Durch eine ausreichende Sanitärversorgung kann Durchfall, Cholera und andere Krankheiten auf einfache Weise vorgebeugt werden. Doch der kurz als WASH bezeichnete Sektor, der "water, sanitation and hygiene" umfasst, muss ständig um Geld kämpfen. Das deutsche WASH-Netzwerk, in dem sich mehr als zwei Dutzend Hilfswerke zusammengeschlossen haben, darunter auch die Welthungerhilfe, weist in einem Positionspapier darauf hin, dass 2018 nur 39 Prozent des Bedarfs an Toiletten in der Katastrophenhilfe finanziert werden konnten. Und wer einmal erlebt hat, wie die Lage ist nach einem Erdbeben und einer Überschwemmung – zu Beispiel in Haiti – weiß, wie wichtig es ist, schnell für Wasser und Sanitäranlagen zu sorgen.
Das Thema ist nicht attraktiv bei der Einwerbung von Spenden. Wer will schon für Toiletten spenden? Dies ist einer der Gründe dafür, warum in den vergangenen zehn Jahren kaum Fortschritte erzielt worden sind. Für Spender:innen ist es attraktiver, Brunnen zu finanzieren oder Schulen. Es liegt aber auch daran, dass man viel zu lange nur auf den Bau von Toiletten gesetzt hat, ohne die sozialen und kulturellen Zusammenhänge zu betrachten. Stephan Simon von der Welthungerhilfe kennt die Daten. Und er weiß, dass dringend etwas getan werden muss.
Herr Simon, Sie sind WASH-Experte bei der Welthungerhilfe. Die Einsicht ist da, warum geht es nicht voran?
In ländlichen Gebieten, hauptsächlich in fragilen Kontexten in armen Ländern, haben 70 Prozent der Menschen immer noch keinen Zugang zu vernünftiger Sanitärversorgung. Sie verrichten ihre Notdurft im Freien. In Europa war die Situation ähnlich, wenn wir ein bis zwei Jahrhunderte zurückdenken. Aber man hat gesehen, dass dadurch in beträchtlichem Maße Krankheiten wie Cholera auftreten, wenn zum Beispiel die Leute in Hamburg mit Abwasser verseuchtes Elbwasser getrunken haben. Aus diesem Grund wurden Abwassersysteme eingeführt.
Warum kann man nicht überall für ausreichend Toiletten sorgen?
Das ist, verglichen mit der Versorgung mit Trinkwasser, eine teure Angelegenheit. Während man für eine einfache Wasserversorgung im ländlichen Raum für rund 300 Haushalte etwa 10.000 Euro für einen zentralen Brunnen investieren muss, liegen die Kosten für einfache Toiletten pro Haushalt bei etwa 200 Euro – insgesamt also bei dem Sechsfachen. Außerdem besteht die Gefahr, dass Hilfswerke von europäischen Standards ausgehen, anstatt zunächst einfache Lösungen zu suchen. Es ist auch möglich, sich stufenweise einem höheren Standard anzunähern, und zum Beispiel mit dem Ausheben von Gruben und einfachen lokal angepassten Latrinen zu beginnen.
Trotzdem gibt es kaum Fortschritte.
Viel zu lange hat man auf rein technische Lösungen gesetzt. Zum Beispiel wurden in einem Ort Toiletten gebaut in der Hoffnung, dass dies dann an anderer Stelle in Eigeninitiative nachgemacht wird. Aber diese Art der Skalierung funktioniert nicht. Auch das Mahnen mit dem Zeigefinger führt nicht weiter, wenn man zum Beispiel der Mutter sagt, sie müsse Hände waschen, sonst wird ihr Kind krank und das verursacht zusätzliche Arztkosten.
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