Es muss einmal ein schönes Haus gewesen sein, die 1889 gebaute Villa an der Stuttgarter Schickhardtstraße 41. Deutsche Renaissance, Staffelgiebel, Erkerturm, Stuck an den Decken, Parkettböden in Fischgratverlegung. Ein geschütztes Kulturdenkmal, und so steht es auch im Internet, wo es diverse Immobilienfirmen zum Preis von bis zu 4,4 Millionen Euro anbieten. Heute sind die Fenster blind vom Straßenstaub, die meisten Wohnungen leer, und das seit Jahren. Das Unkraut sucht sich seinen Weg durch die Steinplatten vor der Eingangstüre.

Das Haus direkt daneben war noch nie schön. Ein grauer Flachbau, den die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Flüchtlingswohnheim nutzt. Es ist voll belegt mit 70 Personen, zuletzt hat noch eine fünfköpfige syrische Familie Unterschlupf gefunden. Von den Nachbarn seien noch keine Klagen laut geworden, heißt es im AWO-Büro, was wenig erstaunt, weil es kaum Nachbarn gibt. Unterm Dach der Villa wohnt noch jemand, der über die Sprechanlage sagt, eine Fünfzimmeretage könne man für 700 000 Euro erwerben.
Ein Klick auf einen roten Button, und schon erscheint ein leeres Haus
Zu finden ist die Schickhardtstraße 41 auch an anderer Stelle. Auf <link http: www.leerstandsmelder.de _top>www.leerstandsmelder.de, einem Portal im Netz, das sich bundesweit ausgebreitet hat und sehr anschaulich zeigt, wo niemand wohnt. Ein Klick auf einen roten Button, und schon erscheinen das Haus und die Informationen, die eine neue Spezies von Menschen gesammelt hat: die Leerstandsmelder eben. Sie gibt es in Hamburg, wo alles angefangen hat, in Berlin, München, Bonn, Dortmund, aber auch in Freiburg und Tübingen, und seit Oktober 2013 auch in Stuttgart.
Ihr Gesicht ist Britta Mösinger, eine 35-jährige Frau, die gerne lacht und früher mal an Hausbesetzern Gefallen fand. Danach hat sie BWL studiert, mit Graffiti-Künstlern sympathisiert und ihr Geld mit dem Aufbau von Messeständen für Maschinenbauer verdient. Im Ehrenamt hat sie viele Freunde, die durch die Stadt streifen, nach dauerhaft heruntergelassenen Rollos gucken, in verwilderte Gärten alter Villen, nach leeren Klingelschildern, und dann mitteilen, was sie gesehen haben. Bis jetzt sind es 178 Einträge.
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Britta Mösinger
am 24.10.2016