Wir sitzen Ende Oktober letzten Jahres in der Gorbatschow-Stiftung in Moskau und legen letzte Hand an unser gemeinsames Buch. Draußen fällt erster Schnee. Das frostige Wetter passt gut zum derzeitigen Klima zwischen Russland und dem Westen. Doch Michail Gorbatschow spricht auch jetzt unerschütterlich von "möglicher Versöhnung" und erinnert daran, dass selbst im Kalten Krieg vor 30 Jahren Versöhnung und Abrüstung durch gegenseitiges Vertrauen möglich wurden. Auch Präsident Putin, so Gorbatschow, habe am Vorabend im russischen Fernsehen von Versöhnung gesprochen.
Auf meinen Einwand, dass zwischen Putins Worten und Taten oft Widersprüche lägen, meint er: "Warten wir ab. Wir brauchen Geduld. Das erwarte ich von beiden Seiten. Zurzeit machen alle Fehler. Ich sehe noch immer die Gefahr eines Atomkriegs, solange die letzte Atombombe nicht abgeschafft ist. Ein solcher Krieg wäre der letzte in der Menschheitsgeschichte. Danach gäbe es niemanden mehr, der noch Krieg führen könnte."
Ich bin überzeugt, dass heute diese Stimme der Versöhnung und der Vernunft ebenso wichtig ist wie im vergangenen Jahrhundert, als die Welt am Rande des atomaren Abgrunds stand. Deshalb unser Buch mit der Stimme des großen Politikers. Als ich nach Moskau flog, las ich in westlichen Zeitungen entsetzte Kommentare über russische Bomben in Syrien. In Moskauer Zeitungen kurz danach ähnliches Entsetzen über westliche Bomben in Nahost. Gibt es gute Bomben und schlechte Bomben? Gute Bomben von uns und böse Bomben der anderen?
"Nie wieder Krieg! Frieden ist möglich"
Ich erfahre bei diesem Besuch auch, dass Gorbatschow die "Nowaja Gazeta", eine der wenigen unabhängigen Zeitungen in Russland, mitgegründet und über Jahre finanziell unterstützt hat. Er ist bis heute ihr Aktionär. Seit dem Jahr 2000 sind fünf Journalisten dieser Zeitung – unter ihnen auch die prominenteste russische Journalistin Anna Politkowskaja – ermordet und mehrere weitere Kollegen schwer verletzt worden. Das Blatt war die einzig russische Zeitung, welche ein Jahr lang aufklärerisch über die Panama-Papers mit recherchiert hat – gar nicht zur Freude der russischen Machthaber.
In diesen Zeiten neuer Feindbilder brauchen wir überlebensnotwendig vermittelnde und versöhnende Stimmen wie die des 85-jährigen erfahrenen und mutigen Realisten Michail Gorbatschow. Er hält konsequent an seiner Devise fest: "Nie wieder Krieg! Frieden ist möglich. Immer. Das ist eine Frage der Vernunft und der Lebens-Intelligenz."
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Peter S.
am 19.01.2017