Der Rotstift, mit dem vergangene Woche Mitarbeitende von mehr als 30 Organisationen für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit vor dem Bundeskanzleramt in Berlin demonstrierten, war zwölf Meter lang. Schon im dritten Jahr in Folge wird das Geld für Entwicklungszusammenarbeit gekürzt. In diesem Jahr wurde der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Vergleich zum Vorjahr um 7,6 Prozent gekürzt, der Etat des Auswärtigen Amtes sogar um 17,6 Prozent. Für das kommende Jahr 2025 sollen nochmal 1,3 Milliarden Euro gestrichen werden.
Die Proteste der Hilfsorganisationen verhallen trotz aufblasbarem Rotstift-Ballon ungehört. Der Blick der Öffentlichkeit ist längst anderswohin gerichtet. Nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs, steigenden Energiepreisen, Inflation und Teuerung geht es immer stärker um das persönliche Wohlbefinden. Wozu so viel Geld in den globalen Süden schicken? Angesichts zunehmender Probleme im eigenen Land?
Jede Verzögerung bei "Zero Hunger" kostet
Dabei warnen Hilfsorganisationen eindringlich vor dieser Sichtweise: "Kürzungen von heute sind die Krisen von morgen", schreiben die Welthungerhilfe und die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes in ihrem 31. Bericht, den sie kürzlich vorgelegt haben. Titel: "Kompass – Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik". Danach sind die dringend benötigten Mittel für Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung 2023 um ganze 32 Prozent zurückgegangen.
Angesichts von mehr als 280 Millionen Menschen, die aktuell akut an Hunger leiden, bedeutet das, dass die UN-Nachhaltigkeitsziele zur Beendigung von Hunger und Armut nicht erreicht werden. In diesem Zusammenhang verweisen die beiden Hilfsorganisationen auf neueste Berechnungen, die zeigen, dass "jede Verzögerung beim Erreichen von 'Zero Hunger' bis 2030 zu massiven Kostensteigerungen führt". Gingen Experten 2020 noch davon aus, dass etwa 30 Milliarden Euro nötig sind, um den Hunger weltweit zu beenden, liegen die Schätzungen heute bei mehr als dem Dreifachen: bei 93 Milliarden.
Erstaunlich dabei ist nicht, dass von 45 Ländern, die auf ständige Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, laut Welthungerhilfe 33 in Afrika sind. Die Organisationen kritisieren, dass die Leistungen für die ärmsten Staaten auch in diesem Jahr die im Ampel-Koalitionsvertrag anvisierte Marke von 0,2 Prozent des deutschen Bruttosozialprodukts verfehlen. Sie erreichen gerade einmal rund 0,1 Prozent. Nicht besser sieht es in den europäischen Nachbarländern aus.
Sparpolitik trifft vergessene Krisen besonders hart
Åsa Månsson, Geschäftsführerin von Venro, dem Dachverband für Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe, beschreibt die Konsequenzen der Sparpolitik. Eine Umfrage unter den knapp 150 Mitgliedsorganisationen zeige, dass die Kürzungen die zivilgesellschaftliche Arbeit in mindestens 40 Ländern treffen. Besonders stark wirke sich dies in Ländern mit sogenannten vergessenen Krisen aus: in Angola, Burundi, dem Partnerland von Baden-Württemberg, Burkina Faso oder der Demokratischen Republik Kongo.
2 Kommentare verfügbar
Gerd Rathgeb
am 25.07.2024...sie reden von Bekämpfung der Fluchtursachen und kürzen die Mittel dafür.