Der BUND hat noch protestiert. Anfang August waren die Verbände gebeten worden, bis 22. September eine Stellungnahme abzugeben. Doch die hat der Gemeinderat offenbar nicht mehr zur Kenntnis genommen, denn schon eine Woche später fasste er den Beschluss, die Fahrspuren dem Autoverkehr zurückzugeben. Dabei war der Pop-up-Radweg, der Jahresbilanz der Grünen-Gemeinderätin und Fahrrad-Bloggerin Christine Lehmann zufolge, das Hauptereignis des Radverkehrsjahres 2020 in Stuttgart.
Zur Erinnerung: Im Februar 2019 hat der Gemeinderat beschlossen, die Ziele des Radentscheids umzusetzen. 35.000 BürgerInnen hatten unterschrieben, die Stadt solle deutlich mehr für den Radverkehr tun. Ziel ist, bis 2030 den Radverkehrsanteil auf 25 Prozent zu steigern – derzeit sind es gerade mal acht Prozent. Dreimal so viel: Dafür müssen viel mehr Radwege her. Und dafür wird wohl der Autoverkehr ein wenig zurückstecken müssen.
Freilich war der Versuch völlig unzureichend. "Die derzeitige Pop-up-Bike-Lane schwebt nahezu im Nichts und erschließt nicht die nächstgelegenen Kreuzungen am Rotebühlplatz und am Arnulf-Klett-Platz", stellt die Initiative Radentscheid kurz vor dem Abbau fest. An den Kreuzungen entscheidet sich, ob der Radverkehr sicher ist. Die häufigste Ursache von Unfällen ist, wenn der Autofahrer beim Abbiegen den Radfahrer übersieht. Wenn die Stuttgarter Verkehrsplaner nicht wissen, wie man das macht, sollten sie einmal eine Dienstreise in die Niederlande unternehmen.
Nun ist erst mal wieder alles beim Alten – nur dass der vorher schon vorhandene, viel zu schmale Radweg jetzt türkisfarben ist. Doch kurz vor Weihnachten hat sich der Gemeinderat noch durchgerungen: An der Theodor-Heuss-Straße sind die Gehwege breit. Man kann den Platz auch da wegnehmen. Drei Meter breit sollen die Radwege nun werden, statt weniger als zwei, und bis zum Rotebühlplatz führen. Fehlt nur noch die sichere Querung nach holländischem Standard.
* Ein Pop-up-Radweg, von "pop up", plötzlich auftauchen, ist ein Radweg, der schnell und ohne Umschweife eingerichtet wird. Und was ist, wenn er ebenso schnell wieder verschwindet? Für das Gegenteil von "pop up" gibt es im Englischen den schönen Begriff "peter out" – auslaufen, im Sande verlaufen.
10 Kommentare verfügbar
chr/christiane
am 05.01.2021Schade, dass das Thema Radweg-Radschnellweg--Radschnellverbindung auch von vielen Medien nicht bis zum Ende gedacht und thematisiert wird.
Und das muss es--Thema "nimmersatt"--weil sobald…