Das mag für beide Seiten nicht immer angenehm sein, ist aber aus der Not geboren, in die sich die Oberchefs selbst gebracht haben. Vor drei Jahren haben sie die Ressorts und deren Leiter:innen abgeschafft, um nach kurzer Zeit zu bemerken, dass sie heillos überfordert waren. Zum einen durch die gedankliche Ausgestaltung der neu erfundenen Themenfelder ("Liebe und Partnerschaft"), zum anderen durch ihr Personal, das nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand und daraus gewisse Freiheiten ableitete. Man könnte auch sagen: Das Chaos erzeugte neue Spielräume bei der Heimarbeit. Dies alles zu kontrollieren erschien den Vorgesetzten als Ding der Unmöglichkeit, worauf sie beschlossen, die Leitungsposten wieder einzuführen. Nur unter einem anderen Namen.
Diesmal sollen 45 Stellen wegfallen
Es war der nächste Schlag in schwieriger Zeit. Zuckerbrot für das Sonnendeck, Peitsche für den Maschinenraum. Kurz zuvor hatte die Medienholding Süd (StZN, "Böblinger Bote", "Eßlinger Zeitung" und "Cannstatter Zeitung"/"Untertürkheimer Zeitung") verkündet, 45 von rund 300 Stellen bis 2027 streichen zu wollen – "wenn möglich ohne betriebsbedingte Kündigungen". Damit müssten gestiegene Kosten (Mindestlohn, Energie, Papier) sowie dramatische Einbrüche bei den Printumsätzen kompensiert werden, teilten die Geschäftsführer Herbert Dachs und Carsten Groß mit.
Ob die Zahlen den Einschnitt hergeben, weiß der Betriebsrat nicht, der Tendenzschutz verwehrt ihm den Blick in die Bilanz. Von den Forderungen der Eigentümer – den Verlegern württembergischer Zeitungen –, endlich wieder ordentliche Renditen zu erwirtschaften, ist nicht die Rede. Der Deutsche Journalistenverband spricht von einer "schockierenden Neujahrsbotschaft" und der Betriebsrat sagt, dass jene, die jetzt wieder Verzicht predigen, sorglos in ihren Sesseln sitzen, unwillig, auch nur einen Cent von ihren sechsstelligen Jahresgehältern abzugeben.
Es war eben wieder einmal so weit. Wieder sollen erfahrene Kolleginnen und Kollegen raus, wieder sollen die Verbleibenden zusehen, wie sie die Arbeit irgendwie schultern, wieder wird erzählt, die Qualität werde darunter nicht leiden. "Unsere DNA ist Journalismus", lautet das Credo in den Eigenanzeigen, die den Raum unter den Todesnachrichten füllen. "Wie soll das gehen?", fragt sich der Betriebsratsvorsitzende Michael Trauthig. Der promovierte Historiker kennt die Antwort längst: Es geht nicht.
Vier Sparrunden in zehn Jahren
In seinen zehn Jahren an der Spitze des Gremiums hat er vier Sparrunden erlebt, jedes Mal mit der Begründung unterlegt, das sei notwendig, um das Unternehmen "zukunftssicher" aufzustellen. 2015 war es die Fusion von StZ und StN (genannt der "Neue Stuttgarter Weg"), später der "Quantensprung" mit dem "Medienhaus 1.0", das die Layouts der einzelnen Gazetten vereinheitlicht und Außenstandorte geschlossen hat, danach das "Medienhaus 2.0", das die Ressorts abgeschafft hat. Aber die Zukunft wurde nicht besser. Im Gegenteil.
Und wieder treten die Gewerkschaften auf den Plan. Martin Gross, der baden-württembergische Verdi-Chef, sagt, im Zuge einer "postfaktischen Demokratie" sei guter Journalismus wichtiger denn je, aber nicht mehr zu leisten, wenn die Redaktionen in den vergangenen zehn Jahren ein Drittel ihres Personals verloren hätten. Wer will ihm da widersprechen, außer den Spitzenkräften im Pressehaus, die ihr mantramäßig vorgetragenes Qualitätsversprechen offenbar an den Oechslegraden ihres Weinshops messen?
Uwe Kreft, der zuständige Verdi-Sekretär, sagt, inzwischen seien die Redaktionen derart ausgedünnt, dass ein sozialverträglicher Abbau kaum mehr möglich sei, die Arbeitsbedingungen "immer unsozialer" würden, der Druck, die Klickzahlen zu steigern, immer höher, die Zukunft immer düsterer. Sein Fazit: Die Stimmung ist an einem "neuen Tiefpunkt" angekommen.
Und jetzt sollen es die "Managing Editors" richten, die zu höheren Bezügen darüber nachdenken sollen, wie sie ihren "Workflow" definieren können, um den "Traffic" auf den Online-Seiten zu erhöhen. (Über die gedruckte Zeitung, die noch Geld bringt, wird schon lange nicht mehr gesprochen. Entsprechend sieht sie aus.)
Gökay Akbulut ist super gelaufen
So könnte es gehen: Neben der intensivierten Koalabär-Berichterstattung wird der Fokus verschärft auf menschliche Schicksale gerichtet. Gefühlvoll erzählt, zum Mitempfinden nah, das ist der Stoff, den sich die Chefredaktion als "Lebensbegleitung" ihrer Kundschaft wünscht. Nicht nur bei den StZN im Übrigen. Super gelaufen sei zum Beispiel Gökay Akbulut, heißt es im Pressehaus. Die Linken-Politikerin war im Zug in eine Ansammlung von VfB-Fans geraten, sah sich sexuell belästigt, rassistisch beleidigt und körperlich bedroht, bis die Rechercheabteilung des StZN-Sports bei ihrer Klientel Zeugen fand, die in Akbulut die Täterin entdeckten.
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BadenMailer
am 26.02.2025