"Wohnst du noch?" fragt das Bündnis, das <link www.armut-bedroht-alle.de _blank>die Aktionswoche "Armut bedroht alle" vom 12. bis 18 Oktober</link> veranstaltet, frei nach dem Ikea-Slogan. Denn nicht nur Neuankömmlinge stoßen in Stuttgart auf große Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Auch angestammte Mieter wissen oft nicht mehr, wo sie das Geld für die monatliche Überweisung hernehmen sollen. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege organisiert die Aktionswoche, wie in den vergangenen Jahren, aber diesmal in Zusammenarbeit mit der Landesarmutskonferenz (LAK-BW) und der Landesarbeitsgemeinschaft der Arbeitslosentreffs und Arbeitslosenzentren (Lagalo). Und nicht ohne Grund zum Thema Wohnen: Sozialwohnungen fallen aus der Mietbindung, öffentliches Eigentum wird an private Investoren verscherbelt, Mietwohnungen werden in Eigentum umgewandelt, günstige Wohnbauten abgerissen oder teuer modernisiert, und wenn einer auszieht, schnellen die Mieten sprunghaft in die Höhe.
Die Folge: Wer in Stuttgart netto nicht mehr als 1500 Euro verdient, gibt schon jetzt fast die Hälfte für die Unterkunft aus, Rentner oft mehr. Und dies ist nur ein Durchschnittswert, in den alle Fälle mit eingerechnet sind, in denen Mieter weiterhin günstig wohnen: weil sie einen sozialen, verantwortungsbewussten Vermieter haben – auch das soll es geben –, weil sie an der Hauptverkehrsstraße wohnen oder ihre Wohnung der Mietpreisbindung unterliegt. Nach 40 Jahren ist dies bei älteren Sozialwohnungen vorbei, und der Vermieter kann sich an der örtlichen Vergleichsmiete, dem Mietspiegel orientieren. Das Niveau steigt, deutlich schneller als die Einkünfte, jährlich ungefähr um vier bis fünf Prozent. Eine Zeitbombe. Erst im Mai hat die Landesregierung beschlossen, die so genannte Kappungsgrenze von 20 auf 15 Prozent in drei Jahren herabzusetzen. Wenn eine Sozialwohnung nach 40 Jahren aus der Preisbindung fällt, darf der Vermieter "in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt" die Miete nur noch um besagte 15 Prozent anheben. Also fünf Prozent jährlich.
Ende 2013 hat das Land das Zweckentfremdungsverbot wieder eingeführt, das die Regierung Teufel 2001 abgeschafft hatte. Die Kommunen müssen Bedarf anmelden. Doch bisher hat nur Freiburg reagiert – in Stuttgart reichen SPD und SÖS/Linke soeben zum zweiten Mal einen Antrag im Gemeinderat ein. So verzögert und verwässert sich jede Reform bei der Umsetzung auf der nächstunteren Ebene. Immerhin hat das Land bereits verkündet, die Mietpreisbremse baldmöglichst anwenden zu wollen, die der Bund 2015 einführen will. Bisher erhöhen Stuttgarter Vermieter nach Auskunft des Mietervereins bei Neuvermietungen nicht selten um 30 bis 45 Prozent. Solchen Exzessen soll die Mietpreisbremse Einhalt gebieten: Maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete sind zulässig. Eine Regel mit vielen Ausnahmen, etwa bei Neubauten und Modernisierungen. Und mit jeder Erhöhung steigt der Mietspiegel weiter: um 50 Prozent in den letzten zehn Jahren, von 1985 bis 2012 auf das Zweieinhalbfache.
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Gaigeler
am 14.10.2014