Horace Dobbins war Geschäftsmann mit dickem Geldbeutel und Visionär mit politischem Sachverstand. Er sah vor 120 Jahren, was Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und sein Ministerium sich bis zur Internationalen Bauausstellung 2027 auch für Baden-Württemberg, bestenfalls sogar in Stuttgart, erhoffen: Erhöhte Radschnellwege, die den Zweiradverkehr über die verdichtete Innenstadt hinwegführen sollen. Dadurch können sich Autos und Radler aus dem Weg gehen, die Verkehre fließen ungestört voneinander und allen ist geholfen – so jedenfalls die Idee. In Sachen Umsetzung hat Horace Dobbins bereits vorgelegt und trieb Ende des 19. Jahrhunderts den Ausbau einer 2,1 Kilometer langen Holzbrücke voran, die von Pasadena bis nach Los Angeles führte.
Weitere Abschnitte waren angedacht, 14 Kilometer sollten es schlussendlich werden. Auf dem Boden Tumult mit stinkenden Pferdekutschen, wo Platz war, eine Straßenbahnlinie, am Rand vielleicht ein paar Fußgänger:innen. Ddoch der Überflieger sollte mit dem Fahrrad über die Stadt gleiten können und dabei auf das rege Treiben hinabsehen. Es kam anders. Einige Jahre zuvor hatte Carl Benz das Auto erfunden. In Amerika revolutionierte Henry Ford die Produktion, der Hype um das Fahrrad war leise gestorben, ein neues Zeitalter brach an. Und Stadtplaner:innen aller Welt unterwarfen sich dem Automobil, irgendwann musste auch der California Cycleway weichen. Schon 1938 verlief Kaliforniens erste Autobahn entlang der ehemaligen Radstrecke.
Die grünen Winfrieds sind begeistert
Während es viele Jahrzehnte ruhig um die Idee der Radwege auf Stelzen war, scheint sie aktuell wieder in Mode zu kommen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Winfried Hermann fuhren im April dieses Jahres mit einer Delegation in die Schweiz, wo sie das Basler Start-Up urb-x besuchten. "Sowas brauchen wir", schwärmte der Ministerpräsident über Radschnellwege auf Stelzen. So könne man eventuell sogar der immensen Stuttgarter Stauprobleme Herr werden, erklärt Kretschmann: mit der Mobilität im zweiten Stockwerk.
20 neue Radschnellwege will das Land bis 2030 bauen, eine Strecke von minimal 400 Kilometern und maximal 600 Kilometern soll dabei neu entstehen, berichtet "Zeit Online". Das Ziel sei es, in allen Metropolregionen Radschnellwege zu errichten, "weil wir anders die Stauprobleme nicht wegbekommen", so Kretschmann. Die Holzhighways seien primär für die Städte gedacht. Auch Ökostrom ließe sich mit ihnen erzeugen – an beiden Seiten sind Photovoltaikmodule angebracht, in Stuttgart könnte man 100 bis 200 Haushalte mit der Energie der Radschnellwege versorgen. Die Pläne sind groß, die Begeisterung auch.
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