Josefine starrt auf das Tablet, das sie in der Hand hält. Sie schaut und schaut auf die zwei Begriffe, die wie digitale Karteikarten sortiert werden wollen. Zwei Minuten später: Josefine überlegt immer noch. „Das ist knifflig“, sagt die Schülerin mit den roten Haaren und dem fixierenden Blick. Eine klimaneutrale Stadt gestalten oder langfristig Integration und Zusammenleben fördern?
Die 18-Jährige klickt sich durch den „Komunat“ (www.komunat.de), einen Wahl-O-Mat für die Kommunalwahl hier in Stuttgart. Sie ist eine von über 532 000 Erstwählern in Baden-Württemberg. Für Kandidaten, Parteien und Vereine stellt sich die Frage: Wie erreichen wir diese jungen Menschen?
Freitagmorgen treffen online und offline aufeinander. Am Königin-Charlotte-Gymnasium in Möhringen befasst sich die Jahrgangsstufe zwei mit der Kommunalwahl. Eine Art provisorische Wahlkabine steht bereit, Info-Flyer und Zettel, die zum Wahlgang animieren, liegen überall verteilt. Steffen Schuldis vom Verein „Unsere Zukunft“, der hinter dem Komunat-Projekt steckt, erklärt die Absicht der digitalen Wahlhilfe: „Wir wollen junge Menschen für Politik begeistern.“ Die Wahlbeteiligung wolle man steigern, den Nachwuchs politisch aufklären. Das fängt damit an, dass man bei der Kommunalwahl schon ab 16 mitmachen kann.
Toleranz oder Solidarität?
Die Abiturienten mit den „Döner Kebabi“-Pullovern lauschen gespannt, bevor es praktisch wird. Noch ein paar Schul-Tablets werden verteilt, jetzt dürfen sich alle durchklicken. Der Komunat funktioniert mit Werten statt Thesen. Damit unterscheidet er sich von den meisten anderen Wahl-O-Maten. Erst gewichtet man zwölf Werte (zum Beispiel Pressefreiheit, Menschenwürde, Toleranz). Danach setzt man Schwerpunkte in kommunaler Politik, 13 an der Zahl: Mehr Wohnungen bauen oder Subkultur fördern? Preise für Bus und Bahn senken oder Schulen sanieren? Am Ende spuckt der Algorithmus dann eine Liste mit möglicherweise passenden Kandidaten aus.
Steffen Schuldis glaubt, dass Thesen bei einer personenbezogenen Wahl, etwa auf kommunaler Ebene, nicht gut funktionieren würden. Sven, 19 Jahre alt und auch in der Jahrgangsstufe 2, sieht das anders. „Es ist schwierig, zwei Werte gegeneinander aufzuwiegen“, sagt der Schüler. Toleranz versus Solidarität, Pressefreiheit oder Menschenwürde? Das gehe doch gar nicht, da eine Entscheidung zu treffen. Auch in der Feedback-Runde kommt das zentrale Problem des Komunat zur Sprache: „Menschenwürde ist einfach immer wichtig“, sagt eine Schülerin.
1 Kommentar verfügbar
Andrea K.
am 22.05.2019Aber im Netz steppt jetzt ja der Bär, das Bashing-Video hat 3 Mio Klicks…