Wir sind uns aber schon darüber einig, dass die AfD im Grundtenor nationalistisch, völkisch, rassistisch und fremdenfeindlich ist?
So weit würde ich nicht gehen, sie ist kein monolithisch rechtsextremer Block.
Wie reagieren Sie, wenn AfD-Politiker vor Ihrem Funkhaus in Baden-Baden stehen und drohen, die Journalisten aus ihren Redaktionsstuben zu vertreiben?
Das ist nicht lustig, aber diese Leute machen von ihrem Recht auf Demonstration Gebrauch. Daran haben wir nichts auszusetzen, sondern unvoreingenommen und emotionsfrei darüber zu berichten. Wir würden unseren Auftrag völlig falsch verstehen, wenn wir mit gleicher Münze heimzahlen würden.
Bei der AfD in Dresden haben Sie coram publico gesagt, ich zitiere: "Verdammt nochmal, ich zahle die 17,50 Euro auch nicht besonders gerne". Und das gegenüber Leuten, die die "Zwangsgebühren" gänzlich abschaffen wollen.
Okay, ich räume ein, dass das nicht sehr geschickt formuliert war. Heute würde ich sagen, dass unabhängiger Rundfunk der Gesellschaft soviel wert sein sollte. Aber seien wir doch ehrlich: Wäre uns der Gedanke, das Geld lieber in ein Feierabend-Bier zu investieren, so fremd?
Keine Sorge, dass Sie mit Ihrem AfD-Verstehen im eigenen Laden nicht mehr verstanden werden?
Das muss man aushalten. Als ich von Dresden nach Hamburg zurückgekommen bin, hat mich eine Diskussion mit der Abteilung Innenpolitik empfangen, die fast schon härter war als die AfD-Veranstaltung. Genau wegen dieses Zitates mit den 17,50 Euro. Moderiert von Anja Reschke, die ich über die Maßen schätze. Panorama war der Meinung, man redet bei denen und mit denen nicht. Ich werde es weiter tun und halte es mit dem Tübinger Medienprofessor Pörksen, der eine "respektvolle Konfrontation" empfiehlt.
Sie machen den Rechten die Tür zum Salon auf.
Im Gegenteil. Sie leben doch im Glauben, als Parias betrachtet und von den Öffentlich-Rechtlichen schlecht behandelt zu werden. Wenn da einer kommt und zivilisiert mit ihnen redet, bröckelt das Bild, die Entrechteten der Erde zu sein. Damit zerstöre ich ihr Opfernarrativ.
Ihre zivilisierte Rede in der "Jungen Freiheit", in der sie um Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geworben haben, scheint zumindest bei dem AfD-Bundesvorstandmitglied Joachim Paul nicht angekommen zu sein. Nach dem Interview spricht er von einem "PR-Feuerwerk" und wirft Ihnen "regierungsnahe Hofberichterstattung" vor, Ihren Kollegen Reschke und Restle "gouvernantenhaften Erziehungs- und Haltungsjournalismus".
Bingo. Diese Reaktion zeigt mir: Das Opfernarrativ funktioniert nicht mehr.
Leute wie Paul werden Sie demnächst in Ihrem Rundfunkrat haben.
Das ist für mich kein neues Phänomen, das kenne ich vom Norddeutschen Rundfunk. Warum soll die AfD nicht drin sitzen, ihr steht nun mal Sitz und Stimme zu als im Landtag vertretene Partei. Damit haben wir gefälligst zu leben. Egal, welche Partei, welche gesellschaftlichen Gruppen in unseren Aufsichtsgremien vertreten sind – entscheidend ist, dass wir eine ordentliche Arbeit abliefern. Solange wir das tun, kommen wir mit allen klar.
Zuletzt ist Ihr Hauskabarettist Mathias Richling durch scharfe Thesen bei Maischberger aufgefallen. Er meinte, das Virus sei wie ein Erdbeben am Bodensee, das nicht komme, und die Schutzmaßnahmen ermordeten die Wirtschaft. Das stecken Sie auch weg?
