Doch auch Friedrichshafen schreibt rote Zahlen. Sieben Millionen waren es 2019, nicht eingerechnet die Zuschüsse der Zeppelin-Stiftung in Höhe von zehn Millionen. 36 Millionen hat die Stadt Friedrichshafen dem Medizin Campus bis 2021 zugesichert. Denn aufgrund der Coronakrise mussten "elektive Eingriffe" zurückgestellt werden, um Betten freizuhalten.
Gesundheit als Geschäft
Elektive Eingriffe sind nicht nur Schönheitsoperationen, sondern auch Maßnahmen, die nicht sofort stattfinden müssen, also zeitlich planbar sind. Sie sind bei den Krankenhäusern beliebt, weil sie Einnahmen bringen. Dies liegt am Finanzierungssystem. Während früher nach Tagessätzen abgerechnet wurde, beruht die Finanzierung seit 2004 nach einem australischen System auf "Diagnosis Related Groups" (DRG), auch Fallpauschalen genannt. Sie sind der Hauptgrund für die Krankenhaus-Misere.
Früher waren Krankenhäuser ausgestattet, um den Patienten nötigenfalls auch länger aufzunehmen. Heute soll er möglichst schnell wieder weg. Denn bezahlt wird nach Fall, egal wie lange er liegt. Elektive Eingriffe sind hier ideal. Sie können zu einem Zeitpunkt vereinbart werden, wenn das Krankenhaus Kapazitäten frei hat, und der Patient kann am nächsten Tag wieder nach Hause. "Deutschland ist daher seit Einführung der DRGs zum Weltmeister bei Herzkatheter-Untersuchungen oder beim Einbau künstlicher Hüftgelenke geworden", heißt es in einem Beitrag des "Deutschlandfunks" anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Fallpauschalen.
Nicht gebessert, sondern verschlechtert hatte sich indes nach demselben Bericht die finanzielle Situation der Krankenhäuser: Aus jährlichen Kostensteigerungen von 1,2 Milliarden Euro waren 2,1 Milliarden geworden. Also werden immer noch mehr Krankenhäuser geschlossen – bundesweit im Schnitt 18 pro Jahr, 2020 sogar zwanzig. Allein in Baden-Württemberg waren 2020 neben Weingarten auch das Krankenhaus Riedlingen, das Marienkrankenhaus in Karlsruhe und Sankt Hedwig in Mannheim betroffen. Riedlingen gehört seit 2012 dem Sana-Konzern, der ein Großkrankenhaus in Biberach plant. Die anderen beiden sind Frauenkliniken.
Konzentrationsprozess: kein Ende in Sicht
Auch Kliniken in Bad Urach und Königsfeld droht die Schließung. In Geislingen wehren sich Ärzte und Patienten noch. Die Helfenstein-Klinik gehört zur Alb Fils Kliniken GmbH, die gern alle Kräfte in der größeren Klinik am Eichert in Göppingen bündeln und den Standort Geislingen zu einem Versorgungszentrum herabstufen würde. Der Geislinger Gemeinderat ist uneins, aktuell wird die Helfenstein-Klinik für Covid-19-Notfallpatienten gebraucht. Im Landkreis Rastatt und Baden-Baden will die Klinikum Mittelbaden gGmbH ihre verschiedenen Standorte in Bühl, Baden-Baden und Rastatt an einem Ort zusammenfassen.
Bundesweit ist die Zahl der Krankenhäuser seit 1990 um 25 Prozent zurückgegangen, die Fallzahlen sind aber um 35 Prozent gestiegen. Das Sozialministerium des Landes gibt an, die Zahl der Planbetten sei seit 2002 um 13 Prozent gesunken, die der Fälle dagegen um zehn Prozent gestiegen. "Dieser Konzentrationsprozess ist nicht mehr aufzuhalten", so die Antwort auf Kontext-Anfrage, nicht zuletzt aus betriebswirtschaftlichen Gründen. "Wir wissen, wohin wir wollen", betont das Ministerium: "starke, leistungsfähige Kliniken, keine vereinzelten Kleinstandorte, starke Primärversorgungszentren."
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chr/christiane
am 03.06.2021Frau Baerbock will im Falle ihrer Kanzlerinnenwahl Daseinsfürsorge im Grundgesetz verankern.
Und das, nachdem ausgerechnet unter Grüner Führung in BW geduldet wurde, dass…