Der Stadtrat von Duisburg hat mit einer rot-grün-roten Mehrheit das Papier umgehend mit Leben gefüllt. "Wir haben Platz", heißt es in dem Beschluss der Seebrücke-Stadt mit einer Arbeitslosenquote von mehr als zwölf Prozent. An der polnischen Grenze komme es zu Festnahmen, Pushbacks und gewaltsam durchgeführten Einsätzen polnischer Grenzsoldaten, bei denen Flüchtlinge, obwohl schon auf EU-Boden angelangt, zurück an die Grenze gebracht und in Richtung Belarus abgesetzt werden. "Das verstößt gegen die Menschenrechte und geltendes EU-Recht", stellen die Kommunalpolitiker fest. Oberbürgermeister Sören Link, ein Sozialdemokrat, wird aufgefordert, sich "medienwirksam" mit anderen aufnahmewilligen Städten und Gemeinden zu verbünden und Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Unterdessen machen im baden-württembergischen Justizministerium Gerüchte die Runde, dass hiesige Seebrücke-Gemeinden, wenn es konkret wird, nicht wirklich daran interessiert seien, Menschen aufzunehmen. Nachfragen nach konkreten Details gehen natürlich ins Leere.
Fast alle Parteien ducken sich weg
Innenminister Thomas Strobl ("Unser Kompass ist das christliche Menschenbild"), der die Migrationsagenden an Gentges abgegeben hat, fantasiert von Schleierfahndung und Grenzschließungen als "ultima ratio". Grüne, SPD und Liberale üben sich in Zurückhaltung, was bei Lichte betrachtet einen Eindruck davon vermittelt, wie die Führung dieser drei Parteien die eigene Anhängerschaft einschätzt: Offenbar wird ihr nicht zugetraut, offensives Werben für die Aufnahme von Flüchtlingen zu goutieren. Lena Schwelling immerhin, die Grüne, die am kommenden Wochenende zur neuen Landesvorsitzenden gewählt wird, beklagt die "absolute Notlage", in der sich die Menschen befänden und verlangt von der neuen Bundesregierung, ihnen zu helfen.
Allein die Linke findet bisher konkrete klare Worte. Menschenrechte würden an den EU-Außengrenzen mit Füßen getreten, sagt der Stuttgarter MdB Bernd Riexinger. Die Folge sei die Militarisierung des Grenzschutzes durch Frontex, Zäune und Mauern um EU-Staaten und illegale Pushbacks im Mittelmeer mit tausenden Toten: "Nun erfrieren Menschen – auch Babys und Kinder – in den Wäldern an der polnisch/belarussischen Grenze, und der belarussische Diktator führt der Welt vor, welche Doppelmoral in der europäischen Politik herrscht." Der Appell des früheren Parteichefs richtet sich konkret an die in der Landeshauptstadt konferierenden Innenminister: "An den Außengrenzen der EU dürften keine Menschen mehr ertrinken oder erfrieren."
Wie heißt es im Weihnachtsevangelium (Lukas 2, 1–20): "... sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war". Und wenn sie coronabedingt dürfen, werden Singgruppen im ganzen Land von Haus zu Haus ziehen, um einschlägige Szenen nachzustellen. Wenigstens wäre "Wer klopfet an?" eine Gelegenheit, über die Aufnahmebereitschaft ernsthaft neu nachzudenken. In einer der reichsten Gegenden der Welt.
2 Kommentare verfügbar
Grundschulniveau
am 02.12.2021