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Junge Alternative

Die jungen Extremen

Junge Alternative: Die jungen Extremen
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Die AfD-Jugend "Junge Alternative" (JA) löst sich nach zwölf Jahren auf. Auch in Baden-Württemberg. Mit der Nachfolge-Organisation könnte auf einen Schlag die größte extrem rechte Jugendorganisation der deutschen Nachkriegsgeschichte entstehen. Eine Bestandsaufnahme.

Die Aufregung war groß, als Anfang Dezember 2024 die Pläne der Parteispitze in der Jungen Alternative bekannt wurden. Nils Hartwig, der Vize-Bundesvorsitzende, reagierte mit martialischen Worten: "Jetzt heißt es Stahlhelm auf und ab in den Schützengraben. Unsere JA nehmen sie uns nicht."

Auf ihrem Bundesparteitag beschloss die AfD am 12. Januar 2025 mit einer Zweidrittelmehrheit die Auflösung der offiziellen AfD-Parteijugend Junge Alternative, um sie dann in anderer Form unter anderem Namen wieder zu gründen. Bisher war die JA ein nichteingetragener Verein, nun soll eine neue Jugendorganisation innerhalb der AfD gegründet werden, der automatisch alle Partei-Mitglieder unter 35 Jahren angehören. In der AfD wird vom "Juso-Modell" gesprochen, denn in der SPD gehört auch jedes Mitglied bis 35 Jahre automatisch zur Gruppe der Jusos. Wobei das Beispiel hinkt, denn es ist durchaus möglich, Mitglied der Jusos zu sein, ohne der SPD anzugehören –und genau diese Möglichkeit will die AfD bei ihrer Jugendorganisation nicht mehr.

Jedenfalls würde dieses neue Modell der Parteiführung in Zukunft einen Durchgriff bei Konflikten ermöglichen, weil mit dem Rauswurf aus der Partei auch gleichzeitig die Mitgliedschaft in der Jugendorganisation erlöschen würde. Bisher war die JA eine unabhängige Organisation, deren Mitglieder nicht alle der AfD angehörten, auch wenn die einzelnen Landesverbände sie nach und nach als offizielle Jugendorganisation anerkannt hatten. In der gesamten AfD-Parteigeschichte galt sie als rechts vom Partei-Mainstream.

Die JA-Frage

Der Streit um das Schicksal der JA erstreckte sich bis auf den AfD-Bundesparteitag im Januar dieses Jahres. Ein gleich am Anfang eingebrachter Antrag aus Thüringen, vom Landesverband von Björn Höcke, auf Nichtbefassung mit dem Antrag zur Auflösung der JA scheiterte. Interessanterweise kam eine Gegenrede von dem hessischen Landtagsabgeordneten Andreas Lichert. Er war bis 2018 Vorstandsmitglied des Trägervereins des "Instituts für Staatspolitik" um Götz Kubitschek, der inzwischen de jure aufgelösten, de facto aber lediglich umbenannten neofaschistischen Kaderschmiede der AfD. Lichert darf unter anderem deshalb dem ideologisch-faschistischen Flügel der AfD zugerechnet werden. Eigentlich sieht er in der Person Höcke seinen Heilsbringer. Doch zur Frage der JA-Auflösung gab es innerhalb dieses Flügels offenbar unterschiedliche Haltungen. Kritiker:innen befürchteten beispielsweise, dass mit der bisherigen Unabhängigkeit der rebellische jugendliche Geist verloren ginge und Verbindungen in das extrem rechte Vorfeld gekappt werden könnten.

Befürchtet wurde auch, dass die Parteiführung den Nachwuchs zähmen wolle. Für einen Teil des ideologisch-faschistischen AfD-Flügels mutete aber offenbar die Gefahr eines Verbotes der JA als Verein gefährlicher an. Denn die JA kann als unabhängiger, nicht eingetragener Verein recht einfach verboten werden. Das kurzzeitige Verbot des extrem rechten Magazins "Compact" wurde auf dem Parteitag in der Debatte mehrfach als warnendes Beispiel angeführt. Als Teil der Partei ist ein Verbot der Parteijugend dagegen nicht so einfach.

Für die Auflösungsbefürworter:innen hilfreich war, dass neun Landesvorstände und der JA-Bundeskonvent diesen Schritt unterstützten. Klar gegen die Auflösung und Anbindung positioniert hatten sich in den Sozialen Medien die JA-Landesverbände Brandenburg, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die JA-Auflösung wurde letztlich am zweiten Parteitag mit 71,92 Prozent der Stimmen beschlossen.

Am 1. und 2. Februar 2025 traf sich die Junge Alternative im thüringischen Apolda ein letztes Mal zu einem Bundeskongress mit 250 Teilnehmenden. Auf diesem Kongress wurde das Ende der JA zum 31. März 2025 offiziell beschlossen. Ob die Nachfolge-Organisation nun "Junge Patrioten" heißen wird, wie angedacht, ist noch unklar. Auch, was der neue Jugendverband dann für Strategien verfolgt. Der beim Höcke-Flügel und der Partei-Jugend besonders beliebte neurechte Vordenker Benedikt Kaiser stellte denn auch die Frage, was die AfD-Jugendorganisation denn sein wolle: "Tanz- und Eventverein, Parteijugend, Karrierenetzwerk, Nachwuchsschmiede, alles zugleich?"

