Die Politik sieht sich dabei als Vorreiter: "Wir haben die Priorität voll auf Klimaschutz gestellt", sagt Uli Burchardt. Dafür macht die Stadt auch erstmals seit mehreren Jahren wieder neue Schulden: 4,7 Millionen Euro.
Wie der Klimaschutz in Konstanz funktionieren soll, erklärt der Oberbürgermeister, der früher mal Forstwirt war, so: "Das CO2 machen wir zum Maßstab: Was uns am meisten CO2-Ersparnis bringt, das machen wir." Schon im nächsten Haushalt soll CO2 einen Preis bekommen – dieser soll, orientiert an den Vorschlägen des Deutschen Städtetags, zwischen 35 und 50 Euro pro Tonne liegen.
Erst einmal wenig ändern soll sich hingegen bei den städtischen Bussen: Während immer mehr Städte auf Elektroantriebe umrüsten, bleibt die Konstanzer Stadtbusflotte dem Diesel treu. "Es gibt bis heute keinen Bus, der unsere technischen Anforderungen erfüllt und ökobilanziell besser ist als die, die wir heute neu einsetzen", sagt Burchardt. Die älteren Modelle sollen auf Euro-6-Norm aufgerüstet werden, bis 2030 soll die gesamte Flotte klimaneutral sein.
Wer das Auto abgibt, bekommt eine Jahreskarte
Die Entscheidung, weiterhin auf den Dieselantrieb zu setzen, fiel übrigens auch aufgrund eines Gutachtens, das Ralph Pütz, Professor und Spezialist für Nutzfahrzeugforschung und Abgasanalytik an der Hochschule Landshut, für die Stadtwerke Aschaffenburg verfasst hat. Darin schreibt Pütz unter anderem, dass die Gesamt-Ökologiebilanz eines batteriebetriebenen Elektrobusses deutlich schlechter sei als die eines dieselbetriebenen Busses mit Euro-6 Norm. Dazu muss man wissen: Pütz ging vom gesamtdeutschen Strommix (also inklusive Kern- und Kohlekraft) aus. Die Stadtwerke Konstanz nutzen aber ausschließlich Ökostrom, was die Ökobilanz von E-Bussen verbessert. Und: Pütz ist zwar ausgewiesener Experte auf dem Gebiet. Er ist aber auch ein großer Dieselbefürworter, gilt als industrienah und kandidierte schon mal für die CSU.
Ein anderes Beispiel dafür, wie unbarmherzig der Zeitgeist sein kann, ist die neue Autofähre, die ab Herbst 2020 zwischen Konstanz und Meersburg verkehren soll. Als 2016 der Entschluss fiel, die knapp 18 Millionen Euro teure Fähre mit verflüssigtem Erdgas (LNG, von engl.: liquefied natural gas) anzutreiben, konnten sich die Stadtwerke Konstanz noch als ökologische Vorreiter feiern lassen. Der Naturschutzbund Nabu lobte, die Treibhausgasbilanz von LNG sei im Vergleich zu Schweröl und Diesel besser. Drei Jahre später sind die Blicke skeptischer geworden. Umweltschützer warnen inzwischen, dass die Klimabilanz von LNG schlechter sein könnte als gedacht. Vor allem dann, wenn es über die umstrittene Fracking-Methode gewonnen werde. Problematisch zudem: Da es in Deutschland bislang keine Terminals für die Betankung mit LNG gibt, muss der Treibstoff aus Rotterdam mit einem Lastwagen angeliefert werden. Uli Burchardt sagt, er hätte gerne eine E-Fähre gebaut, "aber es gibt bislang keine Technologie, die leistungsfähig genug ist für unsere Autofähre".
Insgesamt will der Oberbürgermeister lieber auf Anreize als auf Verbote setzen. So sollen unter anderem Bus und Bahn besser koordiniert werden, und wer sein Auto abschafft, bekommt als Bonus eine Jahreskarte für den städtischen Bus. Die Frage ist nur: Reicht das aus, um die im Notstand formulierten Ziele zu erreichen?
Die Fridays vermissen eine Gesamtstrategie – und Mut
Manuel Oestringer hat da eine ziemlich klare Meinung: "Nein." Er studiert Chemie an der Universität Konstanz und engagiert sich in der Konstanzer Fridays-for-Future-Gruppe. "Unsere Bilanz zum Klimanotstand fällt eher durchwachsen aus", sagt der Aktivist. Woran es vor allem mangele, sei eine klare Gesamtstrategie und der Beschluss, dass die Stadt zu einem fixen Datum klimaneutral sein will. "Es fehlt der Mut und die Vision, entschiedene Schritte zu gehen", findet Oestringer.
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Jue.So Jürgen Sojka
am 22.01.2020Nun ist Ihre Feststellung auf all unsere Lebensbereiche anzuwenden, in denen "Politiker Innen" in Verantwortungspositionen für unsere Gesellschaft Entscheidungen treffen! Verpflichtet, so wie diese meinen,…