KONTEXT:Wochenzeitung
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Böser Bube

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Bernhard Bauer hat einen Ruf zu verlieren: bei den einen als Verschleierer, bei den anderen als einer der wenigen vergleichsweise vernünftigen S-21-Befürworter. Beidem muss sich der ehemalige Amtschef in Tanja Gönners Verkehrsministerium stellen, wenn er in Bälde oberster Promoter des Tiefbahnhofs im Projektverein wird. Und ein paar gravierende Ungereimtheiten wären da auch noch.

Erst einmal muss dringend nachgearbeitet werden im Fan-Club, den Günther Oettinger 2009 ins Leben rief. Denn der Verein Bahnprojekt Stuttgart-Ulm e.V. hat sich "in seiner Satzung zum Ziel gesetzt, die Einwohner des Landes Baden-Württemberg, der Region Stuttgart und der Landeshauptstadt Stuttgart aktiv und umfassend über das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm zu informieren, insbesondere mit Blick auf das für die Einwohner attraktive Nahverkehrsangebot und die bessere nationale und internationale Vernetzung von Stadt und Region". Schade eigentlich, dass die Historie auf der Homepage 2015 abrupt endet mit der Einigung auf die "Variante 'Drittes Gleis' am Flughafen" im März und dem Durchbruch des Steinbühltunnels im November.

Seither ist Fehlanzeige in Sachen aktive und umfassende Information. Kein Wort dazu, dass die Deutsche Bahn AG 2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht hat, um die damals eingeräumten Mehrkosten in Höhe von 1,461 Milliarden Euro unter den Projektpartnern aufzuteilen, was Stadt und Land bekanntlich bisher eisern verweigern. Kein Wort zur Erhöhung des Finanzierungsrahmens 2018 auf mittlerweile satte 8,2 Milliarden Euro oder zum heiklen Thema Unwirtschaftlichkeit. Und dass die öffentliche Hand ihre Beitragszahlungen vertragsgemäß Ende 2018 abgeschlossen hat, hat das geneigte Publikum bisher auch nicht erfahren, jedenfalls nicht vom Projektverein.

Offene Fragen zu Bauers Rolle bei Baumfällaktion

Dabei ist "S21 erleben", wie der Internetauftritt des Vereins inzwischen heißt, durchaus aktiv im Verbreiten von Botschaften. Anfang Januar beispielsweise nutzten 35 000 Interessierte den "Tag der offenen Baustelle" und wurden mit dieser triumphalen Nachricht beglückt, die sich angesichts des Ringens um eine klimaschonende Mobilitätswende ziemlich schräg ausnimmt: "!!Zahlen, Daten, Fakten!! Wusstet ihr, dass der gesamte Aushub des Bahnprojektes 40 Mio. Tonnen sind? Im Vergleich ist es eine komplette LKW Kette um die halbe Erde!" Ebenfalls offiziell ist immerhin, dass der oder die neue Vereinsvorsitzende "voraussichtlich in einer noch zu terminierenden Mitgliederversammlung gewählt werden soll", so der Pressesprecher David Bösinger. Eine Erklärung dafür, warum der Infoteil nicht fortgeschrieben ist, bleibt er schuldig: Der werde jetzt "aufgrund Ihres Hinweises aktualisiert", heißt es in einer schriftlichen Antwort. Und weiter: "Besten Dank dafür."

En gros und en détail gibt es also reichlich zu tun für den künftigen neuen Vorsitzenden, der, den vagen Pressesprecher-Äußerungen zum Trotz, voraussichtlich Bernhard Bauer heißt. Der war in der Regierungszeit von Stefan Mappus (CDU) mal Ministerialdirektor und Amtschef des von Tanja Gönner (CDU) geführten Umwelt- und Verkehrsministeriums, was ihn jetzt noch einmal in den Fokus rückt. Zwei Untersuchungsausschüsse haben sich bereits unter vielem anderen mit Bauers Rolle rund um den verheerenden Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten 30. September 2010 befasst (siehe <link https: www.kontextwochenzeitung.de dossiers stuttgarts-schwarzer-donnerstag.html _blank internal-link-new-window>Kontext-Dossier). Der erste noch Ende 2010 zu Zeiten von Schwarz-Gelb, der zweite nach dem Machtwechsel zu Grün-Rot. Bauers Auftritte sorgen noch Jahre später für Gesprächsstoff. "Es ging um widersprüchliche Aussagen zu der Frage, ob der Termin für den Polizeieinsatz vom 30.9.2010 durchgezogen wurde, weil wenige Tage danach eine Regierungserklärung von Stefan Mappus beabsichtigt war, sowie darum, warum es kein Protokoll einer entsprechenden Sitzung gab", so Dieter Reicherter erst im vergangenen Oktober bei einer Samstagsdemo. Konkret ging es unter anderem darum, ob Bauer ein Fax des Eisenbahnbundesamts (EBA), das Baumfällungen wegen Juchtenkäfer-Vorkommen untersagte, geflissentlich irgnoriert und den Polizeieinsatz damit erst möglich gemacht habe.

