Sie sind ins Irrenhaus eingebrochen, um eine Revolution auszurufen: Am 4. Februar 2014 kaperten Max Uthoff und Klaus von Wagner die verlassene "Anstalt" in den Münchner Arri-Studios, um die Nachfolge von Georg Schramm, Urban Priol und Erwin Pelzig anzutreten. Eine der wenigen Besetzungen in Deutschland, die nicht mit einer zügigen Zwangsräumung endete: Am kommenden Dienstag steht die Jubiläumsfolge zum Zehnjährigen an.
Im Rückblick fällt auf, wie stark sich das Format gewandelt hat. Angela Merkel war in der ersten Episode noch eine "Alleinherrscherin ohne Opposition", Politik und Medien gab es nur, damit sie die Wünsche der Wirtschaftslobby verwirklichen, und um sicherzustellen, dass das Volk folgt. "Es gibt nichts zu beschönigen: Die Reallöhne sinken, vielen droht Altersarmut, der Trend geht zum Drittjob", erklärt Uthoff, und nutzt kurz darauf das erste Solo im neuen Format zum Frontalangriff gegen Aufrüstung und Militarismus. Neulich bei der Münchner Sicherheitskonferenz hätten die deutschen Repräsentanten "ein Tänzchen aufs internationale Parkett hingelegt, dass die Champagnerflaschen in den Büros der deutschen Rüstungsindustrie ejakuliert haben". Denn von deutschem Boden solle nie wieder Zurückhaltung ausgehen.
Der Auftakt war ein anarchischer Rundumschlag: Angerissen werden Homophobie in Sotschi und Baden-Württemberg, oder Roboter, die Menschen überflüssig machen, bis niemand mehr zum Ficken übrig bleibt. In seinem Solo prangert von Wagner die Deutsche Bank an, weil sie die verbleibende Lebenszeit von Senioren zum Spekulationsgegenstand gemacht hat – und dabei als größtes Risiko für die Anleger:innen einen "Durchbruch in der Medizintechnologie" und "verbesserte Behandlungsmethoden" angab. Das szenische Spiel, die theatralen Sketche waren anfangs nur ein Randaspekt zwischen inhaltlich unzusammenhängenden Einzelbeiträgen.
Das änderte sich schnell. Längst haben Episoden der "Anstalt" klare Leitmotive, die sich als roter Faden durch die Sendungen ziehen, von der Leiharbeit bis zum neoliberalen Netzwerk der Mont-Pèlerin-Gesellschaft. Und als einziges Kabarett-Format im deutschen Fernsehen gibt es zu jeder Sendung einen umfangreichen Faktencheck, der die vorgetragenen Behauptungen mit Quellen untermauert. 2017 erfolgte der Umzug der Produktion ins Steuerparadies Grünwald am Münchner Stadtrand, wo der Hebesatz um 250 Prozentpunkte niedriger liegt als in der bayerischen Landeshauptstadt. Die verschnarchte Gemeinde mit knapp 11.000 Bewohner:innen beheimatet die Bavaria Filmstadt, einen riesigen Produktionskomplex. Hier, zwischen den Studios für die ARD-Telenovela "Sturm der Liebe" und dem "Bullyversum" von Michael Herbig, wird die "Anstalt" aufgezeichnet. Bei den ersten Proben für die Jubiläumsfolge, noch ohne Kostüme, ist es seltsam irritierend, den gelernten Juristen Max Uthoff nicht im Anzug, sondern im Pullover zu sehen. Weil er seinen kritisch prüfenden Blick aber auch auf den Fluren und Gängen nicht ablegt, hat Gemütlichkeit allerdings keine Chance, Eindruck zu machen.
Vorbild ist das Theater
Früher wurde die "Anstalt" noch live ausgestrahlt. Das änderte sich erst mit Corona, weil es keinen Sinn hatte, ohne Publikum aufzutreten. Heute ist Uthoff froh über die Freiheiten, die eine Aufzeichnung bringt. "In einer Folge hatten wir neulich 60 Menschen, die auf Bobbycars durchs Studio gefahren sind", erzählt er. Dafür brauchte es einen Umbau im Studio, der live unmöglich gewesen wäre. "Im fertigen Produkt ist trotzdem mal ein Verhaspler drin, damit es nicht filmisch wirkt, sondern eher wie Theater." Das Prinzip heißt "live on tape": Die Aufzeichnung einer Szene wird nur wiederholt, falls ein wirklich sinnentstellender Fehler vorkommt. Das passiert selten, denn die Protagonisten studieren ihre Rollen sorgfältig ein: Er und von Wagner lernen alle Dialoge auswendig, "weil man den Text können muss, um gut zu spielen", sagt Uthoff.
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Dietrich Krauss
am 15.02.2024Der "Konflikt" zwischen Russland und der Ukraine bestätigt also die linken Erkenntnisse, dass "Nationalisten aller Länder ihr Staatsvolk auf. die Schlachtfelder treiben und von Heimat, Demokratie und Ehre schwadronieren?" Ist es nicht eher so, dass manche Linke dieses Zerrbild des…