Auch das Land mit dem von den Grünen geführten Verkehrsministerium stellt keine Hürden auf, im Gegenteil: Winfried Hermann hat ein Programm zur Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken auf den Weg gebracht. Mit dabei: die rund 40 Kilometer lange Ablachtalbahn von Stockach nach Mengen und die 9,4 Kilometer Gleise von Sigmaringen nach Krauchenwies. Damit gäbe es eine Chance für eine direkte Verbindung zwischen Tübingen und Konstanz.
Allerdings könnte man meinen, dass sich die Kommunalpolitik manche Hürden selbst in den Weg legt. So wie in Sigmaringen: Hier wurde im Gemeinderat beschlossen, die Wiederaktivierung der Ablachtalbahn von Stockach nach Mengen mit dem Abzweig nach Sigmaringen nicht zu unterstützen. Auf Antrag der CDU ist eine Textpassage in einer Stellungnahme der Stadt Sigmaringen zum künftigen Regionalplan gelöscht worden. "Sigmaringen lehnt die Ablachtalbahn ab", titelte danach die "Schwäbische Zeitung" und meinte die Mehrheit durch CDU, SPD und FWV. Im Gespräch unterstreicht die Fraktionsvorsitzende der CDU im Sigmaringer Gemeinderat, Alexandra Hellstern-Missel, die Entscheidung, weist aber darauf hin, dass die Fraktion nicht blockieren wolle: "Natürlich sind wir für den Verkehr auf der Schiene, aber wir wollten in die Stellungnahme zum Regionalplan nur die Punkte aufnehmen, die wirklich die Stadt betreffen." Als Beispiel nennt sie Bahnhalte in einigen Ortsteilen Sigmaringens, die die Zollernalb-Bahn betreffen. "Wir priorisieren die Zollernalb-Bahn", sagt Hellstern-Missel. Damit ist die Elektrifizierung der Zollernalb-Bahn von Sigmaringen nach Albstadt gemeint. Aber würde die Unterstützung des einen Projektes das andere torpedieren?
Keine eindeutigen Signale
Im Verkehrsministerium in Stuttgart hält man sich mit Visionen zurück. Wo manche schon Fernverkehrszüge rollen sehen, schaut man hier nüchtern auf die 41 stillgelegte Strecken, die derzeit landesweit untersucht werden. "Beide Varianten – die Ablachtalbahn als Einzelprojekt und die Ablachtalbahn mit dem Abzweig Krauchenwies–Sigmaringen – werden untersucht. Ob eine Strecke priorisiert wird, kann erst nach Abschluss der laufenden Untersuchungen bekannt gegeben werden", sagt Ministerialdirektor Uwe Lahl. Im ersten Halbjahr 2021 seien die Untersuchungen abgeschlossen, dann könne man über die Reaktivierung der Strecken mehr sagen.
Aus Sicht des Verkehrsministeriums ist es allerdings nicht sinnvoll, Elektrifizierungs- und Reaktivierungsprojekte gegeneinander auszuspielen. "Bei beiden Projektarten ist es Voraussetzung, dass die Maßnahme einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat", sagt Lahl. Ergebe die Untersuchung der Ablachtalbahn mit einer Abzweigung von Krauchenwies einen entsprechenden Nutzen, würden diese Projekte zukünftig mit 90 Prozent der zuschussfähigen Kosten gefördert (das Gesetz muss allerdings erst noch den Bundesrat passieren – siehe unten). Da zugleich die Mindestvorhabengröße für eine Bundesförderung von 50 Millionen Euro auf zehn Millionen Euro gesenkt wird, stehe einer Umsetzung beider Vorhaben bei einem nachgewiesenen volkswirtschaftlichen Nutzen eigentlich nichts mehr entgegen, so der Ministerialdirektor.
Verkehrsexperte Ralf Derwing kommt bei solchen Streckenvisionen ins Schwärmen. Er beschreibt in seinen Vorträgen, dass Züge künftig elektrobetrieben von Tübingen womöglich sogar zweigleisig über Sigmaringen, Krauchenwies und weiter Richtung Stockach und nach Radolfzell/Konstanz fahren könnten. Eine attraktive weitere Strecke von Stuttgart/Tübingen direkt bis zum Bodensee würde so geschaffen und Sigmaringen würde zum Verkehrsknotenpunkt werden. Wie einst: Als ehemaliger "Hauptstadtbahnhof" (Sigmaringen war von 1850 bis 1945 Sitz der preußischen Regierung der Hohenzollernschen Lande) verband er bis 1969 sechs Bahnstrecken miteinander. Dort, wo derzeit vier Linien aufeinander treffen, kämen dann eine fünfte und sechste hinzu.
Unsicherheit gibt es bei den Kommunalpolitikern von der CDU aber weiterhin. Einerseits wolle man den Verkehr auf der Schiene nicht blockieren, "andererseits weiß niemand, wer das alles bezahlen soll", sagt die Kommunalpolitikerin Alexandra Hellstern-Missel.
Verkehr auf die Schiene!
Die Verkehrspolitik völlig neu denken möchte der Kreisverband der Grünen in Sigmaringen. "In der Ablachtalbahn ruht ein Potential für unsere Region", sagt Klaus Harter, Kreisvorsitzender der Grünen. Allein die Möglichkeit, mit der Aktivierung des Bahnabschnittes zwischen Stockach und Mengen Kies und andere Güter vom Kieswerk Schwackenreute von der Straße auf die Schiene zu bewegen, könnte aus seiner Sicht für Aufsehen sorgen. Ein Besuch vor Ort zeigt: Die alten Gleise am groß dimensionierten Bahnhof in Schwackenreute zeugen von einstmals goldenen Schienenzeiten. Neben Kies wurde dort auch Holz verladen, auch Züge mit Gastanks rollten von hier durch Oberschwaben und Richtung Bodensee. "Daran kann man sehen, dass die Strecke sowohl für den Gütertransport als auch für den Personenverkehr interessant ist", sagt Klaus Harter.
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Wofgang Schmidt
am 21.01.2022