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Rechtsrutsch im Messegeschäft

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Die Landesmesse Stuttgart peilt in diesem Jahr ein Rekordergebnis an. Kleiner Schönheitsfehler dabei: Umsatz bringen auch Gastveranstaltungen der rechtspopulistischen AfD und des umstrittenen Kopp-Verlags.

Ulrich Kromer war zum Jubeln zumute: 2015 erzielte die Stuttgarter Landesmesse ihr "erfolgreichstes ungerades Geschäftsjahr in der Unternehmensgeschichte", verkündete der Messe-Geschäftsführer stolz Mitte Januar während eines Pressetermins. Überraschend erwirtschaftete die Ausstellungswelt auf den Fildern im vergangenen Jahr einen Gesamtertrag von 115 Millionen Euro. Überraschend deshalb, weil in ungeraden Geschäftsjahren üblicherweise weniger Messen und Kongresse stattfinden.

Das Wachstum soll auch 2016 weitergehen. Neue Messen sollen für noch mehr Besucher sorgen. So wird heuer zum ersten Mal der deutsche Ableger der amerikanischen Comic-Messe "Comic Con" in Stuttgart stattfinden. Eine Premiere deutet sich auch in anderer Hinsicht an: Erstmals Geld in die Kassen spülen sollen auch rechtspopulistische Veranstaltungen. Die Messegesellschaft, an der das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart je hälftig Anteile halten, hat Mietverträge mit der Alternative für Deutschland (AfD) und dem Rottenburger Kopp-Verlag abgeschlossen.

Vom 30. April bis 1. Mai will die vermeintliche Alternativpartei ihren Bundesparteitag im Tagungszentrum (ICS) der Landesmesse abhalten. Rund 2500 Teilnehmer sind anvisiert, die sich ein erstes Grundsatzprogramm geben wollen. Wegen des erwartbaren Andrangs wollen die Organisatoren neben angemeldeten Parteimitgliedern nur Förderern Einlass gewähren. Gewöhnliche Parteitagsgäste müssen leider draußen bleiben.

Am 1. und 2. Oktober dann lädt der für seine rechts- und verschwörungslastigen Publikationen bekannte Kopp-Verlag ins ICS. Der Rottenburger Verlag rechnet mit 3000 Teilnehmern, die einen Gesundheitskongress mit internationalen Referenten besuchen wollen.

AfD-Gastspiel lässt die Messekasse klingeln

Mit "Willkommen mitten im Markt" begrüßte die Stuttgarter Landesmesse im vergangenen Jahr mehr als eine Million einheimische und ausländische Besucher. Passt der Slogan noch, wenn eine Partei, deren führende Köpfe den Schusswaffengebrauch an Grenzen auf Flüchtende propagieren, im schmucken Tagungszentrum zu Gast ist? "Wir müssen an zugelassene Parteien vermieten. Aus politischen Gründen eine Vermietung auszuschließen, wäre rechtswidrig", betont Messesprecher Markus Vogt. Anders als private Vermieter könne die in öffentlichem Besitz befindliche Messegesellschaft nicht frei entscheiden, wem sie Räumlichkeiten zur Verfügung stellt und wem nicht. Für die Landesmesse lohnt sich das AfD-Gastspiel zumindest finanziell. Einen hohen fünfstelligen Betrag soll die AfD-Bundespartei nach Stuttgart überweisen.

Auch im Fall Kopp-Verlag wiegelt der Messesprecher ab. "Es gibt für uns keine Gründe, dem Verlag die Räume nicht zu vermieten", sagt Vogt; "ob uns Autoren, Titel oder Thesen aus dem Verlagsprogramm passen, darf keine Entscheidungsgrundlage für unser Mietgeschäft sein."

Anders als die Aussagen des Sprechers suggerieren, sorgten die Gastveranstaltungen hinter den Kulissen für erhebliche Aufregung. Vor allem während der jüngsten Aufsichtsratssitzung provozierten die Vertragsabschlüsse zusätzlichen Diskussionsbedarf. Dem Vernehmen nach konnten die Messegeschäftsführer das Kontrollgremium noch relativ schnell davon überzeugen, gegen die Mietabsicht der AfD juristisch auf verlorenem Posten zu stehen. Schließlich verwehrt das Parteiengesetz explizit die Benachteiligung oder Diskriminierung zugelassener politischer Parteien.

