Bastian ist der Obermayer mit y, Frederik Obermaier der mit dem i. Zusammen sind sie das derzeit bekannteste und erfolgreichste Enthüllerpaar im deutschsprachigen Raum. ADAC-Skandal, Panama Papers, Ibiza-Skandal, Pulitzerpreis – viel mehr Trophäen gehen eigentlich nicht. Bastian, 44, Typ Rucksack, ist der Ältere, Frederik, 37, Typ Aktentasche, der Ernstere. Zumindest hier im Innsbrucker Haus der Musik, wo sie im Rahmen eines dreitägigen Journalist:innenkongresses über ihre Arbeit berichten.
Der Obermayer Bastian kann das hervorragend. Er erzählt von seinen Anfängen, vom Gemeinderat im Würmtal, wohin ihn der "Münchner Merkur" geschickt hat, vom Politikstudium, wo er die "Button-down"-BWL-Jungs verächtlich angeschaut und später beneidet hat, weil sie gelernt haben, was er später mühsam lernen musste: Wirtschaft. "Am Ende", sagt er, "ist es immer das Geld". Ob kleine oder große Sauerei. Die vielen jungen Leute im Saal, es mögen 400 sein, klatschen lange Beifall und nehmen die Botschaft mit, investigativer Journalismus sei einfach ein "geiler Job".
Bis vor kurzem haben sie ihn für die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) gemacht. Das ist vorbei. Sie arbeiten jetzt für den "Spiegel", der ihnen so ziemlich alle Freiheiten einräumt, die man in dieser Branche haben kann, inklusive einer eigenen Firma, die sich um investigative Recherche kümmert. Weiterhin in München, aber nicht mehr am SZ-Sitz in der Hultschiner Straße, wo der Deutschlandfunk eine frustrierte Redaktion vorgefunden hat.
"Grauenvoll" sei die Stimmung, zitiert der Sender Beschäftigte, schlecht wie nie, eine Spitzenkraft nach der anderen verlasse das Haus. Jüngster Fall ist Nico Fried, Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin, der zum "Stern" wechselt. Angelastet wird der Aderlass den "Knausern vor dem Herrn", sprich den schwäbisch-pfälzischen Eigentümern des Verlags, die blattprägende Autor:innen locker ziehen lassen, wenn sie ihren Businessplan gefährdet sehen.
Die Rede ist von der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), die über die SZ und eine Vielzahl von Regionalzeitungen herrscht – mit einem eisernen Sparprogramm und ohne publizistischen Kompass. Es sei denn, die Klickzahl ginge als solcher durch. Man darf annehmen, dass Obermayer und Obermaier diese Ignoranz nicht verborgen geblieben ist.
Büroleiter Ziedler geht, Kolleg:innen sind fassungslos
In Stuttgart ist sie mit Händen zu greifen. In der vergangenen Woche, am Mittwoch, den 11. Mai, konnten Verlag und Chefredaktion der SWMH-Blätter "Stuttgarter Zeitung" (StZ) und "Stuttgarter Nachrichten" (StN) in einer Betriebsversammlung Vollzug melden. "Das Ziel wurde erreicht", teilt der Verlag auf Kontext-Anfrage mit. Im Rahmen des sogenannten Freiwilligenprogramms sind 37 Stellen gestrichen, rund 50 RedakteurInnen, sprich fast ein Viertel der Belegschaft, sind damit demnächst raus, 5,7 Millionen Euro jährlich eingespart, die vierte Sparrunde innerhalb von sechs Jahren ist erfolgreich bestanden. Nicht eingepreist sind die Einschläge in Esslingen und Cannstatt, da kommen noch ein paar mehr dazu. Die Belegschaft ist empört, es fällt das Wort "Drecksarbeit", die zu leisten sie gezwungen werde, StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs ist auch empört, der Betriebsrat beklagt einen "dramatischen Verlust an Kompetenz".
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Ruby Tuesday
am 21.05.2022