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Bangladesch und Menschenrechte

Im Exil weiterschreiben

Bangladesch und Menschenrechte: Im Exil weiterschreiben
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In Bangladesch hat Sanjoy Kumar Barua über die Verbrechen von einflussreichen Landräubern an den Indigenen in seiner Heimat geschrieben. Bis er den Mächtigen zu weit ging und selbst verfolgt wurde. Nun ist er in Deutschland im Exil. Kontext veröffentlicht einen seiner jüngsten Artikel.

Die Situation ist schwierig, denn hier in Deutschland ist alles fremd. Die Sprache, das Essen, das gesamte Gesellschaftssystem sowieso. Doch daheim in Bangladesch ist es noch schwieriger, erzählt Sanjoy Kumar Barua. In den vergangenen 14 Jahren hat der Journalist vor allem über die Situation der Indigenen im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (CHT) berichtet. In dem dünn besiedelten Gebiet leben elf indigene Völker, dort gibt es Berge und Wälder und noch einigermaßen unberührte Natur. Das weckt in dem Land, das sich zu einem Einparteienstaat entwickelt, Begehrlichkeiten bei Unternehmen, Politiker:innen, den Reichen des Landes. Barua schrieb und schreibt über illegale Landnahme, Überfälle auf indigene Dörfer durch militärische oder paramilitärische Gruppen, über Morde, Misshandlungen und Folter.

Der Journalist arbeitete für den Daily Star, der führenden englischsprachigen Zeitung in Bangladesch. Dann schrieb er einen großen Artikel über Landnahme in den CHT, in dem Politiker, gefälschte Papiere, Korruption und Vetternwirtschaft eine Rolle spielten. "Danach war die Politik sehr verärgert", erzählt der 36-Jährige. Schon der Begriff "indigenous" (Indigene) sei unerwünscht. "Die Menschen werden nicht akzeptiert als eigene Volksgruppe mit eigener Kultur und Sprache." Gegen ihre Unterdrückung haben sich viele der Indigenen lange gewehrt – auch bewaffnet, bis 1997 ein Friedensabkommen mit der Regierung geschlossen wurde, das den Indigenen weitreichende Rechte zusicherte. "Doch die Regierung hält sich nicht daran", sagt Barua.

Ausgabe 674, 28.02.2024

Verfolgung, Mord, Enteignung

Von Sanjoy Kumar Barua

Dörfer werden niedergebrannt, Frauen vergewaltigt, wer Widerstand leistet, wird gefoltert und ermordet. Trotz eines Friedensabkommens unterdrücken Sicherheitskräfte und Siedlergruppen in den Chittagong Hill Tracts (Bangladesch) die dort ansässigen indigenen Völker.

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Wegen des Artikels wurden drei Gerichtsverfahren gegen ihn eingeleitet, in den sozialen Medien wurde er mit Drohungen und Beschimpfungen überzogen. Bangladesch steht auf der 180 Länder umfassenden Rangliste der Pressefreit auf Platz 163. "Ich hatte Angst, aber ich habe weitergearbeitet." Bis 2022 die Zeitung seine Artikel nicht mehr veröffentlichen wollte. Barua war frustriert. Über harmloses Zeug wollte er nicht schreiben. "Es geht schließlich um Menschenrechte", sagt er.

Also verließ er die Zeitung, schrieb als freier Journalist, baute seinen eigenen zweisprachigen Blog – englisch und bengalisch – auf. Doch die Verfolgung durch Landräuber, Politik und die Strafverfolgungsbehörden wurde immer stärker. "Ich wurde beobachtet und verfolgt, meine Familie bedroht." Der Druck sei enorm gewesen, der Schlaf blieb aus, das Gerichtsverfahren gegen ihn zog sich hin und hin – bis heute ist es nicht abgeschlossen.

Im vergangenen Sommer zog Barua mit seiner Frau und seinem Kind dank eines Stipendiums des Auswärtigen Amtes nach Deutschland, seinen genauen Aufenthaltsort möchte er nicht offenlegen. In diesen Tagen beginnt Barua einen Sprachkurs. Auch wenn er immer noch schlecht schläft, weil die Angst so tief steckt, verliert er seinen journalistischen Ehrgeiz nicht und veröffentlicht weiterhin Artikel auf seinem Nachrichtenportal, zugearbeitet wird ihm dafür von seinem Netzwerk vor Ort. Sein Antrieb: "The indigenous people love my work."("Die Ureinwohner lieben meine Arbeit.") Seine journalistische Aufgabe nimmt er ernst: "Bis zum letzten Tag meines Lebens möchte ich für die Rechte der Ureinwohner meines Landes schreiben."

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