Erst einmal muss dringend nachgearbeitet werden im Fan-Club, den Günther Oettinger 2009 ins Leben rief. Denn der Verein Bahnprojekt Stuttgart-Ulm e.V. hat sich "in seiner Satzung zum Ziel gesetzt, die Einwohner des Landes Baden-Württemberg, der Region Stuttgart und der Landeshauptstadt Stuttgart aktiv und umfassend über das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm zu informieren, insbesondere mit Blick auf das für die Einwohner attraktive Nahverkehrsangebot und die bessere nationale und internationale Vernetzung von Stadt und Region". Schade eigentlich, dass die Historie auf der Homepage 2015 abrupt endet mit der Einigung auf die "Variante 'Drittes Gleis' am Flughafen" im März und dem Durchbruch des Steinbühltunnels im November.
Seither ist Fehlanzeige in Sachen aktive und umfassende Information. Kein Wort dazu, dass die Deutsche Bahn AG 2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht hat, um die damals eingeräumten Mehrkosten in Höhe von 1,461 Milliarden Euro unter den Projektpartnern aufzuteilen, was Stadt und Land bekanntlich bisher eisern verweigern. Kein Wort zur Erhöhung des Finanzierungsrahmens 2018 auf mittlerweile satte 8,2 Milliarden Euro oder zum heiklen Thema Unwirtschaftlichkeit. Und dass die öffentliche Hand ihre Beitragszahlungen vertragsgemäß Ende 2018 abgeschlossen hat, hat das geneigte Publikum bisher auch nicht erfahren, jedenfalls nicht vom Projektverein.
Offene Fragen zu Bauers Rolle bei Baumfällaktion
Dabei ist "S21 erleben", wie der Internetauftritt des Vereins inzwischen heißt, durchaus aktiv im Verbreiten von Botschaften. Anfang Januar beispielsweise nutzten 35 000 Interessierte den "Tag der offenen Baustelle" und wurden mit dieser triumphalen Nachricht beglückt, die sich angesichts des Ringens um eine klimaschonende Mobilitätswende ziemlich schräg ausnimmt: "!!Zahlen, Daten, Fakten!! Wusstet ihr, dass der gesamte Aushub des Bahnprojektes 40 Mio. Tonnen sind? Im Vergleich ist es eine komplette LKW Kette um die halbe Erde!" Ebenfalls offiziell ist immerhin, dass der oder die neue Vereinsvorsitzende "voraussichtlich in einer noch zu terminierenden Mitgliederversammlung gewählt werden soll", so der Pressesprecher David Bösinger. Eine Erklärung dafür, warum der Infoteil nicht fortgeschrieben ist, bleibt er schuldig: Der werde jetzt "aufgrund Ihres Hinweises aktualisiert", heißt es in einer schriftlichen Antwort. Und weiter: "Besten Dank dafür."
En gros und en détail gibt es also reichlich zu tun für den künftigen neuen Vorsitzenden, der, den vagen Pressesprecher-Äußerungen zum Trotz, voraussichtlich Bernhard Bauer heißt. Der war in der Regierungszeit von Stefan Mappus (CDU) mal Ministerialdirektor und Amtschef des von Tanja Gönner (CDU) geführten Umwelt- und Verkehrsministeriums, was ihn jetzt noch einmal in den Fokus rückt. Zwei Untersuchungsausschüsse haben sich bereits unter vielem anderen mit Bauers Rolle rund um den verheerenden Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten 30. September 2010 befasst (siehe <link https: www.kontextwochenzeitung.de dossiers stuttgarts-schwarzer-donnerstag.html _blank internal-link-new-window>Kontext-Dossier). Der erste noch Ende 2010 zu Zeiten von Schwarz-Gelb, der zweite nach dem Machtwechsel zu Grün-Rot. Bauers Auftritte sorgen noch Jahre später für Gesprächsstoff. "Es ging um widersprüchliche Aussagen zu der Frage, ob der Termin für den Polizeieinsatz vom 30.9.2010 durchgezogen wurde, weil wenige Tage danach eine Regierungserklärung von Stefan Mappus beabsichtigt war, sowie darum, warum es kein Protokoll einer entsprechenden Sitzung gab", so Dieter Reicherter erst im vergangenen Oktober bei einer Samstagsdemo. Konkret ging es unter anderem darum, ob Bauer ein Fax des Eisenbahnbundesamts (EBA), das Baumfällungen wegen Juchtenkäfer-Vorkommen untersagte, geflissentlich irgnoriert und den Polizeieinsatz damit erst möglich gemacht habe.
Wie ein Verdächtiger in einem zweitklassigen "Tatort"
"Diese Widersprüche", sagt der Richter a.D., "sind so auffallend gewesen, dass ich gegen den damaligen Amtschef Bernhard Bauer eine Strafanzeige wegen falscher uneidlicher Aussage erstattet habe. Allerdings wurde das Verfahren vom damaligen Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, einem Schulfreund Bauers, eingestellt." Das rief wiederum Häußler auf den Plan: "Reicherters Insinuation, mein Beitrag zur Beurteilung seiner Anzeige hänge damit zusammen, dass Herr Bauer und ich Schulfreunde gewesen seien, ist lächerlich, denn die Freundschaft beschränkte sich auf die nun bald 60 Jahre zurückliegende gemeinsame Grundschulzeit, danach brach mein Kontakt zu Herrn Bauer ab".
Der gebürtige Neckarsulmer Bauer, der wie seine frühere Chefin Tanja Gönner vergebens vor Gericht die Löschung einschlägiger Mails erstreiten wollte, verhielt sich jedenfalls wie ein dringend Verdächtiger in einem zweitklassigen "Tatort", als er im zweiten Ausschuss auf seine zurückhaltenden Aussagen im ersten angesprochen wurde. Im ersten sei halt keine Frage zur Regierungserklärung gekommen, zitiert ihn der Abschlussbericht. Und weiter: "Wer auch immer hätte ihn ja auch fragen können." Entweder sei das so wichtig, dann könne man befragen, aber er habe nichts dergleichen gehört.
2 Kommentare verfügbar
Waldemar Grytz
am 07.02.2019Gemeingefährlich was die Fragen der Sicherheit betrifft, gemeinschädlich in Sachen Verschleuderung von Steuermitteln und gemein, was die Verbreitung von Lügen über den Nutzen des Projekts für die Allgemeinheit betrifft.
Aber da wird sich beim Finanzamt doch eine Lösung finden…