Absehbar ist, dass eine professionalisierte und disziplinierte Jugendorganisation mit tausenden aktiven Mitgliedern gefährlicher ist, als ein paar hundert Jungalternative in einem Verein. Mit dieser Transformation könnten in der Nachfolgeorganisation potenziell 10.000 Personen aktiv werden. Damit würde auf einen Schlag die größte extrem rechte Jugendorganisation der deutschen Nachkriegsgeschichte entstehen. Und eine neue und größere AfD-Jugend könnte die durch Tiktok und Co. massenhaft rechtsradikalisierten jungen Männer ansprechen, die bisher eher diffus rechts oder nur wenig ideologisch gefestigt sind.

Die "Höcke-Jugend" in Baden-Württemberg

Zurück zu den Anfängen: Am 14. Juli 2013 fand im Tübinger Hotel "La Casa" die Gründung des Landesverbands Baden-Württemberg der "Jungen Alternative" (JABW) statt. Als Landesvorsitzender der JABW wurde Markus Frohnmaier gewählt. Die rechten Professoren Joachim Starbatty und Dietrich Murswiek hielten Gastreden. Ein Bild der Gründungsmitglieder zeigt nur Männer. Das passte gut zu dem hohen Anteil an Mitgliedern aus männerbündischen Studentenverbindungen. Der hohe Männeranteil herrschte bis zuletzt in der JABW vor.

Seit November 2015 war die JA auf Bundesebene offiziell als Jugendorganisation der Partei anerkannt. Wie die AfD selbst erschütterten auch die JA Skandale und Streitereien. Außerdem begann der Verfassungsschutz ein Auge auf sie zu werfen. Im November 2018 wurde öffentlich bekannt, dass in Baden-Württemberg der JA-Landesverband beobachtet wird. In der Folge traten 50 Mitglieder aus. Die JABW wird seit Juli 2022 als Verdachtsfall geführt. Auf Bundesebene wurde die JA 2023 vom Inlandsgeheimdienst als "gesichert rechtsextrem" eingestuft, im gleichen Jahr auch der Ableger in Baden-Württemberg.

Als Alternative zur "Jungen Alternative" wurde 2020 in Baden-Württemberg der Verein "Jugend für Demokratie und Europa e.V." gegründet. Doch wie bei den AfD-Alternativen blieb man doch lieber beim Original. Auch im Südwesten diente die JA als AfD-Karrieresprungbrett. Markus Frohnmaier, ein abgebrochener Tübinger Jura-Student, war erst von Mitte Juli 2013 bis September 2015 Landesvorsitzender und später, von 2015 bis 2018, JA-Bundesvorsitzender. Trotz seiner zeitweiligen Unterstützung der ausgetretenen AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry gelang Frohnmaier der Aufstieg und seit 2017 sitzt er für die AfD und den Wahlkreis Böblingen im Bundestag. Zur Bundestagswahl am vergangenen Sonntag ist er erneut in den Bundestag gewählt worden.

Er lehnte sich aus Überzeugung eng an den Höcke-Flügel an, so wie fast die gesamte JA auf Bundes- und Landesebene. Intern sprachen manche von der "Höcke-Jugend". Die JABW postete zum Beispiel am 23. September 2023 in einer Instagram-Story: "Wir sind stolz ein Teil des System Höcke zu sein!" Im Vorstand der JABW gab es eine hohe Fluktuation, weil viele der Fähigeren als Mitarbeiter oder Abgeordnete Karriere machten und die ehrenamtliche Arbeit in der JA hinter sich ließen.

Verbandelt mit der Identitären Bewegung

Der aktuelle JA-Landessprecher ist Sander Perón aus Karlsruhe, sein Stellvertreter ist Benjamin Götz, der erfolglos auf Listenplatz 21 in Baden-Württemberg für den Bundestag kandidierte. Andere Mitglieder im aktuellen JA-Landesvorstand repräsentieren die Einbindung in die extrem rechten Netzwerke außerhalb von AfD/JA. Etwa Tim Demuth. Er moderierte eine Veranstaltung der neofaschistischen "Jungen Tat" in der Schweiz, als am 14. Dezember zwei AfD-Abgeordnete dort auftraten. Jannis George, Beisitzer im Landesvorstand, war Aktivist der "Identitären Bewegung" (IB), die in Baden-Württemberg seit 2023 unter dem Label "Reconquista 21" auftritt. Bilder zeigen ihn auf einer Wanderung mit der IB wie er mit seinen Fingern das White-Power-Symbol formt. Aktuell tritt er als Kameramann in extrem rechten Kreisen auf.

