Sitzungstag für Sitzungstag dieselbe Erkenntnis: viele Antworten, aber noch mehr neue Fragen. Seit Januar 2015 müht sich der NSU-Ausschuss durch die vielschichtige Materie, längst sind nicht alle Akten durchdrungen, immer wieder zeigt sich, dass den Abgeordneten Detailwissen fehlt, um im richtigen Moment die richtige Nachfrage zu stellen. Und dann stellte sich noch heraus, dass das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) dem Parlament mindestens sieben Akten zu den Aktivitäten des rassistischen Ku-Klux-Klan und seinen seltsamen Verbindungen zur hiesigen Polizei vorenthalten hat. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) hat einen Sondergutachter beauftragt, um herauszufinden, ob es sich um Einzelfälle oder doch um Vorsatz und Methode handelt.
Jedenfalls stehen die Parlamentarier vor einem Endlospuzzle: ein Stein gesetzt, zwei Lücken entstanden. Eindrücklichstes Beispiel ist die Bewertung der Erinnerungsfähigkeit des am 25. April 2007 auf der Heilbronner Theresienwiese schwer verletzten Polizeibeamten Martin Arnold. Expertenmeinung steht gegen Expertenmeinung. Das vom zuständigen Staatsanwalt Christoph Meyer-Manoras favorisierte Gutachten hatte er selbst mit einem Beischreiben versehen. Das kommt zu dem Schluss, eine derartige Kopfverletzung schließe spätere Erinnerung aus. Allerdings: Dem Stand der Wissenschaft entspricht dies nicht. Zudem zeichnen jene Ermittler, die Arnold zunächst vorsichtig und dann intensiver vernommen hatten, ein ganz anderes Bild von dessen Gedächtnisleistung.
Die Liste offener Fragen ist lang
Herbert Tiefenbacher von der Soko Parkplatz hat sich zehn oder zwölf Mal – sogar privat – mit dem Kollegen getroffen. Er beschreibt ihn als ruhig und freundlich und bemüht, "angstfrei zur Aufklärung der Tat beitragen zu wollen". Er hält ihn für glaubwürdig und das aufgrund seiner Aussagen akribisch erstellte Phantombild von einem der beiden Täter für relevant. Arnold sei ein "gradliniger, unauffälliger Mensch" gewesen, "absolut problemlos und kooperativ". Dann aber, nach jenem Vier-Stunden-Gespräch mit Meyer-Manoras, sei er persönlichkeitsverändert gewesen. Mit der Soko darüber reden durfte er nicht, zu Tiefenbacher gibt es keinen Kontakt mehr. <link http: www.kontextwochenzeitung.de politik verraeterische-pizzaschnitte-3175.html _blank external-link-new-window>Und wie alle anderen wurde auch dieses Phantombild nie zur Fahndung eingesetzt.
Eigentlich müsste der Ausschuss jetzt einen weiteren Gutachter hören, einen, der sich auskennt mit traumatisierten hirnverletzten Soldaten zum Beispiel. Der wiederum müsste sich erst einarbeiten in die Materie, möglicherweise sogar im Auftrag des Parlaments mit Arnold selber sprechen. Für das alles ist aber keine Zeit mehr bis zum 18. oder 21. Dezember, dem nach der jetzigen Planung letzten öffentlichen Sitzungstag. Sodass der Landtag nicht darum herumkommt, nach der Wahl im März einen zweiten Ausschuss zum selben Thema einzusetzen.
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Gastleser
am 21.10.2015