Wie ein Verdächtiger in einem zweitklassigen "Tatort"

"Diese Widersprüche", sagt der Richter a.D., "sind so auffallend gewesen, dass ich gegen den damaligen Amtschef Bernhard Bauer eine Strafanzeige wegen falscher uneidlicher Aussage erstattet habe. Allerdings wurde das Verfahren vom damaligen Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, einem Schulfreund Bauers, eingestellt." Das rief wiederum Häußler auf den Plan: "Reicherters Insinuation, mein Beitrag zur Beurteilung seiner Anzeige hänge damit zusammen, dass Herr Bauer und ich Schulfreunde gewesen seien, ist lächerlich, denn die Freundschaft beschränkte sich auf die nun bald 60 Jahre zurückliegende gemeinsame Grundschulzeit, danach brach mein Kontakt zu Herrn Bauer ab". 

Der gebürtige Neckarsulmer Bauer, der wie seine frühere Chefin Tanja Gönner vergebens vor Gericht die Löschung einschlägiger Mails erstreiten wollte, verhielt sich jedenfalls wie ein dringend Verdächtiger in einem zweitklassigen "Tatort", als er im zweiten Ausschuss auf seine zurückhaltenden Aussagen im ersten angesprochen wurde. Im ersten sei halt keine Frage zur Regierungserklärung gekommen, zitiert ihn der Abschlussbericht. Und weiter: "Wer auch immer hätte ihn ja auch fragen können." Entweder sei das so wichtig, dann könne man befragen, aber er habe nichts dergleichen gehört.

Selbstbewusst hatte Bauers vermutlich künftiger Vorgänger Georg Brunnhuber bei seinem Amtsantritt eine Stellenbeschreibung vorgenommen, wonach der Vereinsvorsitzende ein "ehrlicher Makler" unter den Projektpartner sein solle. Um dieses Ziel zu erreichen, täte Bauer gut daran, sich noch einmal offenen Fragen zu stellen. Nicht nur mit Blick auf den Polizeieinsatz, sondern rund um die so hochumstrittene Fällung der ersten Bäume. Ebenfalls im zweiten Untersuchungsausschuss hatte er dargelegt, dass das Umwelt- und Verkehrsministerin durch das Regierungspräsidium über einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Stuttgart informiert worden sei, "weil die Bahn Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt" habe. Darüber habe er selbst sich "fürchterlich aufgeregt". Bertold Frieß, damals Landesgeschäftsführer beim BUND, heute Landtagsdirektor, urteilte drei Tage später hart: "Ich bin der Meinung, und ich habe es auch mit dem Rechtsanwalt gegengecheckt, dass die Baumfällaktion illegal war."

Da waren die Bäume weg. Nicht zuletzt, weil der aufgeregte Amtschef im Umwelt- und Verkehrsministerium sich leicht und schnell wieder beruhigen ließ – ebenfalls nach eigenen Angaben. Er habe im zuständigen Referat angefragt, was dort laufe, und erfahren, es sei schon jemand von der Bahn mit einem Juristen beim Eisenbahnbundesamt (EBA); die würden mit dem EBA reden; dort habe es einen Kontakt unmittelbar an das Verwaltungsgericht gegeben. Und weiter: "Das Ergebnis war, dass er dann, er glaube, am Abend um 20.00 Uhr oder so, was gehört habe wie 'Ja, das Eisenbahn-Bundesamt ist damit einverstanden, dass man die Bäume fälle'. Es müsse nur sichergestellt werden, dass dort, wo dann möglicherweise der Juchtenkäfer ist, gesichert werde, und entsprechend dann auch vorbereitet sei für eine Aufzucht."