Ich teile diese Einschätzung ausdrücklich nicht und würde meine Worte an seiner Stelle stärker wägen. Aber Sie müssen seine besondere Situation sehen. Mathias Richling ist ein freier Kulturschaffender, der durch Corona plötzlich auf Null gesetzt wurde. Da können einem schon mal die Gäule durchgehen. Außerdem sieht er die Lage seiner Kolleginnen und Kollegen, die existenziell gefährdet sind und nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen. Richling ist ein Freigeist, der im SWR auftritt, worüber ich mich freue und dies auch weiterhin tun werde.
Sie gehen doch gern steil. Wie wäre es mit dieser These: Ihre Weigerung, rote Linien zu ziehen, hat auch biografische Gründe. Kai ist das ausgegrenzte Kind in der Eifel, weil die Eltern weder katholisch noch in der CDU waren. Es sehnt sich nach Anerkennung.
So steil ist die These vielleicht gar nicht. Die Gniffkes waren im Kaiserreich Sozialdemokraten. Nicht karrierefördernd. Sie waren im Dritten Reich Sozialdemokraten. Höchst gefährlich. Mein Großvater hat die SPD in der Illegalität aufrechterhalten und ist dafür ins Zuchthaus gegangen. Nach dem Krieg hat er sie in Ostberlin wieder begründet und musste mit ansehen, wie sie mit der KPD zur SED und damit für ihn untragbar wurde. Er ist getürmt, für meinen Vater war es zu spät, er landete im Stasiknast. Danach gingen meine Großeltern in den Fünfziger Jahren in die Eifel.
Sehr konservativer Landstrich.
Für Sozialdemokraten nicht unbedingt der Home-Turf. Will sagen, dass meine Familie über ein Jahrhundert lang erlebt hat, wie es ist, wenn sich keiner zu dir an den Tisch setzt. Das mag mich in dem Bestreben bestärkt haben, das Gespräch zu suchen.
Sie sprechen bisweilen von einer vertikalen Lernkurve, die man als neuer Intendant hat. War Tagesschau leichter?
Anders. Bei ARD-aktuell war ich für 300 Menschen zuständig, beim SWR sind es mehr als zehn Mal so viel. Zu meinem Verantwortungsbereich gehört nicht nur der klassische Journalismus, plötzlich zählen auch Orchester, ein Vokalensemble, eine Bigband und Unterhaltungsformate dazu. Die Erwartungen sind riesengroß, so groß, dass sie ein einzelner Mensch kaum erfüllen kann. Das ist die entscheidende Erkenntnis: Du kannst nicht sagen, jetzt rocke ich den Laden, und nach einem Jahr sieht alles anders aus. Das geht nicht bei einem Tanker.
Diese Erkenntnis schützt zumindest vor Größenwahn.
Ich sag's ganz offen: Manchmal wünschte ich mir, die Mitarbeiter behandelten mich wie einen normalen Menschen. Wenn ich durchs Haus gehe, habe ich oft den Eindruck, sie begegneten mir mit besonderer Vorsicht.
Naja, sie mussten auch Intendanten wie Peter Voß überleben.
Ich bin ein Tick anders.
Voß war sicher der Ansicht, dass er den Laden alleine rocken kann.
Die Zeiten ändern sich. Andererseits muss aber auch festgehalten werden, dass sich Voß vor seine Leute gestellt hat und beispielsweise mich geschützt hat, als ich einfacher Schlussredakteur in Mainz war. Ein hochrangiges Gremienmitglied wollte wissen, wer für eine Nachrichtensendung zuständig war, die ihm nicht gepasst hat. Die Verantwortung trägt der Intendant, meldete Voß trocken zurück. Punkt. Wiederhören. Das hat mich geprägt.
8 Kommentare verfügbar
Andreas Markowsky
am 08.06.2020