Überhaupt ist die Identitäre Bewegung für Teile der JA ein role model gewesen, ideologisch und teilweise auch in der Polit-Praxis. Einige JA-Mitglieder starteten den Versuch einer organisatorischen Trennung in Bezug auf die Aufgabenfelder: die IB als aktivistische Jugendorganisation mit kreativem Straßenprotest, die JA als Parteijugend. Gelungen ist diese Trennung nie.

Zwar schloss sich der JA-Landesverband den Auflösungsplänen an, aber diese waren verbandsintern offenbar kein Konsens. Severin Köhler, der ehemalige JA-Landeschef von Baden-Württemberg soll dagegen gewesen sein. Allerdings hatte Köhler sich als Anhänger des unterlegenen Lagers um den radikalen ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel nach dem Sieg des angeblich "gemäßigteren" Lagers um Alice Weidel ins Aus manövriert. Gegen ihn soll derzeit ein Parteiausschlussverfahren laufen. Bereits ausgeschlossen wurde Reimond Hoffmann, er war seit Juli 2018 eine Zeit lang stellvertretender Vorsitzender der JABW und trat im Juni 2019 aus, vermutlich um einem Ausschluss zuvorzukommen. Hoffmann ist ein gutes Beispiel für die Verzahnung mit Studentenverbindungen, er war Mitglied der Burschenschaft Saxo-Silesia Freiburg.

Die AfD und die JA im Guten verlassen hat dagegen im Mai 2023 der ehemalige JA-Landesvorsitzende Jochen Lobstedt. Lobstedt war seit Februar 2020 Vorsitzender der JABW und seit 2022 Bundesschriftführer der JA gewesen. Der genaue Grund für den Austritt ist unbekannt. Möglicherweise stand seine Politkarriere einer Berufskarriere im Weg. Ein Austrittsschreiben von ihm legt aber auch eine Art politischen Burnout nahe.

Konkurrenz von rechts

Im Windschatten des Rechtsrucks sind jenseits von der AfD 2023/24 eine Reihe von überregionalen Jungnazi-Gruppen entstanden: "Deutscher Störtrupp" (DST), "Deutsche Jugend Voran", "Jung und Stark" und "Unitas Germania". Alle auch mit Ablegern und Anhänger:innen im Südwesten. Diese Gruppen fielen im vergangenen Jahr durch ihre Mobilisierung gegen CSD-Paraden auf, wie den CSD in Albstadt am 6. September 2024. Gegen den Umzug mobilisierten auch die beiden regional aktiven Neonazi-Gruppen "Pforzheim Revolte" und "Zollernalb-Jugend Aktiv". Beide Gruppen traten zuerst als Kopie der "Identitären Bewegung" auf, wurden aber immer offener gewaltbereit und neonazistisch. Die IB distanziert sich zumindest offiziell von Gewalt, auch weil das nicht zu ihrer Medienstrategie passt, in der sie sich als rebellisch aber friedlich inszeniert.

Zu den regionalen und überregionalen Neonazi-Gruppen kommen noch diverse namenlose Cliquen dazu. Die weitgehend anonyme Kommunikation über Social Media, etwa bei Telegram, macht die Mobilisierung und eine Beteiligung relativ einfach. Die Teilnahme an den Protesten gegen CSDs diente nicht nur dem Ausdruck von Queerfeindlichkeit, sondern auch dem Kennenlernen und der Vernetzung.

Auffällig ist das junge Alter und die Unerfahrenheit dieser neuen Generation von Neonazis. Hier scheinen eher wenig alte Kader im Hintergrund zu agieren. Offenbar haben sich vor allem junge Männer oft einzeln digital radikalisiert und dann zusammengefunden. Damit tut sich jenseits der JA eine Angebotsstruktur auf, die keinerlei Rücksicht auf Wahlen oder Strategien nehmen muss. Man geriert sich dementsprechend auch sehr antibürgerlich und trägt eher Gesichtstattoos als Krawatte. An Parteiarbeit scheint kein Interesse zu bestehen, auch wenn AfD-Veranstaltungen durchaus mit Wohlwollen besucht werden.

Es wird sich zeigen, wie sich die zukünftige AfD-Nachwuchsorganisation zu diesen Jungnazis verhält. Ein zu enges Verhältnis wäre wohl problematisch für die AfD. Denkbar wäre neben einer Konkurrenz aber auch eine Art unausgesprochene Arbeitsteilung. In Sachsen hat das schon geklappt. Dort mobilisiert die extrem rechte Kleinstpartei "Freie Sachsen" erfolgreich auf der Straße. Und AfD-Anhänger:innen laufen mit.


Anm. d. Red.: In einer früheren Fassung fehlte der Hinweis, dass die AfD zwar das "Juso-Modell" als Beispiel nennt, es bei den Jusos aber einen zentralen Unterschied zum neuen Modell der AfD gibt: Eine Juso-Mitgliedschaft ist auch ohne SPD-Mitgliedschaft möglich. Wir haben dies nachträglich im Text ergänzt.

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1 Kommentar verfügbar

  • SSV Ulm 1846
    vor 3 Wochen
    Antworten
    AfD auf's Maul!
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