Als das für Aktionskunst bekannte Peng-Kollektiv bei einer antifaschistischen Auktion im August 2020 diverse Devotionalien veräußerte, um den Erlös an an das Alternative Jugendzentrum in Chemnitz zu spenden, brachte ein münzgroßer Anstecker mit roter und schwarzer Fahne über 700 Euro ein. Das erzählt Martina Renner etwas ungläubig, aber auch ein bisschen stolz. Berühmt wurde der kleine Antifa-Button, als ihn die linke Abgeordnete bei einer Rede im Bundestag am Revers trug und sie vom Sitzungsleiter Wolfgang Kubicki (FDP) einen Ordnungsruf erteilt bekam, nachdem sich die AfD lautstark über die Symbolik beklagt hatte (Wortlaut Alice Weidel: "Das ist Linksterrorismus!").
Geschehen ist das im September 2019. Nur wenige Wochen nach dem Mord an Walter Lübcke durch den Rechtsextremisten Stephan Ernst hielt es die parlamentarische Repräsentanz von Halb- und Ganznazis für angemessen, zur Ächtung der Antifa aufzurufen, deren Recherchen bei der Aufarbeitung des Falls wertvolle Erkenntnisse lieferten, auch für die offiziellen Ermittlungsbehörden. Bei der AfD überwog jedoch die Sorge, dass "der sog. 'Antifaschismus'" in der "Gesellschaft zunehmend 'Salonfähigkeit'" erlange, wobei als "einschlägiges Beispiel" für gesteigerte Sympathien gegenüber dem gewaltorientierten Linksextremismus unter anderem ein Duschgel herhalten musste, das der FC St. Pauli unter dem Label "Anti-Fa" vermarkten wollte.
Vorgeblich richtete sich der Antrag der Rechten damals gegen "alle extremistischen Strömungen". Namentlich erwähnt wurde aber nur der Antifaschismus. Dass eine "Partei von notorischen Antidemokraten, Antisemiten und Rassisten ein Problem" damit habe, führte Renner aus, "liegt in der Natur der Sache". Die stellvertretende Vorsitzende der Linken kritisierte bei dieser Gelegenheit auch die "verheerende, geschichtsvergessene und falsche Gleichsetzung von links und rechts", schließlich könne man Holocaustforscher und Holocaustleugner auch nicht "zu zwei extremen Positionen" erklären, "zwischen denen die Wahrheit dann irgendwo in der Mitte zu suchen sei". Und als die AfD ein Jahr später den nächsten Anlauf startete, diesmal um die Antifa bundesweit zu verbieten, zeigte sich Renner im Parlament entnervt darüber, dass "uns der parlamentarische Arm des Rechtsterrors erneut diese Debatte aufzwingt".
Es begann in Bremen
Klar, danach habe sie auch viele böse Zuschriften erhalten, berichtet die Erfurter Abgeordnete im Gespräch mit Kontext. Von der Beleidigung bis zur Morddrohung – sie hat schon vieles erlebt. Erst im Mai dieses Jahres musste ihr Wahlkreisbüro geräumt werden, weil ihr ein Unbekannter ein verdächtiges Pulver per Post zugeschickt hatte und damit die Feuerwehr auf den Plan rief. Insgesamt, sagt Renner, sei das Feedback auf ihre Reden aber sehr positiv ausgefallen.
Es kommt eher selten vor, dass jemand der Antifa im Bundestag einen Blumenstrauß bindet. Bei Martina Renner hat es auch einen biografischen Hintergrund, nicht nur weil sie Magazine wie "Der rechte Rand" oder die Dossiers von "Exif" schätzt. Sondern auch, weil sie selbst in entsprechenden Gruppen organisiert war. Angefangen hat es zu ihrer Studienzeit in Bremen, wo sie sich neben Philosophie, Biologie sowie Kunst- und Kulturwissenschaft auch dem Engagement gegen Rechts widmete, etwa mit geschichtspolitischen Aktionen zum Volkstrauertag. Als sie dann 2002 nach Thüringen zog, "lag das Problem vor den Füßen". Doch auch wenn rechtsradikale Gesinnungen in Teilen des Ostens deutlicher zur Schau gestellt werden als anderswo, ist die 54-Jährige überzeugt, dass es in allen Bundesländern gravierende Probleme gibt, "auch wenn vieles davon noch unter dem Radar fliegt". Auch und gerade im Südwesten.
Wenn Renner Baden-Württemberg besucht, landet sie eher selten in Stuttgart. Am häufigsten ist sie in Heilbronn zu Gast. Als Abgeordnete im Thüringer Landtag war sie 2012 bis 2013 Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss und hat dort viel über die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die rechtsextreme Szene erfahren. Seither zweifelt sie daran, dass es sinnvoll ist, V-Leute einzusetzen, wenn in der Konsequenz Steuergelder in den Bombenbau fließen und ein paar dutzend Spitzel im direkten NSU-Umfeld nicht verhindern, dass die Terrorgruppe mordend durchs Land zieht. Angesichts der umfangreichen Skandalgeschichte spricht sie sich dafür aus, den Verfassungsschutz aufzulösen und neu zu gründen – als Institution, die demokratisch überwacht werden kann und nicht als Geheimdienst mit unkontrollierbarem Eigenleben.
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R.Gunst
am 05.09.2021