Hintertreibt die Landkreisverwaltung etwa den Beschluss der Kreisräte, die mit 93 zu 1 für Niederflur gestimmt haben? So sieht es aus, auch wenn Caren Sprinkart, die persönliche Referentin des neuen Landrats Dietmar Allgaier, die "Potentialanalyse für einen SSB-Stadtbahnast in der Verlängerung von Pattonville zum Ludwigsburger Bahnhof" im Mai 2021 gegenüber Kontext als "lediglich eine grobe Abschätzung eines möglichen Fahrgastpotentials auf den zu untersuchenden Korridoren und nicht um konkrete Planungen" kleinschreibt. Fendrich entgegnet: "Anstatt überfällige Gutachten wie die Fahrplanrobustheitsprüfung für die Bahnstrecke zu beauftragen, geht die Verwaltung mit Hochflur 'zurück auf los'– wieso lassen sich die Kreisräte das gefallen?"
Die Referentin Sprinkart beteuert: "Der Landkreis treibt das Projekt mit allen Teilen engagiert und so schnell wie möglich voran." "Engagiert" ist aber relativ: Betrachtet man den vor zweieinhalb Jahren vorgestellten Ablaufplan, hinkt der Landkreis bereits gut zwei Jahre hinterher. Geschafft wurden bisher nur die Gründung des Zweckverbands und ein "Letter of Content" mit der DB zur Pacht der Strecke. Mit der Pacht halse sich der Zweckverband aber unnötige Ausgaben auf, sagt Fendrich, die nur Sinn machen, wenn er die Strecke doch noch entwidmen und auf Straßenbahnbetrieb mit Hochflurtriebwagen umstellen wolle.
Pläne der Region
Für Bahnkunden ist die unendliche Geschichte auch deshalb mehr als ärgerlich, weil eine Reaktivierung der Markgröninger Strecke auch weitere Direktverbindungen in der Region ermöglichen würde, etwa gemeinsam mit der Schusterbahn (Kornwestheim–Untertürkheim). Der Verband Region Stuttgart (VRS) wollte diese Strecke , auf der es bisher nur wenige Personenzüge am Tag gibt, zuerst nach Bietigheim-Bissingen verlängern. Aber dort ist für weitere endende Züge kein Platz mehr und Bietigheim ist bereits sehr gut angeschlossen. Nun wird in der Regionalversammlung über eine Regionalbahntangente Esslingen–Markgröningen mit Hilfe der Schusterbahn diskutiert.
Die bisherigen Stadtbahnpläne gefährdet dies nicht, die Markgröninger Strecke könnte trotzdem Teil des Stadtbahnprojekts bleiben. Denn der VRS könnte mit der bis Ludwigsburg verlängerten Schusterbahn unabhängig vom Kreis am Windhundrennen des Landes zur Streckenreaktivierung teilnehmen. Wenn alle Module fertiggestellt sind, würden auf der Markgröninger Strecke Regionalbahnen im Mischverkehr mit Niederflur-Stadtbahnen verkehren. Die einen durchgebunden bis Esslingen, die anderen über die Ludwigsburger Innenstadt in Richtung Remseck.
Eine weitere Idee ist, Züge aus Ludwigsburg nicht nur über die Schusterbahn weiterzuführen, sondern auch über die Salzwegkurve in Richtung Korntal und Leonberg. Damit wäre eine neue Regionalbahntangente an Stuttgart vorbei geschaffen. Dafür ließen sich – genauso wie für eine vorerst nur kleine Verlängerung von Ludwigsburg über den W&W-Campus bis Kornwestheim – bestehende Gütergleise nutzen.
Für eine Niederflurstadtbahn müsste Ludwigsburg zudem das Rad nicht neu erfinden, das Projekt könnte sich technisch leicht woanders dranhängen: Im Sommer 2020 haben sechs deutschsprachige Verkehrsunternehmen gemeinsam 504 Stadtbahn-Fahrzeuge ausgeschrieben. Das Volumen dieses Projekts "VDV-Tram-Train" unter Karlsruher Federführung liegt bei rund vier Milliarden Euro, inklusive Instandhaltungsvertrag für bis zu 32 Jahre. Da fielen ein paar Ludwigsburger Extra-Trams kaum ins Gewicht.
Grüne gegen Grüne?
Es ist paradox: Das grüne Verkehrsministerium ruft zur Jagd auf die ersten 100 Kilometer, doch manche Ludwigsburger Grüne treten auf die Bremse aus Angst um das gesamte Stadtbahnprojekt. Doch gegen diese Angst hülfe Schwabenschläue. Ein Vorlaufbetrieb für die Reaktivierung der Markgröninger Bahnstrecke könnte nämlich so gestaltet werden, dass er dem Gesamtprojekt "Niederflur-Stadtbahn" nicht schadet. Ein Beispiel: Bisher endet die Strecke am Markgröninger Bahnhof, der weit außerhalb des Stadtzentrums liegt. Das bliebe auch beim Vorlaufbetrieb so und ist ein Grund, den parallelen Busverkehr zu erhalten. Kommt dann später im Mischbetrieb auch die Stadtbahn, wird sie bis ins Markgröninger Zentrum und eventuell bis Schwieberdingen verlängert. Dann entfallen manche Busse und die eingesparten Kosten werden voll der Stadtbahn zugerechnet.
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KHF
am 30.06.2021Es ist jetzt an der Zeit, dass der Verband Region…