Standen Sie schon einmal vor einem Aquarium, das Sie für leer gehalten hätten, wenn da nicht ein Schild auf gut getarnte Bewohner hinweisen würde? Haben Sie dabei, vielleicht mit halb zusammengekniffenen Augen, jeden Mikrometer des sandigen Bodens nach der versprochenen Flunder abgetastet, und überhaupt nur noch weitergesucht, weil Sie wussten, dass da etwas sein muss – bis Sie, gerade als Sie es aufgeben wollten, endlich eine entdecken? Ungefähr so müssen sich Stuttgarter Jugendliche gerade fühlen, wenn sie auf eine Veranstaltung für Erstwähler stoßen. Wo es überhaupt welche gibt, sind diese herausragend gut versteckt. Dabei steht in wenigen Wochen die erste Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt an, bei der auch 16- und 17-Jährige mitbestimmen dürfen (die Privatempirie zeigt, dass viele neuerdings Wahlberechtigte verdutzt auf diese Information reagieren: "Ehrlich?").
Nachdem Stuttgarter Jugendliche im Juli Scheiben in der Innenstadt eingeschlagen, Geschäfte geplündert und Polizisten angegriffen hatten, fragte sich alle Welt: Was ist da los? Was bewegt diese Menschen? Inzwischen scheint das Interesse, zumindest am Ort des Geschehens, wieder deutlich abgeflacht. Eine Anfrage der Redaktion bei der Stadtverwaltung, was diese an Maßnahmen ergreift, um minderjährige Wählerinnen und Wähler zum Urnengang zu bewegen, wird wie folgt beantwortet: "Das Wahlamt informiert im Rahmen seiner gesetzlichen Vorgaben alle Wahlberechtigten in gleicher Weise, um dem Erfordernis der Neutralität und der Gleichbehandlung zu entsprechen." Darüber hinaus könnten sich Erstwählerinnen und Erstwähler "insbesondere in den neuen Medien über das Wahlprozedere informieren".
Das Wahlprozedere wird, müßig zu erwähnen, auch durch Corona gestört. An den Schulen etwa sieht es mit Angeboten und Veranstaltungen noch magerer aus als in anderen Wahljahren. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erläutert gegenüber der Redaktion, dass Lehrer und Schüler dieses Jahr erheblich unter den Folgen der Pandemie litten – und dass durch die damit einhergehende Zusatzbelastung der Organisationsaufwand von Podiumsdiskussionen mit den KandidatInnen, wie sie in normaleren Zeiten üblich sind, oftmals nicht gestemmt werden könne.
Burgermeister, die keine Burger braten
Auf der Homepage des Stuttgarter Jugendrats, der Teenagern kommunalpolitisches Gehör verschaffen soll, gibt es zwar eine Rubrik mit dem Namen "Aktuelles". Doch der letzte Eintrag dort ist vom 27. Juli ("Jugendrat fordert Verbesserungen beim Freibad-Onlineticket"). Dann, beim Stadtjugendring, nach langer Suche ein erster Treffer: "Taste of Democracy – Stuttgart sucht die Burgermeister*innen", zwei Termine in Kooperation mit katholischen Jugendorganisationen und mit einem Teil der 17 KandidatInnen. Einmal am 7. Oktober mit Martin Körner, Frank Nopper, Marian Schreier und Veronika Kienzle. Und am 16. Oktober mit Martin Körner, Frank Nopper, Marian Schreier und Hannes Rockenbauch.
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Peter Meisel
am 17.10.2020„Welcher Kandidat wäre für Stuttgart ein guter, kein guter Oberbürgermeister?“ Von 6 der ersten Kandidaten steht Hannes Rockenbauch an 4. Stelle mit…