Der Vereinszweck liest sich erhebend

Dieter Reicherter hat diese Darstellung keine Ruhe gelassen. Noch einmal spielt Mappus' Regierungserklärung am 6. Oktober 2010 eine Rolle, mit der er seinen Landeskindern Vollzug melden wollte mit Hinweis auf gefällte Bäume und andere inzwischen geschaffene Fakten. Unvergessen eine der Gönner-Mails an Mappus , die, wäre es nach der Ministerin und ihrem Amtschef Bauer gegangen, nie das Licht der Welt erblickt hätte: "Ziel ist, dass bis zu deiner Regierungserklärung alles mit den Bäumen erledigt ist." Reicherter klagte auf Akteneinsicht, mit Erfolg, so dass einige Preziosen zutage kamen. Zum Beispiel die Meldung im Einsatzprotokoll der Polizei kurz vor Mitternacht, dass die Bäume nach Rücksprache mit Ministerialdirigent (der Name ist geschwärzt, vieles mehr aber nicht), "definitiv" gefällt werden dürfen. Und dass es sich beim angeblich verhängten Verbot nur um ein Gerücht handele. BIs heute können sich viele Stuttgart-21-GegnerInnen nicht abfinden mit diesen Vorgängen. Bauer sei einfach "ein böser Bube", urteilt einer. Oder zumindest allemal bereit, Störendes auszublenden, wie auch die so genannte S-21-Schlichtung im Oktober und November 2010 bewiesen habe.

Dort, bei Heiner Geißlers Faktencheck, zeigte Bauer, dass er ganz schön ungnädig werden kann, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Unvergessen, wie er Boris Palmer anging, als der nichts anderes tat, als die waghalsigen Kapazitätsberechnungen der Bahn zu widerlegen: "Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Herr Palmer an sich selbst berauscht." Zugleich war Bauer, beigezogen als CDU-Experte, 2016 eine der Stützen in den ohnehin höchst schwierigen grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen zum Thema Stuttgart 21. Festgeklopft wurde dann immerhin: "Wir werden die Interessen des Landes im Vertragsrahmen bestmöglich wahren". Dabei halte das Land "in den Sprechklauselgesprächen am Ziel fest, dass über die im Vertrag genannten Kostenanteile in Höhe von 930,6 Millionen Euro hinaus von Seiten des Landes keine Zahlungen zu leisten sind".

Im Verein selbst hat die öffentliche Hand ihr Engagement sogar zurückgefahren: Anstelle der Millionen, die CDU und FDP einst pro Jahr locker machten, rückt die heutige Landesregierung gerade noch 300 000 Euro heraus. Als Träger fungieren laut Projekt-Homepage weiterhin die DB, die DB Netz AG, die DB Station & Service, das Land, die Stadt und der Verband Region Stuttgart als stimmberechtigte Mitglieder. (Die Folge übrigens: Sind sich die drei politischen Akteure einig, kommen die drei Vertreter der Bahn bestenfalls auf ein Remis.) Hinzu kommen die Flughafen Stuttgart GmbH und die Stadt Ulm als Fördermitglieder.

Der Vereinszweck liest sich nach wie vor erhebend: Versprochen wird ein Forum "für eine breite Beteiligung der Bürger an der Entwicklung des Projektes" und "das Bürgerschaftliche Engagement" zu fördern, und zwar speziell "durch umfassende Informationen und eine transparente Kommunikation sowie in Form von Veranstaltungen und durch den Einsatz moderner Kommunikationsmedien". Bekanntlich ist ein Zweck und seine Erfüllung von entscheidender Bedeutung für die Anerkennung eines Vereins durch Registergericht und Finanzamt wegen Gemeinnützigkeit.


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2 Kommentare verfügbar

  • Waldemar Grytz
    am 07.02.2019
    Antworten
    Gemeinnützig?
    Gemeingefährlich was die Fragen der Sicherheit betrifft, gemeinschädlich in Sachen Verschleuderung von Steuermitteln und gemein, was die Verbreitung von Lügen über den Nutzen des Projekts für die Allgemeinheit betrifft.
    Aber da wird sich beim Finanzamt doch eine Lösung finden…
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