"Das war ja eine Debattenkultur wie im Kalten Krieg", ärgert sich Colyn Heinze, Jahrgang 1996, "da kam straight der DDR-Vergleich." Der Student (Public Management) kandidiert für die Stuttgarter SPD auf Listenplatz 3 bei den Regionalwahlen am Sonntag. Er teile nicht alle Positionen von Kühnert, sagt er, um auszusprechen, was selbstverständlich sein sollte: "Aber ich kann sie aushalten." So ähnlich sieht das auch Jungsozialistin Jasmin Meergans. "Ausladen wollten wir ihn bestimmt nicht", lacht die 24-Jährige, die ihren Vorsitzenden schon kannte, "bevor er berühmt wurde". Der Termin in Stuttgart war schon seit vergangenem September geplant, nach dem Interview in der "Zeit" hätten sie aber "noch mehr Lust" gehabt, mit ihm zu diskutieren, erzählt die Lehramtskandidatin, die es bei den bevorstehenden Kommunalwahlen sogar auf einen Spitzenplatz der Stuttgarter Sozialdemokraten geschafft hat.
Ja, Kevin zieht. Es handelt sich, von den Friday-for-Future-Streiks einmal abgesehen, um eine der wenigen politischen Veranstaltungen in der Landeshauptstadt, bei denen das Kopfhaar im Publikum noch nicht größtenteils ergraut ist. Beim Eintritt in die "White Noise"-Bar im Stuttgarter Zentrum bekommt jeder Gast ein Freigetränk spendiert und SPD-nahe Glückskekse, deren Zettelchen an den Sparfuchs im Schwaben adressiert sind ("Nimm Dir noch einen Keks. Die SPD hat's gezahlt"). Meergans, die seit 2013 bei den Stuttgarter Jusos aktiv ist, erkennt etwa ein Viertel der gut 120 Gesichter im Publikum als Genossinnen und Genossen wieder. Damit ist das "White Noise" voll, ein gutes Dutzend Zuschauer muss mit einem Sitzplatz auf dem Boden Vorlieb nehmen. Viele Interessierte kommen nicht aus dem direkten Umfeld der Partei.
5 Kommentare verfügbar
Anarchrist
am 26.05.2019Das wäre für Wahlkämpfe eine tolle Sache.
Ich würde Kevin wählen, wenn er auf unserem Wahlbogen stünde.
Rolf Kuhn
am 22.05.2019Wer haltlose Versprechen auf Wahlplakaten macht ("Wir machen Mieten wieder erschwinglich für alle..."), kann nicht ernst genommen werden.
Ich habe übrigens eine andere Theorie zu den vielen jungen Menschen auf der SPD-Liste. Sie haben schlichtweg keine anderen Menschen gefunden. Die Jusos sind in der Regel so jung, dass sie die kapitalen SPD-Verbrechen wie z.B. S21, Rosensteintunnel, Verkauf von tausenden von Wohnungen an Patrizia etc. schlicht nicht persönlich mitbekommen haben. Ich wünsche der Stuttgarter SPD ein einstelliges Ergebnis bei den Kommunalwahlen.
Kevin Kühnert ist ein Lichtblick, aber die Reaktion auf ihn vom Rest der Partei lässt tief blicken.
Steiner
am 22.05.2019Wenn - wie von Jean Ziegler am 07.01.2013 zu Recht moniert - alle fünf Sekunden ein Kind an Hunger stirbt, dann frage ich mich, wen wir verdammen sollten: Den Überbringer der Hiobsbotschaft namens Kühnert, der Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigt? Oder jene verirrten Ignoranten, die sich gerade tobsüchtig aufführen. Einen Fernsehkasper namens Nuhr? Hätte er "nur" den nötigen Scharfblick und beim Wiederkäuen der steinzeitlichen Sozialistenhatz besser seine blöde "Fresse gehalten". Genau damit hat Kühnert das Sendezeit verplempernde Lästermaul mit dessen eigenem provozierenden Leitspruch genial gekontert.
frank.ho
am 22.05.2019Ansonsten sollte die CDU einfach dem seit ~10 Jahren laufenden Asylantrag der Nie-Links-Gewesenen-Genossen-der-Bosse stattgeben und die paar Prozentpunkte, die es früher oder später sein werden, einfach integrieren / assimilieren.
Als "linke" Hofnarren, als "linken" Flügel oder einfach als Gegengewicht zum massenhaften Rechts-Outing in der "Volks"partei CDU.
Schade dass junge Menschen ihr politisches Talent, ihren Enthusiasmus und ihre Energie in so einem Betonkopfladen wie der pseudoroten SPD verschwenden.
Florian S.
am 22.05.2019Die SPD ist tot, solange sie nicht endlich mal einräumt einen gewaltigen Fehler mit der Agenda 2010 gemacht und irrgeleitet den neoliberalen Weg eingeschlagen zu haben.