30. September 2010, jener Tag, der längst als der Schwarze Donnerstag in die Stadtgeschichte Stuttgarts eingegangen ist. Beide Bernhards sind in Amt und Würden, beide spielen fragwürdige Rollen in einem Stück, für das der Stuttgarter Schlossgarten die Bühne gibt. Oberstaatsanwalt Häußler als derjenige vorgesetzte Ermittler, der den ganzen Tag an der Seite des Polizeiführers verbringt, falls "strafprozessuale Maßnahmen" zu treffen sind. Ministerialdirektor Bauer als Amtschef im damaligen Doppelministerium für Umweltschutz und Verkehr, dem als Ministerin Tanja Gönner (CDU) vorsteht. Die Räumung des Parks und das Abholzen der Bäume, damit die Bahn Stuttgart 21 bauen kann, hat mit beidem zu tun: mit Umweltschutz und mit Verkehr.
Bauer ignoriert das Baumfällverbot
Und Bauer, als junger Mann Torwart beim Handball-Bundesligisten Frisch Auf Göppingen, hält auch an diesem Abend den Laden dicht: Er wird das dem Ministerium zugestellte Baumfällverbot des Eisenbahn-Bundesamts ignorieren, er wird diesen Umstand – der Polizei und anderen Nachfragern gegenüber – wider besseres Wissen als "Gerücht" bezeichnen. Und so dafür sorgen, dass in der Nacht widerrechtlich abgeholzt werden kann.
Häußlers Tagwerk auf dem Rücksitz des Dienstwagens von Stuttgarts damaligem Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf ist bekannt und hinreichend beschrieben. Auch dass mit dem Führungsfahrzeug abends, als im Park das Gröbste aufs Gröbste erledigt ist, noch ein paar Umwege gefahren werden, um weitere Passagiere einzuladen, ist nichts Neues: Im Innenministerium holen Stumpf und Häußler den Inspekteur der Polizei, Dieter Schneider, ab, im Verkehrsministerium Bernhard Bauer. Der ist ein glühender Verfechter von Stuttgart 21 und will unbedingt persönlich erleben, wie die ersten Bäume im Park fallen. Aber lieber bitte unter Polizeischutz.
Für so was hat Siegfried Stumpf Verständnis. Und es kann ja nicht schaden, einem Spitzenbeamten mit dem richtigen Parteibuch einen Gefallen zu tun. Als Bauer zusteigt ins Führungsfahrzeug, ein umgebauter Mercedes-Van, sind die beiden Bernhards wiedervereint: Nach Jahrzehnten begegnen sich die einstigen Nebensitzer wieder. Die Gaudi ist gleich eine große und nicht erst, als Stunden später 300 Jahre alte Bäume umgesägt werden.
So sprudelt es jetzt, mehr als vier Jahre danach, vor dem Untersuchungsausschuss aus Bernhard Häußler heraus. Man habe sich "intensiv unterhalten", Jugenderinnerungen ausgetauscht und zusammen auf ein erfülltes Berufsleben zurückgeblickt. Allen Ernstes gibt Häußler gar zum Besten, dass Stumpf ob all der Wiedersehensfreude irgendwann festgestellt habe: Dann habe sich dieser Tag ja doch noch gelohnt.
Häußler "ermittelt" gegen Bauer ...
Das hat er, für Bauer. Denn am 4. März 2011 geht bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Anzeige ein, gerichtet gegen Stefan Mappus und Bernhard Bauer, wegen "verschiedener Straftaten im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss". Anzeigeerstatter: Dieter Reicherter. Der hat, damals als interessierter Bürger, auch den ersten U-Ausschuss des Landtags zum Polizeieinsatz im Schlossgarten aufmerksam verfolgt. Und ihm sind Widersprüche aufgefallen in den Aussagen zahlreicher prominenter Zeugen.
So heißt es in der Anzeige unter 1. "Komplex des Verdachts uneidlicher Falschaussagen des Herrn Ministerpräsidenten Stefan Mappus und des Herrn Ministerialdirektors Bernhard Bauer": "Hier ging es bei den Vernehmungen um die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen den Terminen der Baumfällung und der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten bestand". Ministerpräsident Mappus habe als Zeuge ausgesagt, die Baumfällaktion habe "mit Blick auf die Regierungserklärung keinerlei Rolle gespielt".
Und Amtschef Bauer vom Umwelt- und Verkehrsministerium habe dieses Thema in seiner Zeugenaussage mit keinem Wort erwähnt – was in nicht öffentlicher Sitzung immerhin eine Debatte über die rechtlichen Anforderungen an eine wahrheitsgemäße Zeugenaussage nach sich gezogen habe. Demgegenüber hätten sechs Zeugen bekundet, dass die Regierungserklärung sehr wohl eine Rolle bei der Terminplanung gespielt habe, darunter Polizeipräsident Stumpf, Landespolizeipräsident Hammann und Inspekteur der Polizei Schneider. Demnach – so das Fazit der Strafanzeige – "besteht hinsichtlich der Zeugen Mappus und Bauer der Verdacht der uneidlichen Falschaussage".
Und unter 2. heißt es in der Anzeige: "Komplex des Verdachts der falschen uneidlichen Aussage des Zeugen Bauer oder der Zeugin Sch.": "Diese beiden Zeugen wurden zur Frage der angeblich verschwundenen Protokolle zweier Besprechungen vernommen. Der Amtschef des federführenden Umweltministeriums, Ministerialdirektor Bauer, sagte aus, man habe aus Angst vor Indiskretionen bewusst auf Protokolle dieser beiden Sitzungen verzichtet. Demgegenüber bekundete die Zeugin Sch. auf die Frage des Abgeordneten Müller, warum sie für diese beiden Termine kein Protokoll gefertigt habe: 'Es ist mir etwas peinlich, Herr Müller, aber ich bin einfach nicht mehr dazu gekommen, zu den Protokollen, weil bei uns der Teufel los war im Referat. Ich habe sie deswegen nicht gemacht.' Da beide Erklärungen in einem nicht auflösbaren Widerspruch stehen, muss zwangsläufig eine Aussage falsch sein."
... und entdeckt keinen Tatverdacht
Die Anzeige landet auf dem Schreibtisch von – Bernhard Häußler. Der hätte, nach seinem damaligen und unserem heutigem Wissen, um den Anschein der Befangenheit gar nicht erst zu erwecken, das Verfahren gegen seinen Schulfreund Bauer nicht selber bearbeiten dürfen. Er tut es trotzdem und kann – wie so oft, wenn es nicht gegen Demonstranten geht – mit Verfügung vom 20. Oktober 2011 "keinen Tatverdacht" entdecken.
11 Kommentare verfügbar
Klaus Neumann
am 27.02.2015"Demgegenüber bekundete die Zeugin Sch. auf die Frage des Abgeordneten Müller, warum sie für diese beiden Termine kein Protokoll gefertigt habe: 'Es ist mir etwas peinlich, Herr Müller, aber ich bin einfach nicht mehr dazu gekommen, zu den Protokollen, weil bei uns der Teufel los war im…