3557 Vormerkungen standen demgegenüber Ende 2014 auf der Liste des Wohnungsamts, davon 2014 Dringlichkeitsfälle. Beide Zahlen liegen leicht unter denen des Vorjahrs, doch auf lange Sicht ist die Zahl der Vormerkungen kontinuierlich gestiegen. Fünf Jahre zuvor beispielsweise waren es noch 3211 Vormerkungen und 1736 Dringlichkeitsfälle. Dagegen konnte das Wohnungsamt 2014 ganze 837 Wohnungen vergeben. Das ist absoluter Tiefstand – 2009 waren es noch 1152 Wohnungen. Auch der Bestand insgesamt ist in derselben Zeit gesunken, um mehr als 600 auf 15 672 Sozialwohnungen.
"Seit 1992 ist der Gesamtbestand an gefördertem Wohnraum um fast ein Fünftel geschrumpft", steht im Positionspapier von Fritz Kuhn vom Dezember 2013, "und die Zahlen sind weiter rückläufig, da Wohnungen aus der Belegungsbindung fallen. Diesem Prozess gilt es entgegenzuwirken, um ein Wohnungsangebot für alle Lebenslagen zu schaffen."
Nun will Hofbräu, also Oetker, natürlich möglichst teuer verkaufen. Dazu muss der Teil der Immobilie, der nicht für geförderten Wohnraum vorgesehen ist, möglichst hohe Einnahmen abwerfen, um für einen Investor interessant zu sein. Nach derzeitigem Stand – Baubeginn könnte im Jahr 2018 sein – sind auch 120 Quadratmeter große Luxuswohnungen vorgesehen. Die Quadratmeterpreise werden wohl deutlich über dem Heslacher Mietniveau liegen. Wenn dies zutrifft, tragen sie also auch dazu bei, den Mietspiegel in die Höhe zu treiben und damit die Mieten für alle oder jedenfalls viele Heslacher.
Stadt in der Zwickmühle
Beim Rückkauf der Villa Berg hat die Stadt ganz darauf verzichtet, den Investor auf die Anwendung des SIM zu verpflichten. Bei den 40 Wohnungen, die PDI auf dem bisherigen Bauhof des Garten- und Friedhofsamts bauen will, wären dabei zwar nur acht geförderte Wohnungen herausgekommen, davon ein Drittel, also ganze drei Sozialwohnungen. Allerdings war es ein städtisches Gelände, mit dem die Stadt selbst auch anders hätte umgehen können. Die Stadt befand sich in der Zwickmühle: Ohne Zugeständnisse wäre der Rückkauf wohl nicht zustande gekommen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Stadt immer wieder so viele Zugeständnisse macht, dass das Ziel der sozialen Mischung vollends ad absurdum geführt wird.
Dies zeigt der Fall der ehemaligen Diakonieverwaltung zwischen Gerok- und Stafflenbergstraße im Stuttgarter Osten, in bester Lage, mit Blick auf die Stadt. Auch hier muss der Bebauungsplan geändert werden, um Wohnungen bauen zu können. Es gibt bereits einen Projektträger, die Archy Nova GmbH, die die bestehenden Bauten abreißen will, um ungefähr 90 Wohnungen zu errichten. Geschäftsführer ist Gerd Hansen, der einmal Architektur in Eckernförde, Austin, Texas, und bei Frei Otto und Hans Kammerer in Stuttgart studiert und 1998 einen Naturkost-Supermarkt gegründet hat. Hansen ist auch Vorsitzender des Stadtplanungsforums, eines eingetragenen Vereins, der am 4. Juli im Stuttgarter Rathaus ein Symposium zum Thema "Stuttgart nachhaltig machen" veranstaltet.
"Wir sehen es immer mehr als Illusion an, unsere Art zu wirtschaften und unser Lebensstandard könnten auf öko/green umgestellt und damit einfach fortgeschrieben werden", heißt es in der Ankündigung. "Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir bei schwindenden Ressourcen und instabiler Welt die auf uns zukommenden Veränderungen nur durch eine Anpassung unserer Lebensweise bewerkstelligen können. Die sozialen Veränderungen könnten in der reichen Autostadt Stuttgart besonders gravierend ausfallen. Wir möchten deshalb einen Diskurs initiieren, wie das Leben in der Stadt sich in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, über die eigentlichen Werte, über Modelle zukunftsfähigen Wirtschaftens und sozialer Stabilität."
1 Kommentar verfügbar
Rosalinde
am 03.07.2015http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.wohnungsnot-in-stuttgart-streit-ueber-die-richtige-politik.ba6fe5b1-4198-4657-9b13-0538d0f896c7.html