KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Für Rasse und Nation

Für Rasse und Nation
|

Datum:

Von Schwäbisch Hall aus treibt ein Ku-Klux-Klan-Ableger sein Unwesen, der – offiziell – bisher nicht bekannt war. Sein Europachef präsentierte als Zeuge im NSU-Ausschuss sein krudes Weltbild.

Donald Trump hätte gewiss seine rechte Freude an Dietmar Braunfels. Der 49-Jährige ist von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt. Und er bezeichnet sich als "Supreme Grand Dragon", als oberster Chef im europäischen Ableger der "United Northern and Southern Knights of the Ku Klux Klan" (UNSKKKK). Eine "kuriose Figur" wird ihn der Heilbronner FDP-Landtagsabgeordnete Nico Weinmann, Obmann seiner Fraktion im Untersuchungsausschuss zum "Nationalsozialistischen Untergrund", später nennen. Das ist eine Schönfärberei.

Denn der UNSKKKK ist weit mehr als eine Riege schrulliger Zeitgenossen. Frauen gibt es nicht, Kutten sind Pflicht, und verfolgt wird eine Ideologie der "Selbsterhaltung und Weiterentwicklung des weißen christlichen Amerika". In einem Flugblatt aus dem Jahr 2009 heißt es: "Uns läuft die Zeit davon! Du wirst feststellen, dass wir die einzigen sind, die für unsere Weiße Rasse kämpfen. Alle anderen Rassen haben Gruppierungen, die für sie einstehen, aber Weiße haben nichts; und wenn Du für Deinesgleichen eintrittst, wirst Du ein 'böser Rassist' genannt. Das ist die traurige Wahrheit." Obama sei es möglich, "die Freiheit der US-Amerikaner immer weiter einzudämmen", und der Klan werde "auf Gedeih und Verderben in ein schlechtes Licht gerückt".

Die Überlegenheit der "weißen Rasse" heißt für Braunfels angeblich "nicht, dass die anderen Rassen schlechter sind". Jede Rasse habe ihre Vertretung, sagt er im Zeugenstand, und "dulden nur Ihresgleichen". 99 Prozent der Interessenten an der Mitarbeit im UNSKKKK würden abgelehnt – wegen ihrer rechtsradikalen Gesinnung. Überhaupt sei der Klan in der Szene "nicht sonderlich beliebt, weil viele Rechte ein Problem mit dem christlichen Glauben haben".

"Verwalter" im Bordell – im T-Shirt mit SS-Runen

Im Ausschuss trägt der auch als "Didi White" bekannte Klan-Bruder, der einen täglichen E-Mail-Kontakt nach Amerika pflegt, ein Bodybuilder-T-Shirt. In einem Backnanger Bordell, in dem er als "Verwalter" arbeitete – unter anderem, um die Mieten von den Prostituierten zu kassieren – trug er ein T-Shirt mit SS-Runen und Hakenkreuz. Ein Freier zeigte ihn 2009 an. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei eine Militaria-Sammlung aus dem Dritten Reich, einen SS-Totenkopf-Ring inklusive. Das sei doch "ein Teil der deutschen Geschichte", erwidert er auf die immer unwirscher werdenden Nachfragen des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD). Er habe "die Symbolik interessant gefunden". Nicht jeder, der solche Dinge kaufe oder verkaufe, sei ein Nazi. Drexler: "Das meinen Sie!"

Einer der Wahl-Sprüche des UNSKKKK heißt "Für Gott und Familie, für Rasse und Nation". In vielen amerikanischen Bundesstaaten sind die Klan-Aktivisten unterwegs, auch in Virginia, wo sie "mehr Macht und Einfluss als zu fast jeder anderen Zeit in der Geschichte" hätten, heißt es in einer aktuellen Selbstdarstellung. Mitte August wurde rund um eine Demonstration des Ku Klux Klan in Charlottesville eine Frau getötet, der Mann im Weißen Haus konnte sich zu einer Verurteilung der rassistischen Umtriebe nicht durchringen. Und der Klan selbst hat ohnehin eine ganz besondere Sicht auf die Dinge: Jeden Tag, heißt es, hätten "unsere Brüder und Schwestern in den USA damit zu kämpfen, den Verunglimpfungen Einhalt zu gebieten und die wahren Werte des Ku Klux Klan zu vertreten". Braunfels berichtet von seinem farbigen Neffen, und dass ein Nachbarkind in Schwäbisch-Hall-Gaienhofen nicht mit ihm spielen durfte. Seitdem habe er gewusst, dass ein weiterer KKK-Chef in unmittelbarer Nähe wohnte, gekannt habe er ihn aber nicht.