Anders verlief demnach die Diskussion in der Mietsache Kopp-Verlag. Einzelne Aufsichtsräte mussten erst die hochbezahlten Geschäftsführer Ulrich Kromer und Roland Bleinroth aufklären, an wen sie das Tagungszentrum überhaupt vermieten. "Die hatten keine Ahnung, dass dieser Verlag sein Geld mit rechtspopulistischer und verschwörungstheoretischer Literatur macht", heißt es aus Teilnehmerkreisen. An dem bereits unterzeichneten Mietvertrag hielten Kromer und Bleinroth trotz Bedenken weiter fest.

Protest gegen rechtspopulistische Veranstaltungen formiert sich

Inzwischen deutet sich an, dass die Veranstaltungen nicht reibungslos über die Bühne gehen könnten. Unter dem Motto "Den Brandstiftern einheizen!" rufen verschiedene linke Gruppen dazu auf, die "rassistische Zusammenkunft" der AfD am 30. April in Stuttgart zu verhindern. Bundesweit wollen Demonstranten anreisen, um den Zugang zum Tagungszentrum "mit allen gebotenen Mitteln" zu blockieren. "Dass wir es uns nicht gefallen lassen, wenn rechte Möchtegern-Rebellen, Rassisten, Sexisten und Verfechter weiterer Verschärfung der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse in Stuttgart tagen und ihr menschenverachtendes Programm beschließen, liegt auf der Hand", heißt es etwa <link http: linksunten.indymedia.org external-link-new-window>auf dem Portal Indymedia. Den 1. Mai wollen die Protestierer als "Kampftag der Arbeiter" zu klassenkämpferischen Aktionen nutzen.

Auch die Landesmesse rechnet offenbar mit Protest. "Der Veranstalter [AfD] erstellt ein Sicherheitskonzept, Polizei und Bürger- und Ordnungsamt Leinfelden-Echterdingen sind ebenfalls involviert", sagt Messesprecher Vogt.

Zu Protesten hatten linke Gruppen auch schon bei früherer Gelegenheit gegen den Kopp-Verlag aufgerufen. Etwa als dieser im Februar 2012 zu einer Veranstaltung in die städtische Filderhalle im benachbarten Leinfelden einlud. Damals stand nicht die Gesundheit im Fokus. Unter der Moderation der ehemaligen Tagesschau-Moderatorin Eva Hermann sahen die größtenteils dem rechtspopulistischen Spektrum zugeordneten Referenten wie Udo Ulfkotte "Europa vor dem Crash". Wegen der rechtslastigen Ausrichtung des Kopp-Verlags hatte Leinfelden-Echterdingens Oberbürgermeister Roland Klenk die Mietverträge zunächst stornieren wollen, änderte später nach einem Gespräch mit Verlagschef Jochen Kopp aber seine Meinung.

"Bei einer umstrittenen Veranstaltung des Kopp-Verlages kommt es zu Rangeleien zwischen der Polizei und Demonstranten der linken Szene", dokumentiert die Stadtchronik von Leinfelden-Echterdingen die damaligen Ereignisse. Kritische Berichte über die Veranstaltung beantwortete der Kopp-Verlag mit einem offenen Protestbrief an die "Stuttgarter Zeitung" (StZ), in dem man sich über eine "einseitige mediale Berichterstattung" beschwerte, die Redner, Moderatorin und Gäste des Kongresses als "mutmaßliche Rechtsextremisten und Rechtspopulisten diffamierte". Einschlägige Internetportale verschmähten den StZ-Reporter parallel dazu als "schwäbischen Schreiberling".


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6 Kommentare verfügbar

  • caesar von+struwe
    am 08.04.2016
    Antworten
    ...und so lange Großhallen noch "H.-M.-Schleyer"-Hallen heißen....

    Fragt die Hinterbliebenen der Opfer seiner NS-Karriere in Tschechien.

    Graben wir Bernt Engelmanns Buch über den großen Führer der deutschen Industrie, der leider ermordet wurde, wieder aus und stellen uns täglich unserer…
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