Gleich am nächsten Tag übten die sachkundigen Bürger im Kulturausschuss heftig Kritik: Von den 1,31 Millionen Euro, die Eisenmann veranschlagt hatte, blieben in Kuhns Entwurf nur 438 000 jährlich, also 876 000 übrig. Sollten etwa die Schauspielbühnen, das Musikfest der Bachakademie und das Neue-Musik-Festival Eclat schon wieder leer ausgehen, die bereits beim letzten Mal unberücksichtigt geblieben waren?
Wieder Kulturpolitik nach Gutsherrenart?
Stattdessen sah der Entwurf eine Erhöhung um 100 000 Euro für Eric Gauthiers Tanzfestival Colours und einen Zuschuss für ein Lichtkunstfestival der Kulturregion vor. Kulturpolitik nach Gutsherrenart, der Bürgermeister entscheidet? Am 14. Oktober <link http: www.kontextwochenzeitung.de kultur die-kultur-ausgehungert-3193.html external-link-new-window>hat Kontext darüber berichtet, zwei Tage danach tagte erneut der Kulturausschuss.
Eine Woche später sprachen sich alle größeren Parteien im Gemeinderat einhellig dafür aus, Eisenmanns Vorschläge zu befolgen: SPD und Freie Wähler forderten, diese in voller Höhe zu übernehmen. SÖS-Linke-Plus wollten anstelle des Stufenmodells auch für die kleineren Kultureinrichtungen eine Erhöhung um 15 Prozent.
CDU und Grüne gingen ebenfalls über Eisenmanns Vorschläge hinaus. Ihre Anträge unterschieden sich nur in Details. So wollte die CDU Mundarttheater, die Jazz-Initiative und das ehemalige Wohn- und Atelierhaus des Malers Adolf Hölzel gefördert wissen, die Grünen unter anderem das Solo-Tanz-Theater-Festival, das Theater Tredeschin, das Fantasy-Festival Dragon Days und den Poetry-Slam-Verein Ausdrucksreich. Bald darauf wurde bekannt, dass CDU und Grüne eine Vereinbarung unterzeichnet hatten, die ihnen bei den Haushaltsberatungen die Mehrheit sicherte.
In der letzten Gemeinderatssitzung vor Weihnachten hieß es nun: Schwarz-Grün gegen den Rest der Welt. Dabei konnte die schwarz-grüne Mehrheit ihre Vorstellungen fast restlos durchsetzen, darunter auch alle beantragten Zuschüsse für die Kultureinrichtungen. So kommen die Schauspielbühnen mit 397 000 Euro im Jahr, Theaterhaus, tri‑bühne, Gauthier, Theater der Altstadt und das Renitenztheater, das Kammerorchester, das Musikfest und das Festival Eclat alle in den Genuss einer Erhöhung. Mehr als vorher erhalten auch das Literaturhaus, der Jazzclub Bix, eine Reihe von Chören und Musikensembles, drei kleinere Theater sowie das Haus des Dokumentarfilms, das Filmbüro und der Verein Wand 5, der den Stuttgarter Filmwinter veranstaltet.
Viele kleine Kultureinrichtungen gucken wieder in die Röhre
Neu in die Förderung aufgenommen werden darüber hinaus Kulturprojekte in Musikclubs. Die Musikschule bekommt zwei neue Stellen. Die städtischen Beiträge für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), die 1993 eigentlich vertragswidrig halbiert worden waren, werden nun stufenweise angehoben. 429 600 Euro wären nötig, um zum vereinbarten Niveau zurückzukehren. Über Kuhns ersten Vorschlag hinaus sollen sie nun 2016 um 200 000 und 2017 um 300 000 Euro anwachsen.
Frohes Fest also für die Kultur? Alle, die nicht in den Anträgen von Grünen und CDU enthalten waren, gucken allerdings erneut in die Röhre. Eisenmanns Stufenmodell ist wieder in der Versenkung verschwunden. Rund 100 zumeist kleinere Einrichtungen, vom Kunstraum Oberwelt bis zum Kommunalen Kontakttheater, müssen ein weiteres Mal auf Anpassungen verzichten. Zwischen 14,25 und 28 890 Euro variieren die Erhöhungen, die in Eisenmanns Liste vorgesehen waren: in den meisten Fällen drei- bis niedrige vierstellige Beträge, die jedoch den Einrichtungen, die in der Regel mit viel Engagement ihre Programme erarbeiten, nun fehlen. Insgesamt geht es um jährlich 358 373 Euro: bei einem Haushaltsvolumen von 2,9 Milliarden eine verschwindend geringe Summe.
Das Figurentheaterzentrum Fitz!, das Künstlerhaus und der Württembergische Kunstverein (WKV) hatten wiederum im letzten Doppelhaushalt eine Erhöhung zugesprochen bekommen, die aber weit unter den anvisierten 15 Prozent lag. Dem Künstlerhaus fehlen auf diese Weise nun 49 000 Euro: Bei einem Etat von 425 000 Euro, von dem allerdings 190 000 Euro als Miete an die Stadt zurückfließen, bedeutet dies unterm Strich Mindereinnahmen von 20 Prozent. Beim WKV mag der Differenzbetrag von 26 700 Euro angesichts eines Etats von rund 1,35 Millionen weniger dramatisch erscheinen. Aber die 45 000 Euro Erhöhung der letzten Runde wurde von Tariferhöhungen fast vollständig aufgefressen: Fürs Programm bleibt kaum etwas übrig.
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Stefan Urbat
am 23.12.2015