Die Abgeordneten, die schon im ersten Ausschuss aktiv waren, kennen ihn sehr wohl. Achim Schmid war Chef einer Gruppe, die sich "European White Knights of the Ku Klux Klan" (EWK) nannte. Zwei Polizisten waren dort vorübergehend Mitglieder, einer von ihnen wurde später der Chef von Michèle Kiesewetter. Beide sind verbeamtet und bis heute im Dienst, weil alle Fristen für ein disziplinarrechtliches Vorgehen verstrichen sind. Unter anderem durch den heutigen Stuttgarter Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU), der den Akt erst einmal acht Monate liegen ließ, so dass beide Beamte mit einer Missbilligung davonkamen. Im Juli 2015 konnte er sich im Ausschuss nur schlecht erinnern und reichte die Verantwortung aus seiner Zeit als Stuttgarter Polizeipräsident nach unten weiter: In einer Behörde mit 3000 Mitarbeitern müssten die Dinge eben "vorbereitet werden".

Der Suff muss für die skandalösen Umtriebe herhalten

Der Abgeordnete Weinmann meint in seinem Resümee des 14. Sitzungstages, dass ein baden-württembergisches Unternetzwerk des NSU im Sinne des Untersuchungsauftrags auch weiterhin nicht erkennbar sei. Klar zu sehen ist aber ein skandalöser Umgang mit rechtsextremistischen Tendenzen. Braunfels kam 2009 mit einem Strafbefehl über 650 Euro davon. Von den weiteren und bis in die Gegenwart reichenden Aktivitäten ist amtlich gar nichts bekannt. Bis zum Montag hieß es, es gebe seit 2003 keine einschlägigen Verkommnisse mehr im Land. Die Abgeordneten im NSU-Ausschuss wissen allerdings um den Stellenwert solcher Auskünfte, wenn ermittelnde Behörden sogar das Posieren vor Hakenkreuz-Fahnen als Ausrutscher im Suff darstellen. Drexler quittierte entsprechende Aussagen damals im ersten Ausschuss mit einem herzhaften: "Selbst wenn ich sechs Flaschen Wodka saufen würde, käme ich nicht auf diese Idee."

Am vergangenen Montag platzte dem Vorsitzenden erneut der Kragen, als Holger Wied, noch ein Zeuge mit KKK-Vergangenheit, seinen schräg hochgehobenen, ausgestreckten rechten Arm ebenfalls mit Alkohol erklärt: "Sie können uns doch hier nicht verarschen!". Wied will als Gitarrist nichts zu tun gehabt haben mit den Texten seiner Band "Triebtäter", denn er habe die ja nicht gesungen. Dass er in der NPD war, ist ihm entfallen. Erinnern kann er sich immerhin, wie er mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zusammentraf, bei einem Gelage 1997 in Jena-Winzerla: "Wir haben Party gemacht, uns weggesoffen."

Die Gegend ist bestens bekannt in rechten Kreisen. In einem nahen Waldstück waren im Sommer 1995 zwischen 20 und 30 Rechte zu einer "Kreuzerleuchtung", einem zentralen KKK-Ritual, zusammengekommen, Zschäpe und Böhnhardt mit dabei. Erstere hatte fotografiert. Die Bilder wurden kurz später bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung gefunden. Es sei "reiner Zufall", sagt sie danach bei einer polizeilichen Vernehmung, dass Personen beim Hitlergruß aufgenommen wurden. Im folgenden Verfahren war Zschäpe lediglich Zeugin. Mit einer Begründung, die in die unsäglich lange Reihe der Verharmlosungen durch Ermittlungsbehörden passt: "Vermutlich", hieß es, sei sie auf den Fotos nicht beim Zeigen des Hitlergrußes zu erkennen gewesen.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


3 Kommentare verfügbar

  • Andromeda Müller
    am 14.10.2017
    Antworten
    Auch der Fall HRE , Funke , Fellner uvm. , der Buchtitel von Kontext:de "Politische Justiz in unserem Lande" und der tiefe Staat lassen grüßen.
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!