und wirkt patent, Huber hält frauenpolitisch pointierte Reden, zum Beispiel auf Parteitagen und gerade zur Doppelrolle, in eher tugendhaftem Duktus. Auch ein Weg, um Männer wie Basis nicht zu verschrecken.

Die sieben Politikerinnen in der Bundestagsfraktion und selbst die elf in der Landtagsfraktion sind kein Machtzentrum. In ihrer Vielfalt stellen sie ein Geflecht dar, das in Männerdomänen eindringt. Katrin Schindele (MdL, Freudenstadt) schwätzt Schwäbisch und hat Maschinenbau studiert. Christine Neumann-Martin (MdL, Ettlingen) schob schon in der vergangenen Legislaturperiode den Kinderwagen durch den Landtag. Inzwischen ist sie Fraktionsvize, deren Chef Manuel Hagel zumindest erkannt hat, dass es 2023 sogar in der Südwest-CDU nicht schadet, Frauen zu fördern.

Das gönnerhafte "Die Chrisy ist super" auf die Frage nach Stumpp gehört noch zum XY-Chromosomensatz schwarzer Männer. Das dürfte sich aber ändern, wie die Erfahrungen von Parteien und Organisationen wie den Gewerkschaften zeigen, die dank Quote auf gutem Weg hin zur Parität sind.

Und es dürfte sich ändern, wenn es der wachsenden Zahl von Politikerinnen in Räten, Parlamenten und Vorständen gelingt, neben Gleichaltrigen und Älteren auch die jüngeren Kollegen von halbe-halbe zu überzeugen. Denn ausgerechnet im Parteinachwuchs ist der Nachholbedarf groß. Die Junge Union im Südwesten wurde bisher nur ein einziges Mal von einer Frau geführt, von Edith Grupp zu Beginn des Jahrtausends. Seither geben sich nur Männer die Klinke in die Hand, aktuell sitzen in der 19-köpfigen Landesspitze sieben Frauen und damit mindestens zwei zu wenig. In den "Grundwerten" kommt der Begriff Gleichstellung gar nicht vor. Dabei heißt es doch, "JUler zu sein, ist die Verwirklichung eines Lebensgefühls". Viel Erfolg bei der Anpassung an die Realität.


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1 Kommentar verfügbar

  • Gerald Wissler
    am 09.03.2023
    Antworten
    "Gerade im Südwesten haben CDU-Männer über viele Jahre sehr viel unternommen, um ihre Macht nicht mit Frauen teilen zu müssen. "

    Das ist doch eine lächerliche Verschwörungstheorie.

    Männer verhindern doch Frauen nicht in der Karriere, weil sie Frauen sind.
    Sondern weil sie Konkurrentinnen…
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